Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 104 IA 49



104 Ia 49

12. Auszug aus dem Urteil vom 25. Januar 1978 i.S. X. gegen
Bezirksanwaltschaft Zürich und Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich
Regeste

    Europäisches Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen und
ergänzender Staatsvertrag zwischen der Schweiz und der Bundesrepublik
Deutschland.

    1. Internationale Rechtshilfe der Schweiz bei Konnexität zwischen
gemeinrechtlichen und Fiskaldelikten (E. 4).

    2. Das massgebliche Staatsvertragsrecht verlangt nicht, dass die
Schweiz vor Gewährung der Rechtshilfe vom ersuchenden Staat noch eine
ausdrückliche Zusicherung der Wahrung des Spezialitätsgrundsatzes einholt
(E. 5b).

Sachverhalt

    A.- Am 11. März 1977 stellte der Leitende Oberstaatsanwalt in
Hannover bei der Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich ein Gesuch um
Rechtshilfe in einem gegen den deutschen Staatsangehörigen X. hängigen
Ermittlungsverfahren wegen Untreue. Das Gesuch war darauf gerichtet, bei
vier schweizerischen Banken Erhebungen über bestimmte, im Rechtshilfegesuch
näher umschriebene Geschäfte des Angeschuldigten vorzunehmen, die an diesen
Geschäften beteiligten Funktionäre der Banken als Zeugen zu vernehmen
sowie die entsprechenden Kredit- und Kontounterlagen beizuziehen. Da der
schweizerische Anwalt von X. befürchtete, die wegen eines gemeinrechtlichen
Deliktes zu leistende Rechtshilfe könnte in der Bundesrepublik Deutschland
auch in einem zur Strafuntersuchung parallel laufenden Fiskalverfahren
Verwendung finden, stellte er den Antrag, die Einvernahmeprotokolle und
allfällige weitere Erhebungen an die deutschen Justizbehörden nur unter
der Bedingung weiterzuleiten, dass vorgängig formell zugesichert werde, sie
würden nicht zum Zwecke der Geltendmachung von Ansprüchen in Steuersachen
verwendet. Die Erhebungen in der Schweiz wurden daraufhin unterbrochen,
und die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich ersuchte jene von Hannover am
9. Mai 1977, eine entsprechende, von ihr nach dem Antrag der Verteidigung
formulierte Erklärung abzugeben. Der Leitende Oberstaatsanwalt beim
Landgericht Hannover unterzeichnete die Erklärung sofort und stellte sie am
11. Mai 1977 der Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich zu. Nach dem Eingang
dieser Erklärung führte die Bezirksanwaltschaft Zürich entsprechend der
Weisung der Staatsanwaltschaft die gewünschten Zeugenvernehmungen durch
und erhob die verlangten Bankunterlagen zu den Akten.

    X. stellte darauf bei der Bezirksanwaltschaft Zürich das Begehren,
von der Weiterleitung der Einvernahmeprotokolle und der übrigen Akten
an die ersuchende Behörde der Bundesrepublik Deutschland abzusehen, bis
geklärt sei, welche Behörde dieses Staates eine wirklich verbindliche
Erklärung betreffend die Nichtberücksichtigung der Ergebnisse des
Rechtshilfeverfahrens für fiskalische Zwecke abgeben könne, und bis eine
solche Erklärung vorliege. Mit Verfügung vom 17. August 1977 wies die
Bezirksanwaltschaft Zürich diese Anträge ab und verfügte die Weiterleitung
der im Rechtshilfeverfahren erstellten Protokolle und erhobenen Belege an
die ersuchende Behörde. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich wies den
hiegegen erhobenen Rekurs am 28. September 1977 ab. Diesen Entscheid ficht
X. mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung von Staatsverträgen
(Art. 84 Abs. 1 lit. c OG) an.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- ...

    Nach Art. 1 des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe
in Strafsachen vom 20. April 1959 (EÜR) sind die Unterzeichnerstaaten
grundsätzlich zu gegenseitiger Rechtshilfe hinsichtlich strafbarer
Handlungen verpflichtet, soweit die Behörden des ersuchenden Staates zu
deren Verfolgung zuständig sind. Art. 2 lit. a lautet wie folgt:

    "Die Rechtshilfe kann verweigert werden:

    a) wenn sich das Ersuchen auf strafbare Handlungen bezieht, die
   vom ersuchten Staat als politische, als mit solchen zusammenhängende
   oder als fiskalische strafbare Handlungen angesehen werden;

    b) wenn der ersuchte Staat der Ansicht ist, dass die Erledigung des

    Ersuchens geeignet ist, die Souveränität, die Sicherheit, die
   öffentliche Ordnung (ordre public) oder andere wesentliche

    Interessen seines Landes zu beeinträchtigen."

    Die Schweiz hat im BB vom 27. September 1966 über die Genehmigung
von sechs Abkommen des Europarates dazu ausgeführt (AS 1967 S. 809), sie
behalte sich das Recht vor, "in besonderen Fällen Rechtshilfe auf Grund
dieses Übereinkommens nur unter der ausdrücklichen Bedingung zu leisten,
dass die Ergebnisse der in der Schweiz durchgeführten Erhebungen und
die in herausgegebenen Akten oder Schriftstücken enthaltenen Auskünfte
ausschliesslich für die Aufklärung und Beurteilung derjenigen strafbaren
Handlungen verwendet werden dürfen, für die Rechtshilfe bewilligt wird".

    Ferner hat sie von der in Art. 5 vorgesehenen Möglichkeit, für
die Erledigung von Gesuchen um Durchsuchung oder Beschlagnahme von
Gegenständen zusätzliche Bedingungen zu stellen, in dem Sinne Gebrauch
gemacht, als sie erklärte, jede Zwangsmassnahme sei der in Art. 5 §
1 lit. a des Abkommens erwähnten Bedingung unterworfen, d.h. es sei der
Grundsatz der beidseitigen Strafbarkeit anzuwenden.

    Der am 13. November 1969 abgeschlossene, am 1. Januar 1977 in Kraft
getretene Vertrag zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der
Bundesrepublik Deutschland über die Ergänzung des EÜR vom 20. April 1959
und die Erleichterung seiner Anwendung enthält vorwiegend Einzelheiten
technischer Natur. Erwähnung verdient indessen ein Abschnitt der dem
Vertrag beigefügten, von den beidseitigen Delegationschefs unterzeichneten
und in der Amtlichen Gesetzessammlung veröffentlichten "Bemerkungen"
zu diesem Vertrag, die - ohne dass auf ihre rechtliche Tragweite näher
eingegangen werden soll - jedenfalls zur Auslegung des übereinstimmenden
Willens der vertragsschliessenden Parteien herangezogen werden können. Zu
Art. 2 EÜR wird hier ausgeführt (AS 1977 I S. 105):

    "Die Delegationen sind übereinstimmend davon ausgegangen, dass

    Artikel 2 des Übereinkommens nicht ausschliesst, die Leistung der
   verlangten Rechtshilfe an Bedingungen oder Auflagen zu knüpfen, und dass
   allfällige Bedingungen oder Auflagen von den Behörden des ersuchenden
   Staates zu beachten sind. Sie werden deshalb ihren zuständigen

    Behörden empfehlen, in den Fällen des Artikels 2 Buchstabe b
   des Übereinkommens nach Möglichkeit die Rechtshilfe unter Bedingungen
   oder Auflagen zu leisten anstatt das Ersuchen abzulehnen, wenn dadurch
   die Beeinträchtigung der Interessen des ersuchten Staates vermieden
   werden kann."

Erwägung 3

    3.- Im vorliegenden Falle ersucht die Staatsanwaltschaft beim
Landgericht Hannover um Rechtshilfe in einem gegen den Beschwerdeführer
hängigen Ermittlungsverfahren wegen Untreue. Der Sachverhalt, der
jenem zur Last gelegt wird, wird im Rechtshilfegesuch einlässlich
dargestellt. Untreue im Sinne von § 266 des deutschen Strafgesetzbuches
ist mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bedroht. Es
handelt sich somit im Sinne der schweizerischen Begriffsbestimmung (Art. 9
StGB) um ein Verbrechen. Nach der Umschreibung des Tatbestandes fallen
in der Bundesrepublik Deutschland unter den Begriff der Untreue sowohl
Fälle, die in der Schweiz als Veruntreuung im Sinne von Art. 140 StGB zu
betrachten wären, als auch solche, die unter den Tatbestand der ungetreuen
Geschäftsführung im Sinne von Art. 159 StGB fielen. Beide Tatbestände
gehören zu den strafbaren Handlungen, für die das schweizerische
Recht eine Auslieferung zulässt. Wollte man also annehmen, der von
der Schweiz zu Art. 5 § 1 des EÜR angebrachte Vorbehalt finde hier
grundsätzlich Anwendung, obschon keine Durchsuchung oder Beschlagnahmung
erforderlich war, sondern die angeforderten Akten von den vernommenen
Zeugen eingereicht worden sind, so stünde er der Rechtshilfe nicht
entgegen. Der Beschwerdeführer erhebt denn auch gegen die Gewährung der
Rechtshilfe im Verfahren wegen Untreue als solchem keine Einwendungen.

Erwägung 4

    4.- a) Es ist unbestritten, dass gegen den Beschwerdeführer in der
Bundesrepublik Deutschland neben dem gemeinrechtlichen Strafverfahren
wegen Untreue noch ein Verfahren wegen Verletzung fiskalischer
Bestimmungen hängig ist. Der Beschwerdeführer befürchtet, dass die im
Rechtshilfeverfahren erhobenen Protokolle und Akten auch in jenem Verfahren
Verwendung finden könnten, und er widersetzt sich der Weiterleitung, weil
nach seiner Auffassung keine genügenden Zusicherungen dafür vorlängen,
dass hiervon Abstand genommen werde.

    Richtig ist, dass die Schweiz in Fiskalsachen grundsätzlich keine
Rechtshilfe gewährt. Dies steht im Zusammenhang mit dem durch Art. 47 BankG
gesicherten Bankgeheimnis, das für die Entwicklung der schweizerischen
Wirtschaft eine bedeutende Rolle gespielt hat. Indessen kommt dem
Bankgeheimnis nicht der Rang eines geschriebenen oder ungeschriebenen
verfassungsmässigen Rechtes zu, so dass es bei Kollision mit anderen
Interessen stets den Vorrang beanspruchen könnte. Vielmehr handelt es sich
um eine gesetzliche Norm, die gegebenenfalls gegenüber staatsvertraglichen
Verpflichtungen der Schweiz zurückzutreten hat (vgl. BGE 99 Ia 89 und 96 I
752). Zur historischen Entwicklung des Verhältnisses zwischen Bankgeheimnis
und internationaler Rechtshilfe ist folgendes festzuhalten:

    Während die umfassende Rechtshilfe in Strafsachen noch nicht Gegenstand
eines Bundesgesetzes bildet und staatsvertragliche Regelungen auf
diesem Gebiet erst im Laufe der letzten Jahrzehnte zustandegekommen sind,
bestehen seit langem gesetzliche und staatsvertragliche Grundlagen für das
Auslieferungsrecht, das einen Spezialfall der Rechtshilfe regelt. Art. 11
des Bundesgesetzes betreffend die Auslieferung gegenüber dem Ausland vom
22. Januar 1892 (AuslG) lautet:

    "Wegen Übertretung fiskalischer Gesetze und wegen reiner
Militärvergehen
   wird die Auslieferung nicht bewilligt.

    Hat eine Person, die wegen einer die Auslieferung begründenden

    Handlung verfolgt wird, ausserdem ein fiskalisches oder ein
militärisches

    Gesetz übertreten, so erfolgt die Auslieferung nur unter der

    Bedingung, dass diese Übertretung weder bestraft werden noch einen

    Strafverschärfungsgrund bilden darf."

    Sinngemäss gleichartige Bestimmungen enthalten auch fast sämtliche
von der Schweiz geschlossenen Auslieferungsverträge. In seinem 1953
erschienenen Werk "Das schweizerische Auslieferungsrecht" führt HANS
SCHULTZ aus, die Schweiz verweigere die Auslieferung nur für das mit
anderen Delikten zusammen verfolgte fiskalische Delikt; eine Erstreckung
des Auslieferungsprivileges auf "konnex" oder "relativ" fiskalische Delikte
lehne die schweizerische Praxis richtigerweise ab. Von den Behörden eines
Staates, welchem die Schweiz das zur Begründung des Auslieferungsverkehrs
erforderliche Vertrauen schenke, dürfe erwartet werden, dass sie die
übrigen Delikte verfolgten und bestraften, ohne sich von dem ausserdem
begangenen fiskalischen Delikt beeinflussen zu lassen (aaO, S. 467/468).

    Nach der älteren, ständigen Praxis des Bundesgerichtes betreffend
Auslieferung bei Konnexität zwischen gemeinrechtlichen und Fiskaldelikten
(vgl. BGE 92 I 287, 78 I 246 E. 4a mit Verweisungen; sowie THEODOR
GUT, Die fiskalischen und militärischen Vergehen im schweizerischen
Auslieferungsrecht, Zürich 1943, S. 85-110) wird dann, wenn ein
Angeschuldigter im Ausland sowohl wegen auslieferungsgeeigneter Delikte
des gemeinen Strafrechtes als auch wegen Fiskaldelikten verfolgt wird, bei
Real- und Idealkonkurrenz die Auslieferung bewilligt unter der Bedingung,
dass das Fiskaldelikt weder bestraft noch als Strafschärfungsgrund
berücksichtigt werden darf. Ausgeschlossen ist die Auslieferung
nur bei unechter Gesetzeskonkurrenz, d.h. wenn der Tatbestand des
Nichtauslieferungsdeliktes jenen des Auslieferungsdeliktes nach allen
Richtungen umfasst. Auf die Frage, in welcher Form die Bedingung zu
stellen ist, ist in anderem Zusammenhang zurückzukommen.

    b) Die modernen zwei- und mehrseitigen Abkommen über Rechtshilfe
in Strafsachen beruhen, gleich wie die Auslieferungsverträge, auf dem
Grundgedanken des gegenseitigen Vertrauens in die Rechtspflege von Staaten
des gleichen Kulturkreises. Sie sollen die Verbrechensbekämpfung über
die Landesgrenzen hinaus weiter erleichtern, greifen aber weniger tief in
die Interessen der Beschuldigten ein, da sie deren persönliche Freiheit
nicht unmittelbar tangieren. Diese Gesichtspunkte sprechen dafür, bei der
Auslegung von Rechtshilfeabkommen jedenfalls keine grössere Zurückhaltung
zu üben als bei derjenigen von Auslieferungsverträgen. In seiner Botschaft
an die Bundesversammlung über die Genehmigung von sechs Übereinkommen des
Europarates vom 1. März 1966 (BBl 1966 I S. 482) hat der Bundesrat unter
Hinweis auf einen von ihm am 23. September 1957 gefällten Entscheid (VEB
1957 Nr. 3, E. 6d) ausgeführt, die zur Abklärung einer gemeinrechtlichen
Straftat gewährte Rechtshilfe berechtige den ersuchenden Staat nicht,
die Ergebnisse der Erhebungen im ersuchten Staat für die Verfolgung und
Bestrafung von Delikten auszuwerten, für die sie nicht geleistet worden
sei. Im Hinblick auf die erhebliche Bedeutung, die dieser Regel für die
Wahrung des schweizerischen Bankgeheimnisses zukomme, könne darauf im
Verkehr mit den Vertragsparteien des EÜR umso weniger verzichtet werden,
als mit dem Beitritt zu diesem der Grundsatz der beidseitigen Strafbarkeit
aufgegeben werde. Es sei deshalb gegenüber dem Generalsekretariat des
Europarates eine entsprechende Erklärung abzugeben.

    In neuester Zeit scheint sich eine etwas elastischere Haltung
der Schweiz hinsichtlich der Rechtshilfe an ausländische Staaten
abzuzeichnen. So ist etwa die Rechtshilfe in Steuersachen gegenüber
den Vereinigten Staaten nach dem am 23. Januar 1977 in Kraft getretenen
Rechtshilfevertrag unter genau umschriebenen Voraussetzungen möglich zur
Bekämpfung des sogenannten "organisierten Verbrechens".

    Die Frage, wie weit die Rechtshilfe der Schweiz bei Konnexität zwischen
gemeinen Delikten und Fiskaldelikten gehen soll, ist zur Zeit Gegenstand
der Beratungen der eidgenössischen Räte im Rahmen der Ausarbeitung des BG
über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (vgl. Botschaft des
Bundesrates vom 8. März 1976, BBl 1976 II S. 444 ff.; Sten. Bull. 1977
S. 622). Auch wenn das Ergebnis dieser Beratungen noch nicht feststeht,
drängt sich doch keinesfalls in Grenzfällen eine restriktive Auslegung
der geltenden staatsvertraglichen Bestimmungen über die Rechtshilfe auf.

Erwägung 5

    5.- Im vorliegenden Falle wird zu Recht nicht geltend gemacht,
es fehle an sich an einer Voraussetzung für die Rechtshilfe an die
Bundesrepublik Deutschland im Ermittlungsverfahren betreffend Untreue. Die
Einwendungen des Beschwerdeführers beziehen sich nur darauf, dass nach
seinem Dafürhalten keine genügende Gewähr für die Nichtverwendung des
Ergebnisses der in der Schweiz durchgeführten Ermittlungen in einem
gleichzeitig hängigen Fiskalverfahren geboten sei.

    a) Der Leitende Oberstaatsanwalt beim Landgericht Hannover hat
bereits in seinem Rechtshilfebegehren vom 11. März 1977 unaufgefordert
versichert, dass die Ermittlungsergebnisse aus dem Rechtshilfeersuchen
nicht in einem Steuerstrafverfahren verwendet werden. Gleichwohl hat die
Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich auf Begehren des Beschwerdeführers
eine einlässlichere Erklärung in dieser Richtung verlangt, wobei sie sich
wörtlich an den vom zürcherischen Anwalt des Beschwerdeführers gestellten
Antrag hielt. Diese Erklärung hat der Leitende Oberstaatsanwalt am 11. Mai
1977 abgegeben. Der Beschwerdeführer gab sich damit aber nicht zufrieden,
sondern stellte in einer Eingabe vom 10. Juni 1977 die weiteren Begehren,

    aa) es sei "durch Vermittlung der schweizerischen politischen Behörden,
   insbesondere des EJPD, abzuklären, welche Bundesbehörde der
   Bundesrepublik Deutschland zuständig ist zur Abgabe einer für sämtliche
   Behörden der Bundesrepublik Deutschland verbindlichen

    Erklärung des Inhalts, dass die mittels Rechtshilfe in der

    Schweiz erlangten Informationen und Unterlagen ausschliesslich
   zur Verfolgung gemeinrechtlicher und nach schweizerischem

    Recht die Rechtshilfe rechtfertigender Delikte verwendet werden;

    bb) "es sei sodann, gestützt auf Art. 2 (a) des EÜR, insbesondere
   gestützt auf den von der Schweiz dazu gemachten Vorbehalt zu

    Art. 2 (b) von den zuständigen deutschen Behörden die Abgabe
   einer schriftlichen Erklärung zu verlangen, worin die dafür zuständige
   deutsche Behörde formell zusichert, dass die deutschen Behörden,
   einschliesslich alle Justiz- und Verwaltungsbehörden des

    Bundes und der Länder, die Ergebnisse der in der Schweiz durchgeführten

    Erhebungen und die in herausgegebenen Akten enthaltenen

    Auskünfte nicht verwenden werden zum Zwecke der Geltendmachung
   oder Erhebung von Ansprüchen, der Veranlagung von Steuern und Abgaben,
   Einleitung und Durchführung von

    Fahndungen, Untersuchungen und Strafverfahren, die auf Gesetzen
   oder Vorschriften fiskalischer Natur, wie Steuergesetze,

    Devisenvorschriften, Zollgesetze etc. beruhen."

    Es stellt sich die Frage, ob diese Begehren mit Treu und Glauben
vereinbar sind, nachdem der Vertreter des Beschwerdeführers schon an der
Verhandlung vom 27. April 1977 vor der Bezirksanwaltschaft Zürich beantragt
hatte, es seien die deutschen Justizbehörden um eine ausdrückliche
schriftliche Erklärung zu ersuchen, die inhaltlich genau dem entspricht,
was in der Eingabe vom 10. Juni 1977 gefordert wird. Auch fällt auf, dass
der Beschwerdeführer, obschon er Deutscher ist und in der Bundesrepublik
ansässige Anwälte beigezogen hat, nicht selbst die Behörde nennt, die er
für die Abgabe der gewünschten Erklärung als zuständig betrachtet. Der
Gedanke, dass es dem Beschwerdeführer nicht nur um Sicherung vor
ungerechtfertigter Verfolgung in Fiskalsachen, sondern auch um Verzögerung
der Rechtshilfe hinsichtlich des gemeinrechtlichen Tatbestandes geht,
ist nicht im vornherein von der Hand zu weisen. Die Frage kann jedoch
offen bleiben, da sich der Standpunkt des Beschwerdeführers in der Sache
selbst als unbegründet erweist.

    b) Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist keineswegs
eindeutig, dass die Rechtshilfe im vorliegenden Falle von einer
ausdrücklichen Erklärung irgend einer deutschen Amtsstelle abhändig gemacht
werden muss. Weder das EÜR noch der ergänzende Staatsvertrag zwischen
der Schweiz und der Bundesrepublik Deutschland sehen solche Erklärungen
vor. Der Beschwerdeführer beruft sich allerdings auf den von der Schweiz
zu Art. 2 EÜR angebrachten Vorbehalt. Allein dieser sagt nur, dass die
Schweiz die Rechtshilfe unter der Bedingung der Beachtung des Grundsatzes
der Spezialität gewähren könne, was nicht gleichbedeutend ist mit einer vom
ersuchenden Staate zu verlangenden Erklärung. Zwar bemerkt ROBERT HAUSER
(Das Bankgeheimnis im internationalen Rechtshilfeverkehr in Strafsachen,
in ZStR 87/1971, S. 153), es sei von der Schweiz eine Garantieerklärung des
Inhaltes zu verlangen, das durch die Rechtshilfe erhobene Material werde
nicht zur Verhängung von Sanktionen des Steuer- oder Devisenstrafrechts
verwendet; er führt jedoch keine gesetzliche oder staatsvertragliche
Grundlage für diese Auffassung an. Er verweist auf Art. 11 AuslG und
auf den erwähnten Vorbehalt im Beschluss betreffend Genehmigung des
EÜR sowie weiterer europäischer Abkommen, doch ist an beiden Stellen
lediglich von zu stellenden Bedingungen die Rede. Dasselbe trifft für
den in der Fussnote zitierten Entscheid des Bundesrates in VEB 1957
Nr. 3 S. 12 ff. (insbesondere S. 35) zu, der übrigens vor Inkrafttreten
der heute massgebenden Rechtsgrundlagen ergangen ist und dem deshalb nur
noch beschränkte Bedeutung beigemessen werden kann. Geht man im Sinne der
vorstehenden Darlegungen davon aus, dass die Rechtshilfe in Strafsachen
eine Erweiterung des bisherigen Auslieferungsrechtes darstellt und dass
sie den Einzelnen jedenfalls nicht schärfer trifft als jene, so liegt
es vielmehr nahe, sich im Rechtshilfeverkehr bezüglich der zu stellenden
Bedingungen an die gefestigte Praxis in Auslieferungsfällen zu halten.

    Nach dieser wird bei Auslieferung wegen Delikten, die mit nicht
zur Auslieferung berechtigenden Tatbeständen, insbesondere mit solchen
fiskalischer Natur, real oder ideal konkurrieren, stets die Bedingung
gestellt, dass eine Verfolgung wegen dieser Tatbestände zu unterbleiben
hat, wobei gelegentlich statt des Ausdrucks "Bedingung" auch das
Wort "Vorbehalt" verwendet wird. Dagegen wird nie eine Erklärung des
ersuchenden Staates verlangt, wonach er sich an die gestellte Bedingung
oder an den Vorbehalt halten, d.h. den Grundsatz der Spezialität beachten
werde (vgl. z.B. BGE 101 Ia 64 f. E. 5b und Disp. 2; S. 423 E. 3d und 426
Disp. 2; S. 599 E. 6 und 601 Disp. 2, mit zahlreichen Verweisungen). Die
innere Rechtfertigung dieser Praxis liegt darin, dass jeder Staat
mit dem Abschluss eines Auslieferungsabkommens dem Vertragspartner das
Vertrauen schenkt, er werde den Vertrag einhalten, d.h. den Grundsatz der
Spezialität strikte beachten und das Auslieferungsdelikt ohne Rücksicht
auf eventuell damit konkurrierende Nichtauslieferungsdelikte verfolgen
(SCHULTZ, aaO S. 288). Im Verkehr zwischen den demokratischen Staaten
des westeuropäischen Kulturkreises sind denn auch Verletzungen dieser
staatsvertraglichen, allgemein anerkannten Regel kaum je anzutreffen,
umso weniger, als sie für den betreffenden Staat die Folge nach sich ziehen
könnten, dass in künftigen Fällen die Auslieferung verweigert würde. Es ist
nicht ersichtlich, weshalb bei der allgemeinen Rechtshilfe hinsichtlich
des Grundsatzes der Spezialität andere, strengere Anforderungen gestellt
werden sollten als bei der für den Betroffenen schwersten Massnahme
der Auslieferung. Die völkerrechtliche Frage des dem Partnerstaat
entgegenzubringenden Vertrauens bleibt dieselbe, und die Tendenzen
der jüngsten Zeit sprechen, wie dargelegt, jedenfalls nicht für eine
Erschwerung der Rechtshilfe über den Vertragswortlaut hinaus.

    Zwar ist es richtig, dass in anderen Fällen ausländische Behörden
teils von sich aus Zusicherungen im Sinne des staatsvertraglichen
Vorbehaltes abgegeben haben, teils von der ersuchten kantonalen Behörde
hiezu aufgefordert worden sind (BGE 98 Ia 227; 95 I 441). Eine solche
Praxis entspricht der Vorsicht und wird in den meisten Fällen zweckmässig
sein, eine Rechtspflicht vermag sie jedoch nicht zu begründen. Auch die
Polizeiabteilung des Eidg. Justiz- und Polizeidepartementes führt in der
vom Beschwerdeführer auszugsweise wiedergegebenen, dem Bundesgericht im
übrigen aber nicht bekannten Note vom 30. Juni 1976 an die Botschaft
der Bundesrepublik Deutschland nicht aus, worauf sie ihr Ersuchen um
eine formelle Zusicherung der deutschen Behörden stützt. Im übrigen
scheint es sich in jener Sache um Durchsuchungen und Beschlagnahmungen,
also um eigentliche Zwangsmassnahmen, gehandelt zu haben, während im
vorliegenden Falle keine solchen erfolgt oder vorgesehen sind, sondern die
Zeugen lediglich ersucht wurden, die mit ihren Aussagen im Zusammenhang
stehenden Belege zu den Akten zu geben.

    Schliesslich lässt sich auch aus dem in der Beschwerde zitierten
BGE 103 Ia 206 ff. (insbes. E. 6 und 7) nichts für den Standpunkt des
Beschwerdeführers ableiten. Es ging dort darum, dass - im Gegensatz zum
vorliegenden Falle - der massgebende Sachverhalt im Rechtshilfebegehren
nicht mit hinlänglicher Klarheit umschrieben war. In diesem Zusammenhang
hat das Gericht festgestellt, es müssten die gemeinrechtlichen Tatbestände
genau umschrieben werden, da sonst nicht abgeklärt werden könne, ob
Rechtshilfe nicht nur für ein Fiskaldelikt und damit im Zusammenhang
stehende Urkundenfälschungen verlangt werde, in welchem Falle sie
zu verweigern wäre. Wenn aus diesen Gründen erklärt wurde, die blosse
Zusicherung der Nichtverwendung der erhobenen Unterlagen für fiskalische
Zwecke genüge nicht, so ist dies für den vorliegenden Fall unerheblich,
da hier nicht geltend gemacht wird, das Verfahren wegen Untreue als
solches betreffe im Grunde genommen lediglich eine Fiskalsache. Indem
die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich hier über die bereits im
Rechtshilfegesuch enthaltene Zusicherung hinaus eine ausdrückliche
Erklärung der ersuchenden Behörde in dem vom Beschwerdeführer gewünschten
Wortlaut eingeholt hat, ist sie somit bereits über das rechtlich unbedingt
Erforderliche hinausgegangen. Mehr kann der Beschwerdeführer schon aus
diesem Grund nicht verlangen.

    c) Der Beschwerdeführer rügt nicht den Inhalt der vom Leitenden
Oberstaatsanwalt beim Landgericht Hannover abgegebenen Erklärung, der
wörtlich mit seinen Anträgen übereinstimmt, sondern er macht geltend,
der Leitende Oberstaatsanwalt sei nach dem innerstaatlichen Recht der
Bundesrepublik Deutschland zur Abgabe der Erklärung mit Verbindlichkeit
für alle andern gegebenenfalls in Fiskalsachen zuständigen Behörden
nicht berechtigt. Da indessen nach den vorstehenden Ausführungen
schweizerischerseits keine ausdrückliche Zusicherung der Wahrung des
Spezialitätsgrundsatzes eingeholt werden muss, ist auf diesen Einwand
nicht weiter einzugehen.