Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 104 IA 470



104 Ia 470

69. Auszug aus dem Urteil vom 11. Oktober 1978 i.S. Zen Ruffinen und
Loretan gegen Gemeinde Leukerbad und II. Schätzungskommission des Kantons
Wallis Regeste

    Kantonales Enteignungsrecht; werkbedingte Vor- und Nachteile.

    Der Grundsatz, dass werkbedingte Vor- und Nachteile bei der Festsetzung
der Enteignungsentschädigung nicht zu berücksichtigen sind, gilt auch im
kantonalrechtlichen Enteignungsverfahren.

    Werkbedingte Vor- und Nachteile können die Grundstückspreise schon
lange vor der Verwirklichung des Werkes beeinflussen.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 5

    5.- b) Zu Recht macht der Beschwerdeführer Zen Ruffinen geltend,
dass bei der Bestimmung des Verkehrswertes werkbedingte Vor- und
Nachteile nicht zu berücksichtigen seien. Dieser Grundsatz ist unabhängig
davon zu beachten, ob er im kantonalen Recht - gleich wie in Art. 20
Abs. 3 des Bundesgesetzes über die Enteignung (EntG) - ausdrücklich
statuiert werde oder nicht, da er generelle Bedeutung hat und sich aus
dem verfassungsrechtlichen Prinzip der vollen Entschädigung ableiten
lässt. Würde nämlich der Enteigner dazu verpflichtet, im Rahmen der
Enteignungsentschädigung für Vorteile aufzukommen, die er durch sein Werk
selbst geschaffen hat, so bedeutete dies, dass der Enteignete mehr als die
durch Art. 22ter BV gewährleistete volle Entschädigung erhielte und dadurch
bereichert würde. Müsste andererseits der Enteigner, dessen Werk sich
nachteilig auf die Grundstückspreise auswirkt, lediglich den des Werkes
wegen gesunkenen Preis bezahlen, so würde dem Enteigneten nicht der ihm
zustehende volle Verkehrswert ersetzt (vgl. zur Anwendung von Art. 20 Abs.
2 EntG die nicht publ. Entscheide i.S. La Dixence S.A. vom 12. März 1937
E. 1, i.S. Schnyder vom 25. April 1956 E. 2, i.S. Grogg vom 20. März 1962
E. 1, i.S. Meschler vom 11. Februar 1965, S. 6; s.a. BURCKHARDT, Die
Entschädigungspflicht im schweiz. Recht, ZSR N.F. 32/1913, S. 150, HESS,
Das Enteignungsrecht des Bundes, N. 9 und 10 zu Art. 20 EntG, DUBACH, Die
Berücksichtigung der besseren Verwendungsmöglichkeit und der werkbedingten
Vor- und Nachteile bei der Festsetzung der Enteignungsentschädigung nach
Bundesrecht, ZBl 79/1978, S. 1; Botschaft des Bundesrates zum Entwurfe
eines Bundesgesetzes über die Enteignung, BBl 1926 II, S. 30).

    Die heikle Frage der Anwendung des Grundsatzes der
Nichtberücksichtigung von werkbedingten Vor- und Nachteilen im Falle
der Teilenteignung (vgl. Art. 19 lit. b und Art. 22 EntG; DUBACH, aaO,
S. 6) stellt sich hier nicht, da einerseits die Parzelle Loretan gemäss
Entscheid der Schätzungskommission II vollständig enteignet worden
ist und andererseits der Beschwerdeführer Zen Ruffinen nicht einmal
behauptet hat, dass für den nicht enteigneten Teil seines Grundstückes
eine Wertverminderung eingetreten sei.

    c) Beeinflusst ein Werk die Grundstückspreise, so steigen oder sinken
die Verkehrswerte nicht notwendigerweise erst im Zeitpunkt der Errichtung
oder nach der Erstellung des Werkes. Die Erfahrung zeigt, dass sich schon
die Projektierung eines öffentlichen Werkes auf den Grundstücksmarkt
auswirken kann, noch bevor feststeht, ob dieses überhaupt gebaut
werde. Sogar nur die Bekanntgabe, es werde ein gewisses Projekt studiert,
oder die Möglichkeit, dass unter verschiedenen Projekten ein bestimmtes
ausgewählt werden könnte, kann einen bis anhin ruhigen Immobilienmarkt
beleben oder gegenteils einen vorher regen Grundstückshandel zum Erliegen
bringen. Auch solche - günstigen oder ungünstigen - Vorwirkungen des
Werkes müssen bei der Bestimmung des Verkehrswertes der für das Werk
enteigneten Grundstücke ausser acht bleiben (HESS, aaO N. 9 und 10 zu Art.
20 EntG und bereits zit. Entscheide).