Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 104 IA 401



104 Ia 401

59. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 8. November 1978
i.S. X. gegen X. und Kassationsgericht des Kantons Zürich Regeste

    Art. 4 BV; § 285 der zürcherischen Zivilprozessordnung vom 13. Juni
1976.

    Es ist nicht willkürlich, die Nichtigkeitsbeschwerde im Sinne der §§
281 ff. der zürcherischen Zivilprozessordnung nicht zuzulassen, wenn die
behaupteten Mängel mit Berufung an das Bundesgericht gerügt werden können.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Das Kassationsgericht ist auf die Nichtigkeitsbeschwerde des
Beschwerdeführers nicht eingetreten, weil das Bundesgericht auf Berufung
hin frei prüfen könne, ob das obergerichtliche Urteil an den gerügten
Mängeln leide; nach § 285 der zürcherischen Zivilprozessordnung (ZPO) sei
die kantonale Nichtigkeitsbeschwerde in einem solchen Fall unzulässig. In
der staatsrechtlichen Beschwerde wird diese Begründung als willkürlich
angefochten, indem vorgebracht wird, das Kassationsgericht habe ausser
acht gelassen, dass die Nichtigkeitsbeschwerde gemäss ausdrücklicher
Regelung in § 285 Abs. 2 zweiter Satz ZPO stets zulässig sei, wenn unter
anderem eine Verletzung von Art. 4 BV geltend gemacht werde; eine solche
Rüge sei jedoch mit der Nichtigkeitsbeschwerde erhoben worden.
   § 285 ZPO hat folgenden Wortlaut:

    "Gegen Entscheide, die der Berufung, dem Rekurs, der Einsprache
   an das erkennende Gericht oder dem Weiterzug an das Bundesgericht
   unterliegen, ist die Nichtigkeitsbeschwerde nur zulässig, wenn der

    Beschwerdeführer nachweist, dass er ohne Verschulden vom
Nichtigkeitsgrund
   erst Kenntnis erhalten hat, als die genannten Rechtsmittel nicht mehr
   ergriffen werden konnten.

    Der Weiterzug an das Bundesgericht im Sinne von Abs. 1 gilt als
   gegeben, wenn das Bundesgericht frei überprüfen kann, ob der geltend
   gemachte Mangel vorliege. Die Nichtigkeitsbeschwerde ist stets zulässig,
   wenn eine Verletzung von Art. 4 oder 58 der Bundesverfassung geltend
   gemacht wird.

    Ist das Kassationsgericht auf eine Nichtigkeitsbeschwerde nicht
   eingetreten, weil es das Bundesgericht für die geltend gemachte Rüge
   als zuständig erachtete, und hat sich nachher das Bundesgericht als
   unzuständig erklärt, so kann der Beschwerdeführer innert zehn Tagen
   seit der

    Mitteilung des bundesgerichtlichen Entscheids mit schriftlicher Eingabe
   beim Kassationsgericht verlangen, dass es die Beschwerde behandle."

    Nach dieser Bestimmung hat die zürcherische Nichtigkeitsbeschwerde
bloss subsidiären Charakter: Sie ist nur zulässig wenn der behauptete
Mangel nicht mit einem ordentlichen Rechtsmittel gerügt werden kann. Was
den Weiterzug eines Entscheids an das Bundesgericht betrifft, ist die
kantonale Nichtigkeitsbeschwerde somit ausgeschlossen, soweit die Berufung
oder die Nichtigkeitsbeschwerde an das Bundesgericht zur Verfügung
steht (STRÄULI/MESSMER, N. 1 und 6 zu § 285 ZPO). Dieser Grundsatz
wollte offensichtlich auch durch den vom Beschwerdeführer angerufenen
zweiten Satz von § 285 Abs. 2 ZPO nicht durchbrochen werden. Die dort
vorbehaltene Geltendmachung einer Verletzung von Art. 4 oder 58 BV betrifft
lediglich das Verhältnis zwischen der kantonalen Nichtigkeitsbeschwerde
und der staatsrechtlichen Beschwerde. Der Grund für die Aufnahme dieser
Sonderregelung besteht darin, dass es im Anwendungsbereich der beiden
erwähnten Verfassungsbestimmungen mitunter nicht einfach ist festzustellen,
ob das Bundesgericht die in Frage stehende Verletzung auf staatsrechtliche
Beschwerde hin frei oder nur mit beschränkter Kognition prüfen werde. Wegen
der damit verbundenen Unsicherheit sollte die Zulässigkeit der kantonalen
Nichtigkeitsbeschwerde nicht davon abhängig gemacht werden, ob dem
Bundesgericht bei der Beurteilung einer staatsrechtlichen Beschwerde
hinsichtlich des geltend gemachten Mangels eine umfassende Prüfungsbefugnis
zusteht (vgl. STRÄULI/MESSMER, N. 21/22 zu § 285 ZPO). Dieser Grund für
die erleichterte Zulassung der kantonalen Nichtigkeitsbeschwerde entfällt
jedoch, wenn der behauptete Mangel durch Berufung an das Bundesgericht
gerügt werden kann. In diesem Fall ist kein Zweifel daran möglich, dass
dem Bundesgericht die Befugnis zu freier Prüfung zusteht.

    Wenn das Kassationsgericht im angefochtenen Entscheid voraussetzte,
dass § 285 Abs. 2 ZPO im soeben dargelegten Sinne zu verstehen sei,
verfiel es keinesfalls in Willkür. Der Vorwurf des Beschwerdeführers ist
daher unbegründet. Es kann sich einzig fragen, ob das Kassationsgericht
ohne Willkür habe davon ausgehen dürfen, dass das Bundesgericht als
Berufungsinstanz frei werde prüfen können, ob die vom Beschwerdeführer
gerügten Mängel vorliegen.