Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 104 IA 191



104 Ia 191

33. Auszug aus dem Urteil vom 22. November 1978 i.S. A. gegen Kanton
M. und Steuerrekurskommission des Kantons M. Regeste

    Art. 4 BV. Steuerrechtlich zulässige Abzüge vom Einkommen.

    Willkür der kantonalen Behörden verneint, die es ablehnten,
Prozesskosten, die der Zurückführung eines Wertes in das Vermögen des
Steuerpflichtigen dienten, unter dem Titel von für die Verwaltung des
Vermögens notwendigen Auslagen oder unter demjenigen der für die Erzielung
des steuerbaren Einkommens notwendigen Aufwendungen als abzugsfähig
anzuerkennen.

Sachverhalt

    A.- Beim Verkauf der Grundstücke von A. in Z. wurden 80% des
Kaufpreises, d.h. Fr. 648'000.-, in der Form von zwei zu 4% verzinslichen
Schuldbriefen entrichtet. Es wurde vereinbart, dass die Verzinsung
eingestellt werden könne, wenn die Parzellen nach Ablauf von zwei Jahren
nicht erschlossen und überbaubar seien. Auf ein Kündigungsrecht verzichtete
A. Zwei Jahre nach dem Verkauf stellte der Käufer die Verzinsung der
Schuldbriefe ein, da eine Überbauung der fraglichen Grundstücke noch nicht
möglich war. A. focht hierauf den Kaufvertrag wegen Sittenwidrigkeit
an, drang aber mit seiner Klage nicht durch. Immerhin wies die zweite
Instanz darauf hin, dass einer erneuten Klage auf Änderung oder Aufhebung
des Kaufvertrages nach Ablauf einer angemessenen Frist nichts im Wege
stünde. In der Folge verständigte sich A. mit dem Käufer in dem Sinne,
dass A. das Land zurückkaufte.

    In seiner Steuererklärung für die Jahre 1975/6 zog A. den in den
Jahren 1973 und 1974 bezahlten Teil seiner im Zusammenhang mit dem
erwähnten Grundstückgeschäft aufgelaufenen, sehr erheblichen Gerichts- und
Anwaltskosten vom steuerbaren Einkommen ab. Darüber entstand ein Streit,
der bis vor die Steuerrekurskommission getragen wurde. Diese verwehrt
A. den Abzug und zwar nicht nur in der geltend gemachten Höhe, sondern
als solcher überhaupt. Sie vertrat die Ansicht, die betreffenden Kosten
hätten weder der Vermögensverwaltung noch der Erzielung von Einkommen
gedient. Gegen den Entscheid der kantonalen Steuerrekurskommission
führt A. staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV. Das
Bundesgericht weist sie ab aus folgenden

Auszug aus den Erwägungen:

                          Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Die Steuerrekurskommission hat einleitend untersucht, wie hoch
die Kosten seien, die dem Beschwerdeführer in den hier massgebenden
Bemessungsjahren 1973/74 im Zusammenhang mit der Prozessführung über
den Grundstückverkauf in Z. erwachsen sind. Sie gelangte zum Schlusse,
es handle sich dabei um einen Betrag von Fr. 3300.-. Demgegenüber
macht der Beschwerdeführer geltend, er habe in den fraglichen beiden
Jahren Fr. 13'300.- an Anwaltskosten bezahlt. Indessen unterlässt er es,
darzulegen, weshalb die Feststellung der Steuerrekurskommission geradezu
willkürlich sei, so dass auf diesen Punkt nicht eingetreten werden kann. Er
ist im übrigen bedeutungslos, falls sich ergeben sollte, dass der Abzug
von Prozesskosten überhaupt ohne Willkür verweigert werden durfte.

Erwägung 3

    3.- a) Das einschlägige Steuergesetz sieht keine ausdrückliche Regelung
der Frage vor, unter welchen Umständen Privatpersonen berechtigt sind,
Prozesskosten vom steuerpflichtigen Einkommen in Abzug zu bringen. Auch
im Wehrsteuerbeschluss und in den Steuergesetzen anderer schweizerischer
Kantone ist hierüber nichts zu finden. Es müssen somit die allgemeinen
Regeln über die zulässigen Abzüge wegleitend sein. Allenfalls in Betracht
fallen könnten solche Kosten nach kantonalem Recht unter dem Titel von für
die Verwaltung des Vermögens notwendigen Auslagen oder unter demjenigen
der für die Erzielung des steuerbaren Einkommens notwendigen Aufwendungen.

    b) In Literatur und Rechtsprechung finden sich nur wenige Anhaltspunkte
für die steuerliche Behandlung von Prozesskosten. So erwähnt KÄNZIG
in seinen Kommentar zur Eidg. Wehrsteuer, zu den ausserordentlichen
Gewinnungskosten seien die Gerichts- und Anwaltskosten zu rechnen,
die mit der Sicherung oder Einforderung von Zinsen und Gewinnanteilen
in Zusammenhang stünden; auch die Aufwendungen, die der Sicherung oder
Einforderung von Guthaben und Beteiligungen und damit mittelbar der
Einkommenserzielung dienten, würden im Bundesrecht regelmässig zum Abzug
zugelassen (N. 52 zu Art. 22 WStB). Im zürcherischen Steuerrecht gehören
Gerichts- und Anwaltskosten grundsätzlich zu den nicht abzugsberechtigten
Kosten der Lebenshaltung. Nur ausnahmsweise werden sie zu den Kosten
der Vermögensverwaltung gerechnet, z.B. dann, wenn sie für einen
Hauseigentümer notwendig sind, um die Einnahmen aus Mietzinsen zu sichern
(so Kommentar REIMANN/ZUPPINGER/SCHÄRRER, Bd. II, N. 27, 53, 60 und 73 zu
§ 25 des zürcherischen Steuergesetzes). GRÜNINGER/STUDER führen in ihrem
Kommentar zum Basler Steuergesetz aus, Anwaltskosten, um einen Kaufpreis
erhältlich zu machen, seien nicht Gewinnungs-, sondern Veräusserungskosten
(S. 253). GYGAX (Die Gewinnungskosten im schweizerischen Steuerrecht
Diss. Bern, S. 163) unterscheidet zwischen Prozesskosten, die der Sicherung
und Erhaltung einer Einkommensquelle dienten, und anderen Prozesskosten;
denselben Standpunkt vertritt PETER MEYER (Die steuerfreien Abzüge vom
Erwerbseinkommen unselbständig Erwerbender, Diss. Zürich, S. 188). Das
Bundesgericht hat in einem unveröffentlichten Urteil vom 21. März 1951
entschieden, es sei nicht willkürlich, die Kosten des Rechtsstreites
eines entlassenen Beamten um seine Pensionsansprüche nicht als
abzugsberechtigte Gewinnungskosten zu betrachten. Schliesslich hat auch
das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich in einem mit dem vorliegenden
vergleichbaren Fall Anwaltskosten, die im Zusammenhang mit Verhandlungen
über die Wandelung eines Grundstück-Kaufvertrages oder die Herabsetzung
des Kaufpreises entstanden waren, nicht zum Abzug zugelassen (ZBl 66/1965,
S. 307 f.).

    c) Geht man von der dargestellten Lehre und Rechtsprechung aus,
so kann der angefochtene Entscheid der Steuerrekurskommission nicht
als unhaltbar betrachtet werden. Mit dem Erwerbseinkommen, das der
Beschwerdeführer im wesentlichen als Bankangestellter erzielt, stehen
die fraglichen Gerichts- und Anwaltskosten in keinem Zusammenhang. Auch
ging es nicht um die Sicherung des - übrigens ganz geringfügigen -
Nebeneinkommens aus landwirtschaftlicher Erwerbstätigkeit, stand doch das
veräusserte Land auf Grund einer besonderen Klausel des Kaufvertrages dem
Beschwerdeführer auch nach dem Verkauf bis zu einer allfälligen Überbauung
zur Nutzung zur Verfügung. Schliesslich dienten der mit dem Ziel der
Aufhebung des Kaufvertrages angehobene Prozess und die anschliessenden
Verhandlungen auch nicht der Sicherung eines Zinseinkommens; denn der
Kapitalertrag auf dem gestundeten Teil des Kaufpreises war seit dem 1.
Januar 1973 gleich Null, und auch nach der Rückgängigmachung des
Vertrages erzielt der Beschwerdeführer aus den vorläufig unüberbauten
Grundstücken keine wesentliche Rendite. Dass das vom Beschwerdeführer
ohne Beizug eines Anwaltes erst vor Obergericht gestellte und von
diesem Gericht als verspätet nicht mehr behandelte Eventualbegehren auf
Verpflichtung der Käufer zur weiteren Verzinsung der Schuldbriefe im
Steuer-Beschwerdeverfahren hätte berücksichtigt werden müssen, macht der
Beschwerdeführer mit Recht selbst nicht geltend.

    Auch die Anerkennung der Prozess- und Anwaltskosten als Kosten der
Vermögensverwaltung durfte die Steuerrekurskommission mit Grund verweigern.
Wohl mag es zutreffen, dass der Prozess und die anschliessenden
Vergleichsverhandlungen der Erhaltung der Vermögenssubstanz des
Beschwerdeführers dienten; doch wird der Begriff der Vermögensverwaltung,
wie dargelegt, allgemein nicht derart weit ausgelegt, dass derartige
Aufwendungen darunter fielen. Wollte man sich der Argumentation des
Beschwerdeführers anschliessen, so müsste praktisch jeder Rechtsstreit
um finanzielle Ansprüche als Akt der Vermögensverwaltung betrachtet
werden und wären die damit verbundenen Aufwendungen als abzugsberechtigt
anzuerkennen. Wenn die Steuerrekurskommission es ablehnt, diesen Weg zu
beschreiten, so hält sie sich im Rahmen bewährter Lehre und Praxis. Ihr
Entscheid entgeht damit der Willkürrüge.