Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 103 V 71



103 V 71

19. Auszug aus dem Urteil vom 28. Juni 1977 i.S. Pannuti gegen
Schweizerische Krankenkasse für das Bau- und Holzgewerbe und verwandte
Berufe (SKBH) und Versicherungsgericht des Kantons Zürich Regeste

    Art. 5bis Abs. 4 KUVG und Art. 12 Vo II.

    - Grenzgänger, die aus der Kollektivversicherung der Krankenkasse
ausscheiden müssen, können auch dann in deren Einzelversicherung
übertreten, wenn die Grenzgängerbewilligung abläuft und krankheitshalber
nicht erneuert wird.

    - Die Krankenkasse kann die Verpflichtung zur Aufklärung
der Kollektivversicherten über ihr Recht zum Übertritt in die
Einzelversicherung dem Arbeitgeber überbinden, bleibt aber für deren
Erfüllung verantwortlich.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- Vorinstanz und SKBH gehen stillschweigend davon aus, Domenico
Pannuti sei auf Ende 1975 aus der bisherigen Arbeitgeberfirma und damit
gleichzeitig auch aus der Kollektivversicherung ausgeschieden. Diese
Annahme widerspricht den Akten nicht und kann deshalb als zutreffend
angesehen werden, bestätigte doch die Firma am 14. Februar 1977,
dass sie für den Versicherten wegen dessen Gesundheitszustands für
das Jahr 1976 keine Zusicherung (für eine Grenzgängerbewilligung)
eingeholt habe. Indessen darf aus den nachstehend darzulegenden Gründen
nicht angenommen werden, das Ausscheiden aus der Versicherung sei
notwendigerweise eine Folge des Ablaufs der Grenzgängerbewilligung.

Erwägung 4

    4.- a) Nach Art. 14 Abs. 1 lit. b der allgemeinen
Versicherungsbedingungen für die kollektive Krankenversicherung der
SKBH erlischt der Versicherungsanspruch "durch Aufgabe der Tätigkeit
im kollektivversicherten Betrieb, mit Ausnahme von Art. 15". Dieser
Vorbehalt entspricht der Ordnung, Welche Art. 5bis Abs. 4 KUVG und
Art. 10 ff. Verordnung II vorsehen. Danach besitzt der Versicherte,
der aus der Kollektivversicherung ausscheidet, grundsätzlich das Recht,
in die Einzelversicherung der Kasse überzutreten. Auch der Grenzgänger ist
dazu berechtigt (EVGE 1968 S. 8 f.). Die Kasse ist ihrerseits gehalten, ihn
über dieses Recht in schriftlicher Form aufzuklären (BGE 100 V 135). Zwar
überträgt Art. 15 Abs. 2 der erwähnten allgemeinen Versicherungsbedingungen
die Aufklärungspflicht dem Arbeitgeber, was an sich zulässig ist;
die Kasse wird dadurch aber nicht von ihrer Verantwortung für die
Erfüllung dieser Obliegenheit entbunden (Beschluss des Gesamtgerichts
vom 30. Juni 1975). Kann der Versicherte sein Recht auf Übertritt infolge
eines Verschuldens der Kasse nicht geltend machen, so ist er rückwirkend
auf den Zeitpunkt des Ausscheidens aus der Kollektivversicherung in die
Einzelversicherung aufzunehmen (Art. 11 Abs. 2 Verordnung II). Ein solches
Verschulden kann etwa darin begründet sein, dass die Kasse bzw. der von
ihr beauftragte Arbeitgeber der Aufklärungspflicht nicht nachgekommen ist
(vgl. dazu BGE 100 V 135).

    b) Im vorliegenden Fall halten Vorinstanz und SKBH dafür, dass mit dem
Ablauf der Grenzgängerbewilligung Ende Dezember 1975 eine Verpflichtung
zu weiteren Versicherungsleistungen an den Beschwerdeführer nicht
bestehe. Dieser Auffassung kann indessen nicht beigepflichtet werden, da
sie im Einzelfall zu stossenden Rechtsungleichheiten führen und vor allem
auch den Grundsatz der Gegenseitigkeit verletzen würde. Je nachdem, ob
ein Versicherter schon bald nach der Erteilung der in der Regel längstens
auf ein Jahr befristeten Grenzgängerbewilligung oder erst kurz vor deren
Ablauf erkrankt, könnte er die Versicherungsleistungen während längerer
oder nur noch für eine relativ kurze Zeit beanspruchen. Bei geringfügigen
Fällen würde die Krankenkasse ihre Leistungen in vollem Umfang erbringen,
bei langdauernden Erkrankungen aber gegebenenfalls nur teilweise, und
zwar lediglich bis zum Ablauf der Grenzgängerbewilligung und nicht, wie
dies das Gesetz beispielsweise für die Krankengeldversicherung vorsieht
(Art. 12bis Abs. 3 KUVG), während wenigstens 720 Tagen innerhalb von 900
aufeinanderfolgenden Tagen.

    Es ist deshalb der vom Bundesamt für Sozialversicherung in seiner
Vernehmlassung geäusserten Ansicht zuzustimmen und der Grenzgänger
hinsichtlich seiner Ansprüche gegenüber der Krankenkasse gleich
zu behandeln wie jeder andere Versicherte, der sich in derselben
gesundheitlichen und versicherungsrechtlichen Lage befindet. Dies gilt
allerdings nur, solange er in der benachbarten Grenzzone wohnt und dort
den von der Krankenkasse für notwendig erachteten medizinischen und
administrativen Kontrollen zugänglich bleibt. Dass er keinen Wohnsitz
in der Schweiz besitzt, ist dagegen unerheblich. Wenn er, obwohl er
täglich einen Teil der Zeit im Ausland verbringen muss, bezüglich
der Beitragspflicht gleich behandelt wird wie ein Versicherter mit
schweizerischem Wohnsitz, so sind ihm auch dieselben Leistungen zu
gewähren. Die Kasse darf ihm im Krankheitsfall nicht entgegenhalten,
er wohne ausserhalb ihres Tätigkeitsgebietes, nachdem sie zuvor die
Beiträge ohne Rücksicht auf seine Stellung als Grenzgänger festsetzte und
erhob. Allerdings darf sie ihre Leistungen von dem Zeitpunkt an einstellen,
da der Versicherte seinen Wohnsitz von der benachbarten Grenzzone endgültig
in eine andere ausländische Gegend verlegt. Das Eidg. Versicherungsgericht
verweist in diesem Zusammenhang auf EVGE 1968 S. 8 f.

    c) Aus diesen Ausführungen erhellt, dass der Grenzgänger, der aus der
Kollektivversicherung ausscheidet, auch dann in die Einzelversicherung
übertreten und darin verbleiben kann, wenn die Grenzgängerbewilligung
abgelaufen ist.