Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 103 V 173



103 V 173

38. Auszug aus dem Urteil vom 15. Dezember 1977 i.S. Krankenkasse des
Personals des Bundes und der Schweizerischen Transportanstalten (KPT)
gegen Guler und Versicherungsgericht des Kantons Zürich Regeste

    Art. 1 der Verfügung 8 des Eidgenössischen Departementes des Innern
über die Krankenversicherung. Nur die Psychotherapie nach eindeutig
analytisch-tiefenpsychologischer Methode ist nicht Pflichtleistung. Die
eklektische Methode fällt nicht darunter.

Auszug aus den Erwägungen:

       Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Gemäss Art. 1 der Verfügung 8 über die Krankenversicherung gehört
die Psychotherapie, mit Ausnahme der analytisch-tiefenpsychologisch
orientierten Methoden, zu den Pflichtleistungen der Krankenkasse. Als
Ausnahme von der kassenpflichtigen Psychotherapie darf der Begriff der
analytisch-tiefenpsychologisch orientierten Methode nicht extensiv
interpretiert werden. Der Vorinstanz ist darin beizupflichten, dass
eine Kasse nur dann nicht leistungspflichtig ist, wenn eindeutig eine
analytisch-tiefenpsychologische Methode zur Anwendung gelangt. Die
Rechtsprechung hat ferner erkannt, dass nicht die Dauer der Behandlung,
sondern deren Charakter dafür massgebend ist, ob die Psychotherapie im
konkreten Fall eine Pflichtleistung darstelle (RSKV 1975 S. 56).

    Entscheidend ist also die Methode. KIERNAN, Psychotherapie, S. 85/86,
unterscheidet nach der Methode drei Kategorien von Psychotherapie: die
psychoanalytische Therapie, die eklektische Therapie und die ausgesprochen
nicht-analytische Therapie. Die analytische Therapie teilt er auf in die
orthodoxe Freudsche Analyse und die von dieser abgewandelten Analysen,
die sich alle mehr oder weniger von der Freudschen Theorie unterscheiden,
aber an den von Freud erarbeiteten allgemeinen psychoanalytischen Techniken
festhalten. Die eklektische Methode umschreibt KIERNAN als Methode, die
sowohl von der Freudschen als auch von der abgewandelten analytischen
Theorie und Technik einige Elemente übernommen hat. Relativ wenige
Therapeuten, die heute als ihre wichtigste Technik die Psychoanalyse
anwenden, halten sich nach KIERNAN ausschliesslich an den orthodoxen
Freudianismus oder auch nur an dessen Abwandlungen, sondern "fast
jeder ausgebildete Analytiker braut sich aus Theorien und Techniken
des Freudschen und der von Freud abgeleiteten Modelle seine eigene
Mixtur zusammen" (S. 86). Die eklektischen Methoden enthalten also neben
analytischen ganz klar nicht-analytische Elemente und können daher nicht
eindeutig den analytisch-tiefenpsychologischen Methoden zugeordnet Werden.

    Sie fallen daher nicht unter die Ausnahmebestimmung der Verfügung
8. Das hat zur Folge, dass die Psychotherapie, die auf eklektischen
Methoden basiert, von den Krankenkassen übernommen werden muss.

Erwägung 2

    2.- In seinem gutachtlichen Bericht, den er am 13. Februar 1976
der Vorinstanz erstattet hat, legt Prof. K. auf die Frage des kantonalen
Richters, ob der Beschwerdegegner nach einer analytisch-tiefenpsychologisch
orientierten Methode behandelt werde, dar, dass weder er selbst
noch seine Mitarbeiter einer bestimmten Schulrichtung innerhalb der
psychotherapeutischen Methode angehören würden. Daher lehne er es ab,
die in der Psychiatrischen Poliklinik angewandten Behandlungsmethoden
nach starren theoretischen Gesichtspunkten zu klassieren: "Wir verwenden
aus den verschiedenen Theorien das, was für unsere Verhältnisse, nämlich
jene einer grossen Poliklinik, die das ganze Spektrum psychischer Leiden
und Erkrankungen zu untersuchen und behandeln hat, sich als zweckmässig
erwies. Wenn man unserer theoretischen Einstellung eine Etikette
anhängen will, dann am zutreffendsten jene eines Eklektizismus. Daraus
lässt sich schliessen, dass beim Versicherten eine Mischmethode
zur Anwendung gelangt. Handelt es sich also nicht eindeutig um eine
analytisch-tiefenpsychologische Methode, so muss die Krankenkasse für die
Psychotherapie aufkommen. Übrigens soll Prof. K. gegenüber der kantonalen
Direktion des Gesundheitswesens sogar unmissverständlich erklärt haben,
dass der Beschwerdegegner nicht nach analytisch-tiefenpsychologisch
orientierten Methoden behandelt werde.