Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 103 IV 98



103 IV 98

28. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 13. Mai 1977
i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt Regeste

    Art. 305 StGB. Begünstigung ist auch dann gegeben, wenn die
Verhaftung eines von der Polizei aufgrund eines Haftbefehls Gesuchten
durch Beherbergung in der eigenen Wohnung zeitlich verzögert wird.

Sachverhalt

    In der Zeit von August bis November 1973 gewährte X. dem S. in seiner
Wohnung in B. Unterkunft, obschon er zu dieser Zeit wusste, dass der
Beherbergte von der Polizei aufgrund eines Haftbefehls gesucht wurde.

    Am 4. Februar 1976 sprach das Strafgericht Basel-Stadt X. der
Begünstigung sowie anderer strafbarer Handlungen schuldig und verurteilte
ihn zu 13 Monaten Zuchthaus und einer Busse von Fr. 250.--; es gewährte
dem Verurteilten den bedingten Strafvollzug und setzte die Probezeit auf
3 Jahre an.

    Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt bestätigte am
19. November 1976 den Schuldspruch hinsichtlich der Begünstigung. Von
den übrigen Anschuldigungen sprach es X. frei. Es verurteilte ihn zu drei
Wochen Gefängnis, getilgt durch die erstandene Untersuchungshaft.

    X. führt eidg. Nichtigkeitsbeschwerde. Er beantragt Freisprechung
von der Anschuldigung der Begünstigung, eventuell Milderung der Strafe
nach richterlichem Ermessen.

Auszug aus den Erwägungen:

            Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Der Begünstigung im Sinne von Art. 305 StGB macht sich schuldig,
wer jemanden der Strafverfolgung, dem Strafvollzug oder dem Vollzug einer
der in den Artikeln 42-44 und 100bis vorgesehenen Massnahmen entzieht.

    Wie der Kassationshof schon in BGE 69 IV 119/20 bezüglich der
Strafverfolgung erkannt und hinsichtlich des Strafvollzugs in BGE 99
IV 277 ff. bestätigt hat, setzt Begünstigung nicht voraus, dass es dem
Täter gelinge, die Strafverfolgung oder den Strafvollzug gänzlich zu
verhindern. Es genügt, wie der italienische Gesetzestext klarstellt
("sottrae una persona ad atti di procedimento penale"), dass der Täter
einen Verfolgten oder Verurteilten einer einzelnen Verfolgungs- oder
Vollzugshandlung entziehe, ohne dass es ihm gelingen muss, die Verurteilung
oder den Vollzug gänzlich zu verhindern. Das trifft auch dann zu, wenn
beispielsweise eine strafprozessuale Zwangsmassnahme wie die Verhaftung
erst später erfolgen kann, als es ohne Handlung des Begünstigenden
geschehen wäre (BGE 99 IV 278 Erw. 3).

Erwägung 2

    2.- In Anwendung der dargelegten Grundsätze qualifiziert sich
das Verhalten des Beschwerdeführers entgegen seiner Behauptung als
Begünstigung. Nach den Feststellungen der kantonalen Gerichte wusste er
seit August oder September 1973, dass S. wegen Autodiebstahls von den
Zürcher Behörden gesucht wurde und dass dieser sich am 9. November 1973
der Polizei gegenüber mit einem falschen Pass ausgewiesen hatte. Trotzdem
beherbergte er ihn in seiner Wohnung in B. Nach seiner eigenen Verhaftung
am 9. November 1973 stellte er S. durch Überlassen der Schlüssel seine
Wohnung weiterhin zur Verfügung. Damit bot er diesem weitgehend Schutz
vor einer Ergreifung durch die Polizei. Hätte er S. seine Wohnung nicht
überlassen, wäre dieser gezwungen gewesen, in einem Hotel Unterkunft zu
beziehen. Dort aber hätte er nach den Ausführungen des Strafgerichts,
auf die die Vorinstanz verweist, angesichts der polizeilichen Kontrolle
der Hotelanmeldescheine mit Bestimmtheit riskiert, angehalten zu
werden. Diese Ausdrucksweise der kantonalen Gerichte kann nichts
anderes heissen, als dass der Beschwerdeführer mit seinem Verhalten
dazu beigetragen hat, dass sein Bekannter während der genannten Zeit
der polizeilichen Fahndung entging, mithin dessen Verhaftung erst
später erfolgen konnte. In subjektiver Hinsicht stellt die Vorinstanz
verbindlich fest, der Beschwerdeführer habe eine mindestens zeitliche
Verzögerung der Ergreifung des S. bewusst in Kauf genommen. Er hat
somit eventualvorsätzlich gehandelt, was entgegen der Auffassung des
Beschwerdeführers zur Erfüllung des Tatbestandes genügt (BGE 99 IV 278
E. 4).