Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 103 IV 92



103 IV 92

26. Urteil des Kassationshofes vom 13. Mai 1977 i.S. B. gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich Regeste

    Art. 201 Abs. 2 StGB. Aktive Zuhälterei.

    Diese Bestimmung verlangt nicht, dass der Zuhälter neben der
eigennützigen Förderung der Unzucht sich auch im Sinne des Absatzes
1 ausbeuterisch unterhalten lasse. Eigennutz braucht nicht das
ausschliessliche Motiv zu sein.

Sachverhalt

    A.- B. führte während eines Jahres die Dirne C., mit der er
befreundet war und zusammenlebte, wöchentlich mindestens viermal in deren
Personenwagen von der Wohnung an den Standplatz in Zürich und zurück. Er
hielt sich jeweils in deren Nähe auf, beobachtete sie und folgte ihr,
wenn sie sich mit einem Freier in ihr Absteigezimmer begab, um ihr
nötigenfalls bei einem Zwischenfall beizustehen.

    Während der fraglichen Zeit verdiente B. als Bilderverkäufer monatlich
rund Fr. 1'200.--, zusammen mit gelegentlichen zusätzlichen Einnahmen
höchstens Fr. 2'000.--. Für den Wagen "Jaguar", der ausschliesslich
von B. gefahren wurde, bezahlte er der Freundin monatlich Fr. 300.--
und kam möglicherweise auch für den Benzinverbrauch auf, während alle
übrigen Autokosten zu Lasten der Dirne gingen. Ferner leistete er ihr an
die Monatsmiete der mitbenützten sechseinhalb Zimmer-Attikawohnung, die
sich auf Fr. 1'916.-- belief, einen Beitrag von Fr. 500.-- monatlich. An
den Abenden, an denen die Freundin der Gewerbsunzucht nachging, hielt er
sich häufig in Bars und Spielsalons auf, wo er erhebliche Geldbeträge
ausgab. Er und seine Freundin beabsichtigten, später gemeinsam ein
Café oder Restaurant zu betreiben, zu welchem Zweck sie einen Teil des
Unzuchtserlöses regelmässig auf einem Bankkonto anlegten.

    B.- In Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils verurteilte das
Obergericht des Kantons Zürich B. am 8. Februar 1977 wegen Zuhälterei
im Sinne des Art. 201 Abs. 2 StGB zu einer bedingt aufgeschobenen
Freiheitsstrafe von sieben Monaten Gefängnis mit einer Probezeit von
4 Jahren.

    C.- B. führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil
des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache zur Freisprechung an die
Vorinstanz zurückzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

            Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

    Nach Art. 201 Abs. 2 StGB macht sich der aktiven Zuhälterei schuldig,
wer einer Person, die gewerbsmässig Unzucht treibt, aus Eigennutz bei
der Ausübung ihres Gewerbes Schutz gewährt.

    a) Der Beschwerdeführer begleitete nicht nur seine Freundin an die
Orte, wo sie dem unzüchtigen Gewerbe nachging, sondern überwachte und
beobachtete sie dort in der Absicht, ihr im Falle von Schwierigkeiten
mit Kunden beizustehen und nötigenfalls einzugreifen. Er leistete ihr
diesen Beistand während eines Jahres und regelmässig. Es ist daher zu
Recht unbestritten, dass der Beschwerdeführer seiner Freundin bei der
Ausübung der Unzucht Schutz gewährte.

    b) Dagegen wird in der Beschwerde in Abrede gestellt, dass der
Beschwerdeführer aus Eigennutz gehandelt habe. Er macht unter Berufung
auf HAFTER (BT I S. 148) und STRATENWERTH (BT II S. 364 f.) geltend,
auch die aktive Zuhälterei verlange wie die passive in Absatz 1 ein
eigentliches zuhälterisches Verhalten, durch das der unsittliche Erwerb
ausgebeutet werde. Nur eine solche einschränkende Auslegung entspreche
der rechtspolitischen Zielsetzung des Gesetzgebers und rechtfertige die
Strafdrohung, die für beide Formen der Zuhälterei die gleiche ist.

    Allein diese Auffassung widerspricht dem eindeutigen Wortlaut des
Art. 201 StGB, auf den die bundesgerichtliche Rechtsprechung bisher
abstellte (BGE 79 IV 123/4). Absatz 1 verlangt für die passive Zuhälterei,
dass sich der Täter unter Ausbeutung des unsittlichen Gewerbes aus
dem Erlös der Dirne unterhalten lässt, wogegen die aktive Zuhälterei
nach Absatz 2 darin besteht, dass der Täter die gewerbsmässige Unzucht
aus Eigennutz fördert, in dem er aus diesem Beweggrund der Dirne bei
der Ausübung des Gewerbes Schutz gewährt. Das Gesetz macht somit einen
Unterschied zwischen der ausbeuterischen und der kupplerischen Zuhälterei
und umschreibt die beiden Tatbestände selbständig. Dabei ist unter
dem Begriff des Eigennutzes das Streben nach irgendwelchem materiellen
Vorteil zu verstehen, der nicht notwendig in einer direkten Beteiligung
am Dirnenlohn bestehen muss (BGE 79 IV 124 E. 2).

    Wäre Art. 201 Abs. 2 nur beim Nachweis anwendbar, dass der
Täter die gewerbsmässige Unzucht der Dirne tatsächlich ausbeutet,
so ginge der Tatbestand der aktiven Zuhälterei praktisch in jenem
der passiven Zuhälterei auf. Absatz 2 hätte daher nicht mehr einen
selbständigen Sinn. Im vorliegenden Fall braucht indessen die Frage
einer einschränkenden Auslegung des Absatzes 2 nicht weiter geprüft zu
werden. Der Beschwerdeführer hat nämlich den Tatbestand dieses Absatzes
auch dann erfüllt, wenn angenommen wird, auch diese Bestimmung erfordere
ein ausbeuterisches Verhalten.

    c) Die materiellen Vorteile, die der Beschwerdeführer aus den
Zuwendungen seiner Freundin erhielt, in Verbindung mit der Aussicht,
aus den zum Kauf eines Geschäfts angelegten Ersparnissen der Dirne später
selbst Nutzen zu ziehen, beweisen nicht nur, dass der Beschwerdeführer ihr
aus Eigennutz Schutz gewährte; der Umfang und die Dauer der tatsächlichen
Unterhaltsbezüge aus dem Unzuchtserlös und die allgemeine Lebensweise
des Beschwerdeführers weisen auch die charakteristischen Züge einer
zuhälterischen Ausbeutung auf, wie sie in Absatz 1 gefordert wird. Schon
der fast ausschliesslich ihm dienende Jaguar-Wagen und die grosse Wohnung,
die dem Beschwerdeführer zur Verfügung standen und an deren Kosten er
verhältnismässig geringe Beiträge beisteuerte, erlaubten ihm während
eines Jahres einen Lebensaufwand, den er sich mit seinem bescheidenen
Einkommen niemals hätte leisten können. Mit seinen eigenen Einkünften, aus
denen er nur seinen notwendigen Lebensunterhalt hätte bestreiten können,
wäre er auch nicht in der Lage gewesen, Ersparnisse anzulegen, um sich
eine sichere Zukunft aufzubauen. Der unsittliche Erwerb der Freundin
diente ihm somit als Einkommensquelle, um nach Art eines Schmarotzers
ein angenehmeres und luxuriöseres Leben führen zu können.

    Der Umstand, dass der Beschwerdeführer seine Freundin auch aus Liebe
beschützte, entlastet ihn nicht. Die Liebesbeziehung schliesst keineswegs
aus, dass der Beschwerdeführer das unsittliche Gewerbe seiner Freundin
zugleich ausnützte, um sich Vorteile materieller Art zu verschaffen. Das
Gesetz verlangt nicht, dass der Eigennutz das ausschliessliche Motiv sei.

Entscheid:

             Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.