Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 103 IV 73



103 IV 73

20. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 6. Juni 1977 i.S. Sch.
gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich Regeste

    Art. 277ter Abs. 2 BStP, Art. 34 Ziff. 1 StGB.

    1. Durch die im Rückweisungsentscheid erteilten Weisungen wird der
Gegenstand der neuen kantonalen Entscheidung endgültig abgegrenzt; auf
ausserhalb des Rahmens der Weisungen liegende Fragen darf die kantonale
Instanz nicht zurückkommen (E. 1).

    2. Voraussetzungen eines notstandsähnlichen Widerstandes gegen eine
Amtshandlung (E. 6).

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Der Verteidiger rügt ausschliesslich eine Verletzung von
Art. 277ter Abs. 2 BStP, indem er dem Obergericht vorwirft, es habe seine
Kontrolle im Rückweisungsverfahren zu stark eingeschränkt und zu Unrecht
vom Beschwerdeführer vorgebrachte neue Argumente nicht berücksichtigt. Im
Vordergrund stehe der Einwand, der Angeklagte könne wegen Abholens und
Versteckens der Wertpapiere nicht verurteilt werden, weil ihm dies in
der Anklage nicht vorgeworfen worden sei. Dieser Einwand stütze sich
klar auf kantonales Recht, weshalb sich auch das Bundesgericht in seinem
Rückweisungsentscheid dazu nicht geäussert habe. Diesbezüglich könne
deshalb von einer Bindung des Obergerichtes im Sinne des Art. 277ter
Abs. 2 BStP nicht die Rede sein.

    Diese Argumentation übersieht, dass der wegen Abholens und Versteckens
der Wertpapiere auf betrügerischen Konkurs lautende Schuldspruch des
Obergerichts nicht aufgehoben worden ist. Die Rückweisung betraf
ausschliesslich den Vorwurf, der Beschwerdeführer habe auch durch
Auskunftsverweigerung gegenüber dem Konkursamt sich des betrügerischen
Konkurses schuldig gemacht. Nur insoweit hatte die Vorinstanz die Sache neu
zu beurteilen, d.h. den Beschwerdeführer statt nach Art. 163 nach Art. 323
Ziff. 4 StGB zu bestrafen. Auf weitere Schuldpunkte durfte sie nicht
zurückkommen und frei urteilen, wie wenn überhaupt kein Urteil gefällt
worden wäre. Durch die Weisung des Kassationshofes wurde der Gegenstand
des Rückweisungsverfahrens endgültig abgegrenzt; denn die Entscheidung des
Bundesgerichtes wird gemäss Art. 38 OG mit der Ausfällung rechtskräftig,
und an der Rechtskraft nehmen auch die Weisungen teil, die der kantonalen
Instanz erteilt werden (BGE 101 IV 105). Da der einzig namhaft gemachte
Einwand ausserhalb der vom Kassationshof erteilten Weisung lag, hatte die
Vorinstanz von Bundesrechts wegen darauf nicht einzutreten. Der Vorwurf
des Beschwerdeführers, sie habe damit 277ter BStP verletzt, ist deshalb
offensichtlich unbegründet. Das Obergericht hat übrigens im neuen Urteil
subsidiär zur kantonalrechtlichen Frage der Beachtung des Anklageprinzips
Stellung genommen.

Erwägung 6

    6.- Einzutreten ist auf die vom Beschwerdeführer persönlich
eingereichte Nichtigkeitsbeschwerde insoweit, als die Verurteilung wegen
Ungehorsams im Betreibungsverfahren angefochten wird. Dieser Schuldpunkt
ist im angefochtenen Entscheid neu beurteilt worden.

    a) Der Beschwerdeführer wurde wegen Ungehorsams im
Betreibungsverfahren gemäss Art. 323 Ziff. 2 StGB bestraft, weil er
sich in der auf Betreibung zu vollziehenden Pfändung geweigert hatte,
dem Betreibungsbeamten-Stellvertreter über seine Vermögensverhältnisse
irgendwelche Auskünfte zu geben. Der Beschwerdeführer machte vor den
kantonalen Instanzen geltend, er habe sich dabei in einem übergesetzlichen
Notstand befunden, weil der Rechtsöffnungsentscheid ungültig gewesen
sei; er könne deswegen nicht bestraft werden. Die Vorinstanz hat diesen
Einwand verworfen, weil dem Beschwerdeführer hätte zugemutet werden können,
das gefährdete Gut preiszugeben. Dieses habe einzig in Vermögensstücken
bestanden, die von der Pfändung betroffen worden wären. Eine solche
Preisgabe sei zumutbar gewesen, weil ihm die Verfügungsgewalt nur
vorübergehend, nämlich bis zur Erledigung der von ihm gegen den
Rechtsöffnungsentscheid eingereichten Nichtigkeitsbeschwerde, entzogen
worden wäre.

    b) Wie der Kassationshof in BGE 98 IV 45 entschieden hat, kann sich
die Frage eines notstandsähnlichen Widerstandes gegen eine Amtshandlung
nur stellen, wo diese rechtswidrig ist, die Rechtswidrigkeit offensichtlich
zutage tritt und von zur Verfügung stehenden Rechtsmitteln von vornherein
kein wirklicher Schutz zu erwarten ist.

    Im vorliegenden Fall steht fest, dass der Beschwerdeführer gegen den
Rechtsöffnungsentscheid des Einzelrichters im summarischen Verfahren
des Bezirksgerichtes Horgen vom 14. Juni 1976 betreibungsrechtliche
Nichtigkeitsbeschwerde erhoben und gleichzeitig um aufschiebende Wirkung
nachgesucht hatte. Auch ist erstellt, dass der Beschwerdeführer am
Tag der Pfändung, nämlich am 12. Juli 1976, noch keinen Bescheid über
das Schicksal der Nichtigkeitsbeschwerde und des Gesuchs um Gewährung
des Suspensiveffektes erhalten hatte. Erst am 14. Juli 1976 wurde ihm
die Verfügung des Präsidenten der III. Zivilkammer des Obergerichtes
des Kantons Zürich zugestellt, in der ihm verschiedene Auflagen gemacht
wurden. Geht man von diesen Feststellungen aus, so ist einzig nachgewiesen,
dass der Beschwerdeführer den Rechtsöffnungsentscheid des Einzelrichters
für nichtig angesehen hat. Dagegen wird in der Nichtigkeitsbeschwerde nicht
dargetan, inwiefern jener Entscheid auch tatsächlich nichtig und damit die
Pfändung offensichtlich rechtswidrig gewesen wäre. Auch stand im Zeitpunkt
der Widersetzlichkeit nicht fest, dass das eingelegte Rechtsmittel der
betreibungsrechtlichen Nichtigkeitsbeschwerde zum vornherein keinen Schutz
bieten würde. Freilich wäre der Beschwerdeführer bis zur Beurteilung
der Beschwerde in der Verfügung über die gepfändeten Vermögensstücke
beschränkt gewesen. Das aber war ihm - wie die Vorinstanz zutreffend annahm
- zuzumuten, hing es doch in der Folge von seinem eigenen Verhalten ab,
ob das Rechtsmittelverfahren weitergeführt werde. Der Beschwerdeführer
kann daher seine Widersetzlichkeit nicht mit der Berufung auf eine
notstandsähnliche Lage rechtfertigen.