Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 103 IV 36



103 IV 36

9. Urteil des Kassationshofes vom 4. Februar 1977 i.S. X. gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich Regeste

    Art. 251, Art. 335 Ziff. 2 StGB.

    Kann eine zur Steuerhinterziehung verwendete gefälschte Urkunde
objektiv auch anderen als steuerlichen Zwecken dienen, wie das bei einer
Quittung der Fall ist, so bleibt Art. 251 StGB anwendbar.

Sachverhalt

    A.- X. deklarierte im Zusammenhang mit der Steuererklärung 1971,
die er am 5. Juli 1973 beim Steueramt der Stadt Zürich eingereicht
hat, sein Bruttoeinkommen mit Fr. 29'150.--. Als Beweismittel legte er
ein Schreiben des Trust Y. vom 16. Januar 1971 bei, in welchem dieser
bestätigte, für im Jahre 1970 zugewiesene Liegenschaftsgeschäfte von
X. aus einer Gesamtprovision von Fr. 116'600.-- einen Anteil von 75%,
entsprechend Fr. 87'450.--, ausbezahlt erhalten zu haben, sich ferner
bereit erklärte, ihm auch im Jahre 1971 Liegenschaftsgeschäfte zuzuweisen,
es aber ablehnte, seinen Provisionsanteil auf 35% zu erhöhen. X. waren
vom Trust Y. in Wirklichkeit keine Liegenschaftsgeschäfte zugewiesen
worden; die aufgeführten Provisionen von Fr. 116'600.-- hatte er
ohne dessen Mitwirkung verdient und sie waren ihm auch uneingeschränkt
zugekommen. Dadurch wollte er bei der Steuerbehörde bewirken, dass er
ein um Fr. 87'450.-- geringeres Bruttoeinkommen deklarieren konnte, was
zur Folge gehabt hätte, dass der von X. zu versteuernde Betrag für die
Jahre 1971 und 1972 um je Fr. 22'430.90 geringer ausgefallen wäre.

    Der Einzelrichter in Strafsachen des Bezirkes Zürich verurteilte
X. am 28. Januar 1976 wegen Urkundenfälschung und versuchten Steuerbetrugs
zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von 3 Monaten und zu einer
bedingt vorzeitig löschbaren Busse von Fr. 4'000.--.

    Auf Berufung des Beschuldigten sprach das Obergericht des Kantons
Zürich diesen am 25. Mai 1976 zwar ebenfalls der Urkundenfälschung und
des versuchten Steuerbetruges schuldig, setzte jedoch die Freiheitsstrafe
auf zwei Monate Gefängnis und die Busse auf Fr. 3'000.-- herab.

    Eine von X. gegen dieses Urteil ergriffene kantonale
Kassationsbeschwerde wies das Kassationsgericht des Kantons Zürich am
25. Oktober 1976 ab.

    X. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde. Er beantragt
Freisprechung von der Anklage der Urkundenfälschung, eventuell
Schuldigerklärung wegen untauglichen Versuchs der Urkundenfälschung.

    Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich schliesst auf Abweisung
der Nichtigkeitsbeschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

            Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Der Beschwerdeführer beruft sich zur Stützung der von ihm in seiner
Eingabe vorgetragenen Rechtserörterungen auf ein bei Prof. G. eingeholtes
Rechtsgutachten vom 16. August 1976, das er vorlegt und auf dessen
Ausführungen er verweist. Dieses Gutachten hat nicht die Feststellung
des Sachverhaltes und die Beweisführung, sondern ausschliesslich Fragen
der rechtlichen Würdigung des Sachverhaltes zum Gegenstand. Es ist daher
kein unzulässiges neues Beweismittel im Sinne von Art. 273 Abs. 1 lit. b
BStP und somit beachtlich (vgl. BGE 94 II 9 mit Verweisungen).

Erwägung 2

    2.- Der Beschwerdeführer macht in erster Linie geltend, dem Schreiben
des Trust Y. vom 16. Januar 1971 fehle die Beweiseignung.

    Eine Tatsache von rechtlicher Bedeutung zu beweisen ist eine Schrift
geeignet, wenn ihr diese Beweiseignung durch Gesetz oder Verkehrsübung
zuerkannt wird (BGE 101 IV 278/279). Quittungen insbesondere besitzen, wenn
nicht schon nach Gesetz (Art. 88 OR), jedenfalls nach der Verkehrsübung
Beweiseignung, sobald sie in die Hand des Schuldners gelangt sind (BGE
101 IV 279).

    Beim fraglichen Schreiben handelt es sich, soweit darin bestätigt
wird, der Trust Y. habe vom Beschwerdeführer aus ihm zugewiesenen
Liegenschaftsgeschäften als seinen Anteil von 75% der Gesamtprovision
Zahlungen im Umfange von insgesamt Fr. 87'450.-- erhalten, sowohl dem
Inhalte wie der Form nach um eine Quittung. Als Quittung im Sinne von
Art. 88 Abs. 1 OR gilt jede vom Gläubiger unterzeichnete Bescheinigung
des Empfangs einer geschuldeten Geldzahlung (OSER, N 2 zu Art. 88
OR), gleichgültig ob diese sogleich oder erst nachträglich, für jede
einzelne Zahlung gesondert oder für mehrere oder sämtliche Zahlungen
gemeinsam oder endlich als Gesamtquittung neben bereits bestehenden
Einzelquittungen erteilt wird. Das Schreiben des Trust Y. war daher,
dem Beschwerdeführer einmal übergeben, für die darin genannten Zahlungen
beweisgeeignet. Diese Beweiseignung erstreckte sich weil die Quittung nicht
abstrakt lautete, sondern den Rechtsgrund der Zahlung ausdrücklich nannte,
auch auf diesen. Hatte der Beschwerdeführer aus den Gesamtprovisionen
von Fr. 116'600.-- zur Tilgung seiner Verpflichtung aus den ihm vom
Trust zugewiesenen Liegenschaftsgeschäften Fr. 87'450.-- an diesen
abgeführt, so konnten ihm von diesen Provisionen lediglich Fr. 29'150.--
verbleiben, wie das aufgrund der Aufschlüsselung der Provisionsanteile
aus dem fraglichen Schreiben ersichtlich war. Der Schein, dass der Trust
Y. dem Beschwerdeführer Liegenschaftsgeschäfte zugehalten, für diese eine
Provisionsaufteilung von 75% und 25% verabredet und aus dieser Vereinbarung
die vom Beschwerdeführer durch Zahlung getilgte Schuldverpflichtung
entstanden war, wurde durch die Beifügung zur erteilten Quittung wesentlich
verstärkt, der Trust sei gerne bereit, dem Beschwerdeführer auch im
Jahre 1971 Liegenschaftsgeschäfte zuzuweisen, müsse aber das Ansuchen,
seinen Provisionsanteil auf 35% zu erhöhen, leider ablehnen.

Erwägung 3

    3.- Die weitere Rüge des Beschwerdeführers, es liege bloss ein
untauglicher Versuch der Urkundenfälschung vor, welche auf der Annahme
fehlender Beweiseignung des Schreibens des Trust Y. vom 16. Januar
1971 gründet, erweist sich nach dem vorstehend Ausgeführten als nicht
stichhaltig. Soweit der Beschwerdeführer ferner in Zweifel zu ziehen
versucht, dass die subjektiven Tatbestandsmerkmale einer Urkundenfälschung
gegeben seien, geschieht das grundlos. Die Vorinstanz ist von einem
rechtlich zutreffenden Begriff des Vorsatzes gemäss Art. 251 Ziff. 1 StGB
(vgl. BGE 101 IV 58 E. 3 mit Verweisen) ausgegangen und hat dessen einzelne
Elemente als nachgewiesen betrachtet. Weil sie den innern Sachverhalt und
damit tatsächliche Verhältnisse betreffen, sind diese Feststellungen für
den Kassationshof verbindlich (Art. 277bis Abs. 1 BStP).

Erwägung 4

    4.- Der Beschwerdeführer macht ferner geltend, sein Verhalten sei
ausschliesslich auf die Anschuldigung des versuchten Steuerbetrugs
zu beschränken, und nicht auch auf diejenige der Urkundenfälschung
auszudehnen.

    Die vom Beschwerdeführer aufgeworfene Frage der Anwendbarkeit
von Art. 251 StGB beurteilt sich im Verhältnis zum kantonalen
Steuerstrafrecht (Art. 335 Ziff. 2 StGB). Was diese Bestimmung anbelangt,
hat der Kassationshof gefolgert, dass das kantonale Steuerstrafrecht als
Sonderrecht dem gemeinen Strafrecht vorgeht und für dessen Anwendung keinen
Raum lässt, sofern die Tat ausschliesslich begangen wurde, um kantonale
Steuervorschriften zu umgehen (BGE 101 IV 57 E. 1b mit Verweisungen). Es
wurde jedoch hervorgehoben, dass dort, wo der Schrift von Gesetzes wegen
oder ihrer Natur nach eine besondere Beweisbestimmung zukommt, wie das
beispielsweise bei der privaten Buchhaltung der Fall ist, diese objektive
Bestimmung der Urkunde (BGE 79 IV 163) massgebend ist und nicht das Motiv
des Täters.

    Es steht fest, dass das Schreiben vom 16. Januar 1971 nach der
Auffassung des Beschwerdeführers in erster Linie für die Steuerbehörde
bestimmt war. Die Vorinstanz zieht indes die Aussage des Zeugen
F. heran und stellt diesbezüglich fest, die genannte Bestätigung des
Trust Y. habe der Beschwerdeführer als Beleg für dessen Buchhaltung
verlangt; der Beschuldigte führe zwar keine Buchhaltung im üblichen
Sinne, sondern schreibe sich das Nötigste einfach auf Zetteln auf.
Dieser Umstand vermag aber nichts daran zu ändern, dass die Bestätigung
objektiv, ihrer Natur nach, nicht ausschliesslich ein Steuerbeleg war,
sondern auch der besonderen Art der Buchhaltung des Beschwerdeführers als
Quittung dienen konnte und im übrigen als solche nach der Verkehrsübung
allgemein zum Beweis geeignet war. Der Inhalt der Bestätigung enthält
auch keinen Hinweis darauf, dass die Provisionsangelegenheit nur für die
Steuerbehörde bestimmt sei. Als Quittung konnte die Bescheinigung auch
dafür geeignet sein, in anderen als steuerlichen Belangen verwendet zu
werden, um die darin behaupteten geschäftlichen Beziehungen zwischen
dem Beschwerdeführer und dem Trust darzutun. Unter diesen Umständen
handelt es sich bei der Bestätigung vom 16. Januar 1971 nicht um eine
Urkunde, deren Fälschung und Gebrauch zur Täuschung ausschliesslich nach
kantonalem Steuerstrafrecht zu ahnden wäre. Vielmehr ist Art. 251 StGB
anwendbar. Insoweit hat demnach die Vorinstanz Bundesrecht nicht verletzt.

Erwägung 5

    5.- Die Rüge, es liege ein besonders leichter Fall einer
Urkundenfälschung gemäss Art. 251 Ziff. 3 StGB vor, ist nicht
begründet. Bei der Abgrenzung der privilegierten von den einfachen Fällen
ist ein strenger Massstab anzulegen, Art. 251 Ziff. 3 StGB also nicht
leichthin anzuwenden (BGE 71 IV 216 E. 2). Um besonders leicht zu sein,
hätte das inkriminierte Verhalten des Beschwerdeführers in objektiver
wie in subjektiver Hinsicht Bagatellcharakter aufweisen müssen. Das ist
jedoch nicht der Fall, zumal der Beschwerdeführer mit Hilfe des fraglichen
Schreibens der Steuerpflicht im Umfange von jährlich mehr als Fr. 20'000.--
zu entgehen versuchte.

Entscheid:

             Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird abgewiesen.