Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 103 IV 27



103 IV 27

8. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 4. Februar 1977 i.S.
Ineichen und Konsorten gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern Regeste

    Art. 110 Ziff. 5, Art. 148, Art. 246, Art. 251 StGB, Art. 14 und
Art. 15 VStrR.

    1. Die Meldungen der Metzger über die Zahl der durchgeführten
Schlachtungen sind nicht dazu bestimmt und geeignet, die Wahrheit der
Angaben zu beweisen (E. 2).

    2. Das Einfuhrkontingent der Metzger stellt einen Vermögenswert
dar. Die Erschleichung eines zu hohen Kontingents fällt analog zum
sog. Prozessbetrug nicht unter Art. 148 StGB (E. 5b und c).

    3. Wer mit einem falschen Stempel ein privates Beweiszeichen des
Auslandes errichtet, begeht eine Urkundenfälschung im Sinne des Art. 251
Ziff. 1 StGB. Dem Umstand, dass die Strafbarkeit und die Strafdrohungen
des 10. und 11. Titels nicht aufeinander abgestimmt sind, ist bei der
Strafzumessung Rechnung zu tragen (E. 9b).

    4. Formlosen schriftlichen Auskünften und Bescheinigungen von
Privatpersonen kommt, wenn nicht besondere Gründe vorliegen, keine erhöhte
Beweiskraft im Sinne des Urkundenbegriffs zu (E. 10).

    5. Der Stempelabdruck des Exportstempels, der vom Eidgenössischen
Veterinäramt an die zum Fleischexport nach England berechtigten
Schlachthöfe abgegeben wird, ist ein amtliches Zeichen des Inlandes
(Art. 246 StGB), das auch die Eigenschaft eines Beweiszeichens im Sinne
des Art. 110 Ziff. 5 StGB aufweist. Wird durch missbräuchliche Verwendung
eines echten Beweiszeichens eine Falschbeurkundung begangen, so finden die
Bestimmungen über Urkundenfälschung Anwendung. Das Verbot der reformatio
in peius gilt auch für die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde (E. 13).

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Eine Falschbeurkundung nach Art. 251 StGB ist nur strafbar,
wenn die unwahre Äusserung bestimmt und geeignet ist, die Wahrheit der
Äusserung zu beweisen (BGE 101 IV 278).

    Zufolge der mengenmässigen Beschränkung der Einfuhr von Fleisch
und Schlachtvieh werden die Kontingente der Einfuhrberechtigten
nach dem Umsatz, bei Metzgereibetrieben in erster Linie aufgrund der
Schlachtzahlen der Vorjahre zugeteilt (Art. 10 der Schlachtviehordnung vom
30. Dezember 1953, AS 1953, 1172 ff.). Die Erhebungen der Genossenschaft
für Schlachtvieh- und Fleischversorgung über die Schlachtungen inländischer
Tiere bilden somit eine wichtige Grundlage für die Berechnung der Höhe
der Einfuhrkontingente. Die Gesuchsteller sind deshalb an der Meldung
möglichst hoher Schlachtzahlen interessiert. Diese Interessenlage ist nicht
dazu angetan, den Angaben der Gesuchsteller im Meldeformular besonderen
Glauben entgegenzubringen. Ihre Lage gleicht eher jener einer Partei
im Prozess als derjenigen eines Zeugen, Gutachters oder unbefangenen
Dritten. Auch die im Formular vorgedruckte Versicherung, wahre Angaben
gemacht zu haben, ist eher als Ermahnung zu verstehen, die Meldung
wahrheitsgetreu zu erstatten; sie vermag aber die Interessenkollision
nicht zu beseitigen. Dass sich ihrer auch die Verwaltung bewusst war,
ergibt sich daraus, dass sie zusätzlich eine Bescheinigung der Angaben
durch den zuständigen Fleischschauer verlangte. Es ginge unter diesen
Umständen zu weit, den Gesuchsteller, der unrichtige Zahlen meldet,
der Strafandrohung eines Urkundenfälschers im engern Sinne zu unterstellen.

    Soweit Ineichen und Bucher wegen Meldung falscher Schlachtzahlen der
fortgesetzten Falschbeurkundung gemäss Art. 251 StGB bzw. Art. 15 VStrR
verurteilt wurden, ist daher die Beschwerde gutzuheissen.

Erwägung 5

    5.- Hinsichtlich der Verurteilung Ineichens und Buchers
wegen Leistungsbetruges nach Art. 14 Abs. 1 VStrR bestreiten die
Beschwerdeführer, im Sinne von Art. 148 StGB arglistig gehandelt und
einen Vermögensschaden herbeigeführt zu haben.
   a) ...

    b) Das Einfuhrkontingent stellt, wie die kantonalen Gerichte
zutreffend angenommen haben, einen Vermögenswert dar. Die Rechtsprechung
fasst den Vermögensbegriff weit und schliesst auch hinreichend gesicherte
Anwartschaften ein (vgl. BGE 83 IV 75 ff., ZStR 78, 340). Dies gilt erst
recht für die durch die Gesetzgebung gefestigte Aussicht auf die Zuteilung
eines Kontingents an zuteilungsberechtigte Metzger. Demnach bedeutet die
Erschleichung eines zu hohen Kontingents eine unrechtmässige Bereicherung
und die dadurch erreichte Verkürzung der Anteile der Konkurrenten eine
entsprechende Schädigung. Dass Kontingente nicht nur volkswirtschaftliche
Werte, sondern auch private Vermögenswerte verkörpern, ergibt sich aus
der allgemeinen Lebenserfahrung (vgl. auch BGE 88 I 280) und wird auch in
der Beschwerde indirekt zugegeben. Die Vorinstanz ist allerdings bei der
Bewertung des Kontingents insoweit von unzutreffenden Voraussetzungen
ausgegangen, als das Kontingent nur die Möglichkeit gibt, billigeres
Importfleisch einzukaufen. Der daraus gezogene Nutzen kann also nicht
dem Gewinn gleichgesetzt werden, den die Ineichen AG beim Verkauf der
eingeführten Ware schliesslich erzielte. Dieser Endgewinn ist deshalb
nicht die unmittelbare Folge der Kontingentszuteilung und damit auch
nicht der unrechtmässige Vorteil im Sinne des Art. 148 StGB bzw. der in
Frage stehenden Urkundendelikte.

    c) Die Anwendung des Art. 148 StGB scheidet jedoch aus einem andern
Grund aus. Die Abteilung für Landwirtschaft verfügte bei der Zuteilung
der Kontingente nicht über Vermögen des Bundes und auch nicht gestützt
auf irgendwelche Vertretungsbefugnis über die Vermögensrechte der
Kontingentsansprecher. Sie handelte vielmehr aufgrund der ihr zustehenden
Hoheitsrechte. Es fehlt daher ein Verhalten des Getäuschten im Sinne
des Art. 148 StGB. Analog verhält es sich beim sogenannten Prozessbetrug,
wenn eine Partei durch gefälschte Beweismittel den Richter zur Ausfällung
eines die Gegenpartei schädigenden Urteils bestimmt. Auch in diesem
Falle ist der Richter, der ebenfalls kraft staatlicher Hoheit verfügt,
weder Geschädigter noch dessen Vertreter, weshalb auch der sogenannte
Prozessbetrug nicht unter Art. 148 StGB fällt (BGE 78 IV 89). Es besteht
kein Anlass, von dieser Praxis abzugehen oder sie nicht auch auf den
vorliegenden Sachverhalt anzuwenden, letzteres umso weniger, als der
Kontingentsbetrug nunmehr vom Tatbestand des Art. 14 VStrR erfasst wird.

    War aber zur Zeit der Tat Art. 148 StGB nicht anwendbar, kann auch
Art. 14 VStrR nicht rückwirkend angewendet werden. Die Beschwerde ist
somit gutzuheissen, soweit Ineichen und Bucher wegen Erschleichung eines
zu hohen Kontingents nach Art. 14 VStrR verurteilt wurden.

Erwägung 9

    9.- a) (Nach der tatsächlichen Feststellung der Vorinstanz haben
Ineichen, Bucher und Jappert einen gefälschten holländischen Fleischstempel
ohne amtlichen Charakter verwendet).

    b) Die mit dem falschen holländischen Stempel verfertigten
Stempelabdrucke stellen private Beweiszeichen, nicht Privaturkunden
im engern Sinne dar. Denn nicht für sich allein, sondern erst dadurch,
dass der Stempelabdruck auf dem Fleisch angebracht wird, bekräftigt er,
dass das Fleisch aus einem holländischen Schlachthof stammt. Zeichen der
vorliegenden Art sind bestimmt und geeignet, Tatsachen von rechtlicher
Bedeutung zu beweisen. Sie sind damit Urkunden im weiteren Sinn gemäss
Art. 110 Ziff. 5 StGB. Da sie nicht von Behörden errichtet wurden, stehen
sie den Privaturkunden gleich und fallen unter Art. 251 Ziff. 1 StGB.
Diese Bestimmung ist nach Art. 255 StGB auch auf Urkunden des Auslandes,
also auch auf ausländische private Beweiszeichen anwendbar. Demgegenüber
besteht für eine analoge Anwendung des Art. 250 StGB, der Beweiszeichen
des Auslandes den Schutz versagt, kein Raum. Diese Vorschrift bezieht
sich bloss auf die Straftatbestände des zehnten Titels, erfasst demnach
nur amtliche Beweiszeichen, nicht aber private.

    Diese gesetzliche Lösung ist insofern unbefriedigend, als die Fälschung
amtlicher Zeichen des Auslandes straflos bleibt und jene amtlicher Zeichen
des Inlandes nur mit Gefängnis oder Busse bestraft wird (Art. 246 StGB),
während die Fälschung privater Beweiszeichen, auch ausländischer, der
strengeren Strafdrohung des Art. 251 Ziff. 1 StGB (Zuchthaus bis zu 5
Jahren oder Gefängnis) unterliegt. Diese Ungleichheit hat ihren Grund
in der Entstehungsgeschichte. Der bundesrätliche Entwurf unterstellte
nur Schriften, nicht aber Beweiszeichen dem Urkundenbegriff (Art. 97
Ziff. 5), so dass nur die Fälschung von Urkunden im engeren Sinn als
Urkundenfälschung strafbar war. Die erwähnten Widersprüche entstanden
erst, als im Verlaufe der parlamentarischen Beratung der Urkundenbegriff
auch auf die Beweiszeichen des In- und Auslandes ausgedehnt wurde, ohne
dass gleichzeitig die Strafbarkeit und die Strafdrohungen des 10. und
11. Titels einander angeglichen wurden (vgl. Sten.Bull. Separatausgabe
NR S. 445, 449, 779, StR S. 205, 207, 368). Diese auf einem Versehen
beruhende Lücke kann gemäss Art. 1 StGB nicht durch Analogie, sondern
nur durch eine Gesetzesänderung behoben werden (ebenso STRATENWERTH,
BT II 456). Der Richter kann indessen dadurch zu einer Milderung der
Ungereimtheit beitragen, dass er die Strafe innerhalb des Strafrahmens
zumisst, der Art. 246 und 251 Ziff. 1 StGB gemeinsam ist.

    Soweit Ineichen, Bucher und Jappert die Verurteilung wegen
Urkundenfälschung gemäss Art. 251 Ziff. 1 StGB anfechten, ist die
Beschwerde daher abzuweisen.

Erwägung 10

    10.- Ineichen, Bucher und Kunz bestreiten, dass die vorgesehene
Berichtigung der ursprünglichen Meldung der Hautzentrale und Fettschmelze
in Zürich eine Falschbeurkundung darstelle, denn sie wäre nicht geeignet
gewesen, die Wahrheit der neuen Meldung über Haut- und Fellieferungen
der Ineichen AG zu beweisen.

    a) Wegen Urkundenfälschung (Art. 251 Ziff. 1 StGB) wird mit gleicher
Strafe bedroht wie derjenige, der eine falsche öffentliche Beurkundung
erschleicht (Art. 253) oder sich einer formellen falschen Beweisaussage
(Art. 306 Abs. 1), eines falschen Zeugnisses, Gutachtens oder einer
falschen Übersetzung (Art. 307 Abs. 1, 309) schuldig macht. Die in diesen
Bestimmungen geschützten Beweismittel sind mit besonderen Garantien
umgeben, die darin bestehen, dass die Aussagen unter behördlicher
Kontrolle in einem geordneten, oft mit besonderen Vorkehren ausgestatteten
Verfahren, z.B. unter Ermahnung zur Wahrheitspflicht und Hinweis auf die
Straffolgen, gemacht werden. Gleiche Garantien sehen die einschlägigen
Gesetze regelmässig auch für die in Art. 253, 306 f., 309 und 317 StGB
geschützten Beweismittel vor.

    Bei einfachen schriftlichen Bescheinigungen dagegen erfolgt die
Wahrheitsbezeugung nicht unter formellen Garantien. Nur wenn weitere
Gründe einer schriftlichen Bescheinigung besondere Beweiseignung verleihen,
verdient sie das gleiche Vertrauen wie die anderen klassischen Beweismittel
und nur dann rechtfertigt es sich, den Täter, der in einer privaten
Urkunde eine rechtlich erhebliche Tatsache bescheinigt, strafrechtlich
demjenigen gleichzustellen, der in einem Gerichtsverfahren als Zeuge falsch
aussagt. Ähnlich verhält es sich mit den formlosen Informationsmitteln,
die nach der Abschaffung gesetzlicher Beweisregeln in der Rechtspflege
Eingang gefunden haben, wie z.B. der informellen mündlichen oder
schriftlichen Befragung von Parteien und Auskunftspersonen. Sie alle
können wie das Verhalten der Parteien im Prozess (Art. 40 BZP) im Rahmen
der freien Beweiswürdigung berücksichtigt werden. Sie schon deswegen
dem strafbaren Missbrauch der klassischen Beweismittel gleichzusetzen,
rechtfertigt sich weder nach ihrem Beweiswert noch nach dem Verschulden des
Täters. Solche Informationen sind denn auch vielfach lediglich Vorstufe
weiterer Beweisführung mit den ordentlichen Beweismitteln. Soweit sich
ein Bedürfnis zeigt, auch die formloseren Beweismittel strafrechtlich
abzusichern, kann es durch Ordnungsstrafen oder ergänzende Strafnormen
geschehen, so auch durch kantonales Prozesstrafrecht (Art. 335 Ziff. 1
Abs. 2 StGB; vgl. auch BGE 76 IV 282).

    Was für schriftliche Bescheinigungen im gerichtlichen oder
administrativen Verfahren gilt, hat sinngemäss auch für den Urkundenverkehr
ausserhalb des Prozesses Geltung. Auch dort wird im Verkehr nicht jeder
Bescheinigung oder Bekräftigung rechtserheblicher Tatsachen erhöhte
Beweiseignung zuerkannt. Sie muss sich vielmehr auf besondere Gründe
stützen. Sie können im Gesetz liegen, so für die öffentliche Beurkundung
oder die kaufmännische Buchführung, oder in sachlich gerechtfertigter
Verkehrsauffassung, wie es beispielsweise für die Schuldanerkennung und
die Quittung zutrifft, weil diese Urkunden den Aussteller belasten, oder
auch in andern in der Eigenart der betreffenden Urkunde selber gelegenen
und vom Richter zu würdigenden Umständen. Nicht erforderlich ist hingegen,
dass die schriftliche Bescheinigung mit Rücksicht auf den Charakter oder
andere individuelle Eigenschaften des Ausstellers oder auf die konkreten
Umstände oder die Beweislage des Einzelfalles Glauben verdiene. Das ist
eine Frage der Beweiswürdigung.

    b) Im vorliegenden Fall wäre die geplante Berichtigung der
ursprünglich richtigen Meldung durch die FHZ zwar ohne Aufforderung
der Untersuchungsbehörden erfolgt. Sie kann aber als Bestandteil der
ersten Meldung angesehen werden, insoweit auch sie sinngemäss eine
Antwort auf die Anfrage der Untersuchungsbehörde dargestellt hätte. Aber
auch sie wäre erst eine formlose Auskunft eines Privaten gewesen, mit
der sich die Behörden in einem Strafverfahren nicht hätten abfinden
dürfen. Ihr wäre eine Zeugeneinvernahme oder Buchkontrolle gefolgt, wenn
die berichtigte Meldung abgegangen wäre. Handelte es sich somit nicht um
eine Bescheinigung mit besonderer Beweiseignung, ist eine Falschbeurkundung
nach Art. 251 Ziff. 1 StGB nicht gegeben.

Erwägung 13

    13.- a) Der Exportstempel ist wie der in Art. 246 StGB genannte Stempel
der Fleischschauer ein amtlicher Stempel im Sinne dieser Vorschrift. Er
dient dazu, amtliche Zeichen an einem Gegenstand anzubringen, um das
Ergebnis einer Prüfung festzustellen. Der Exportstempel wurde vom
Eidg. Veterinäramt geschaffen, ist somit ein inländischer amtlicher
Stempel und der Stempelabdruck ein amtliches Zeichen des Inlandes.

    Art. 246 StGB erfasst lediglich die Fälschung und Verfälschung
amtlicher Zeichen sowie die Verwendung solcher falscher oder verfälschter
Zeichen, nicht aber die mit dem echten Zeichen wahrheitswidrig bescheinigte
Prüfung und Genehmigung, d.h. nicht die Falschbeurkundung. Ein solcher Fall
liegt aber hier vor. Das aus dem Schlachthof der Ineichen AG stammende
Fleisch wurde mit dem echten und unverfälschten Exportstempel der Kunz
AG gekennzeichnet. Die Stempelung erfolgte auch im Auftrag der Kunz AG,
so dass es unerheblich ist, ob der Stempel von Angestellten der Kunz AG
oder der Ineichen AG angebracht wurde. Dies trifft für den vorliegenden
Fall umso mehr zu, als der Stempelaufdruck nicht den Anschein erweckte
und auch nicht erwecken sollte, es handle sich um den Exportstempel der
Ineichen AG. Der Stempelabdruck sollte vielmehr bescheinigen, dass es
sich um Exportfleisch der Kunz AG handle, was insoweit unwahr war, als
das Fleisch nicht im Schlachthof der Kunz AG zubereitet wurde. Art. 246
StGB findet daher keine Anwendung.

    Als anderer Straftatbestand fällt aus prozessualen Gründen nur Art. 251
Ziff. 1 StGB in Betracht. Diese Bestimmung ist bereits vom Kriminalgericht
angewendet worden, ohne dass sein Entscheid von der Staatsanwaltschaft
angefochten worden wäre. Das Obergericht konnte daher wegen des kantonalen
Verbots einer reformatio in peius eine strengere Bestimmung (Art. 251
Ziff. 2 oder 317 StGB) nicht mehr in Erwägung ziehen. Diese Beschränkung
gilt auch von Bundesrechts wegen (Art. 227 Abs. 2, 277bis Abs. 1 BStP;
BGE 73 IV 6 Nr. 1, 74 IV 168).

    b) Schrifturkunden geben durch Buchstaben oder andere Zeichen, die
Worte versinnbildlichen, Gedanken kund, und zwar derart, dass sie für den
Leser der Schrift aus sich selbst heraus verständlich sind. Beweiszeichen
dagegen sind Symbole, die ebenfalls Gedanken ausdrücken, deren Inhalt
aber erst im Zusammenhang mit anderen, ausserhalb des Zeichens liegenden
Umständen verstanden werden kann (SCHWANDER, Nr. 694, STRATENWERTH,
BT II S. 467 f.).

    Art. 246 StGB nennt als Beispiel eines amtlichen Zeichens den
Stempel der Fleischschauer, der mit der Aufschrift "Fleischschau"
und der Ortsangabe der zuständigen Behörde sowie allenfalls mit einer
Kontrollnummer versehen ist und verschiedene Formen aufweisen kann
(Art. 52 Fleischschauverordnung und Anlage Nr. I dazu; SR 817.191). Für
sich allein besitzt der Stempel keine Aussagekraft. Erst durch den auf
Schlachtfleisch angebrachten Aufdruck wird die Tatsache geäussert,
dass es sich um bankwürdiges Fleisch handelt. Die gleichen Merkmale
des Beweiszeichens kennzeichnen auch den für den Export nach England
bestimmten Stempel. Der Abdruck dieses mit einer besonderen Kontrollzahl
versehenen Stempels besagt ebenfalls nur in Verbindung mit einem bestimmten
Fleischstück, dass es aus einem anerkannten Schlachthof einer bestimmten
Firma stammt, dort geprüft und für gut befunden wurde.

    Urkunden im Sinne des Art. 110 Ziff. 5 StGB sind auch Zeichen, die
bestimmt sind, Tatsachen von rechtlicher Bedeutung zu beweisen. Darunter
fallen auch private Beweiszeichen (Sten.Bull., Separatausgabe, NR S. 779,
StR S. 368). Gelten private Beweiszeichen als Urkunden, so kommt diese
Eigenschaft auch amtlichen Beweiszeichen zu, was daraus geschlossen werden
muss, dass der allgemeine Urkundenbegriff auch den Begriff der öffentlichen
Urkunde einschliesst (Art. 110 Ziff. 5 Abs. 1 und 2, Art. 251 Ziff. 1 und
2 StGB) und dass öffentliche Beweiszeichen im Vergleich zu den privaten
eines erhöhten Schutzes bedürfen. Anders wäre es nur, wenn der Missbrauch
der in Art. 246 StGB genannten amtlichen Beweiszeichen abschliessend
geregelt worden wäre, also durch qualifiziertes Schweigen hätte straflos
erklärt werden wollen. Dafür fehlen zwingende Gründe. Schon in BGE 76
IV 33 erklärte der Kassationshof, der zuständige Beamte, der ein echtes
Beweiszeichen zur Bescheinigung einer unwahren Tatsache missbrauche, sei
wegen Falschbeurkundung gemäss Art. 317 StGB strafbar, was voraussetzt,
dass Art. 246 StGB die unrichtige Bescheinigung durch den Berechtigten
nicht straflos erklärt. Der Umstand aber, dass der Täter nach Art. 251 StGB
strenger bestraft wird, als wenn er sich wegen Verwendung eines falschen
oder verfälschten Zeichens nach Art. 246 StGB strafbar macht, beseitigt
nicht die Tatsache, dass der Gesetzgeber auch die Falschbeurkundung mit
privaten und amtlichen Beweiszeichen unter Strafe gestellt hat. Dass er
es unterlassen hat, die Strafdrohungen der Art. 246 und 251 StGB inbezug
auf die Beweiszeichen einander anzupassen, ist ein Mangel, dem der Richter
bei der Strafzumessung Rechnung tragen kann, indem er die Strafe, soweit
es Art. 251 oder 317 StGB zulässt, im Rahmen des Art. 246 StGB zumisst.

    Die gegen die Verurteilung wegen Urkundenfälschung (Art. 251 Ziff. 1
StGB) geführten Beschwerden von Ineichen, Bucher, Jappert und Kunz sind
daher unbegründet und somit abzuweisen.