Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 103 IV 239



103 IV 239

65. Urteil des Kassationshofes vom 1. Dezember 1977 i.S. T. gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt Regeste

    Art. 110 Ziff. 5, 251 StGB. Urkundenfälschung.

    Die in einem Aktienzertifikat abgegebene Erklärung, die Inhaberaktien
seien voll einbezahlt, hat die Bedeutung einer Quittung.

Sachverhalt

    A.- Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt bestätigte
am 23. Juni 1977 ein Urteil des Strafgerichts, durch welches T. des
wiederholten Betruges und der Urkundenfälschung schuldig erklärt und zu
18 Monaten Gefängnis verurteilt worden war.

    B.- T. führt Nichtigkeitsbeschwerde. Er beantragt, das Urteil
des Appellationsgerichts sei teilweise aufzuheben und die Sache zur
Freisprechung von der Anklage der Urkundenfälschung sowie zur angemessenen
Herabsetzung der Strafe an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Der Beschwerdeführer übergab F. als Sicherheit für ein Darlehen
die Aktienzertifikate Nr. 12 und 13 über je fünf Inhaberaktien zu nominal
Fr. 1'000.--. In den Zertifikaten beurkundete die Pitztal AG, dass dem
Inhaber alle Rechte zustehen, welche gemäss Gesetz und Statuten mit
dem Eigentum an fünf Aktien im Nennwert von Fr. 5'000.-- der Pitztal
AG verbunden sind und dass die Aktien mit 100% liberiert seien. Die
Bescheinigung voller Liberierung der Aktien führte zur Verurteilung des
Beschwerdeführers wegen Urkundenfälschung.

Erwägung 2

    2.- Der Beschwerdeführer ficht den Schuldspruch wegen Urkundenfälschung
in erster Linie mit der Begründung an, die Aktienzertifikate enthielten
rechtserhebliche Äusserungen ausschliesslich hinsichtlich der in ihnen
verkörperten Mitgliedschaftsrechte und seien deshalb an sich weder bestimmt
noch geeignet, als Ausweis der Liberierung oder des inneren Wertes von
Aktien zu dienen. Insoweit komme ihnen kein Urkundencharakter zu.

    a) Ob Aktien voll oder nur teilweise liberiert sind, ist entgegen
der Auffassung des Beschwerdeführers von rechtlicher Bedeutung, und zwar
nicht nur im Verhältnis zwischen dem Aktionär und der Gesellschaft,
namentlich was seine Leistungspflicht dieser gegenüber anbetrifft,
sondern darüber hinaus auch im Rechtsverkehr mit Dritten. So dürfen auf
den Inhaber lautende Aktien und Interimsscheine nur ausgegeben werden,
nachdem der volle Nennwert einbezahlt worden ist. Vor der Volleinzahlung
ausgegebene Inhaberaktien und auf den Inhaber lautende Interimsscheine
sind von Gesetzes wegen nichtig (Art. 683 und 688 Abs. 1 OR). Durch eine
schriftliche Erklärung, Aktien seien voll einbezahlt, bescheinigt die
Gesellschaft demnach eine rechtserhebliche Tatsache.

    b) Zu Unrecht bestreitet der Beschwerdeführer sodann den
Urkundencharakter. Die Bestätigung, die Aktien seien voll liberiert,
d.h. der Aktionär habe die aus der Zeichnung entstandene Verpflichtung
zur Bezahlung des Ausgabepreises für die Aktien erfüllt, hat - zumal in
einem Aktienzertifikat - wie die Bescheinigung erbrachter Geldleistungen
überhaupt die Bedeutung einer Quittung. Quittungen aber besitzen,
wenn nicht schon nach Gesetz (Art. 88 OR), so jedenfalls nach der
Verkehrsübung Beweiskraft, sobald sie in die Hand des Schuldners gelangt
sind (BGE 101 IV 278). Ob er sie in der Folge weitergibt, ändert an der
grundsätzlichen Rechtsnatur nichts. Ebenso ist ohne Belang, dass sich eine
Quittung in einem Schriftstück findet, das normalerweise eine solche nicht
enthält und seinem Wesen nach nur hinsichtlich des übrigen Inhalts von
Gesetzes wegen oder nach der Verkehrsübung zum Beweis geeignet ist. Das
dem Beschwerdeführer ausgehändigte und von ihm zur Sicherstellung der
Darlehensforderung weitergegebene Aktienzertifikat besitzt also insoweit,
als es die volle Liberierung der Aktien bescheinigt, die Eigenschaft
einer Urkunde im Sinne des Art. 110 Ziff. 5 StGB.

Erwägung 3

    3.- Der Beschwerdeführer behauptet schliesslich, die Bescheinigung
voller Liberierung der Aktien sei nicht unwahr gewesen.

    Diese Rüge ist mutwillig. Wer seiner Verpflichtung, den Nennwert
der Aktien zur ausschliesslichen und unbelasteten Verfügung durch
die Gesellschaft einzuzahlen, in der Weise nachkommt, dass er ihr ein
von Dritten kurzfristig erhaltenes Darlehen mit der Verpflichtung zur
Verfügung stellt, es nach erfolgter Gründung der AG sofort den Dritten
zurückzuzahlen, in Wirklichkeit also nichts in die Gesellschaft einbringt,
der liberiert seine Aktien nicht. Der Beschwerdeführer, der so handelte,
hat die Liberierung vorgetäuscht.

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.