Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 103 IV 22



103 IV 22

6. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 21. Februar 1977
i.S. Trümpy c. Langenegger Regeste

    Art. 173 f. StGB. Eignung zur Rufschädigung.

    Eine Äusserung ist schon ehrenrührig, wenn sie an sich geeignet ist,
den Ruf zu schädigen, unabhängig davon, ob der Dritte die Beschuldigung
oder Verdächtigung für wahr hält oder nicht.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 7

    7.- Die Vorinstanz brachte Art. 173 und 174 StGB deswegen nicht zur
Anwendung, weil das als ehrverletzend eingeklagte Schreiben vom 27. Juni
1973 an zwei Behörden gerichtet wurde, die für den geordneten Jagdbetrieb
zuständig seien, nämlich an den Gemeinderat Zumikon und an die Kantonale
Jagd- und Fischereiverwaltung. Von diesen sei ohne weiteres zu erwarten
gewesen, dass sie die als blosse Vermutung formulierte Beschwerde durch
Aktenbeizug überprüfen, was auch geschehen sei. Die Anzeige sei daher gar
nicht geeignet gewesen, den Ruf der Ankläger im Sinne von Art. 173 f. StGB
zu schädigen. Es müsse dem Bürger möglich sein, von einer Behörde die
Überprüfung des Verhaltens von Personen zu verlangen, die deren Aufsicht
unterstehen; dies zumindest soweit, als der Behörde die Überprüfung
aufgrund der ihr zur Verfügung stehenden Informationsmittel möglich sei.

    Wenn die Vorinstanz dem Schreiben des Beschwerdegegners die Eignung
zur Rufschädigung mit der Begründung abspricht, dass die Briefempfänger
in der Lage waren, die Wahrheit der Äusserung zu überprüfen und sie dies
auch getan hätten, so geht die Vorinstanz von einem falschen rechtlichen
Begriff der Eignung zur Rufschädigung aus. Diese Eignung ist abstrakter
Natur. Massgeblich ist nicht, ob der Dritte der Beschuldigung oder
Verdächtigung, so wie sie zu verstehen ist, tatsächlich Glauben schenkt
oder ob wenigstens damit ernsthaft zu rechnen sei. Eine Äusserung ist
im Sinne von Art. 173 f. StGB schon dann ehrenrührig, wenn sie an sich,
d.h. für den Fall, dass sie geglaubt werden sollte, geeignet ist, den
Ruf zu schädigen. Die üble Nachrede und die Verleumdung sind insoweit
abstrakte Gefährdungsdelikte. Der Täter ist daher selbst dann strafbar,
wenn der Dritte die Unwahrheit der Äusserung sofort erkennt oder wenn
nach den konkreten Umständen zu erwarten ist, er werde die Unwahrheit
der Äusserung sofort erkennen.

    Der Begriff der Eignung der Äusserung zur Rufschädigung ist
kein anderer, wenn der Dritte, an den sich die Äusserung richtet,
eine zuständige Behörde ist. Das Gesetz macht diese Unterscheidung
nicht. Es besteht auch kein Anlass, eine ausfüllbedürftige Gesetzeslücke
anzunehmen. Es ginge zu weit, Verleumdungen und üble Nachreden immer dann
freizugeben, wenn sie an eine zuständige Behörde gerichtet werden, die
den Sachverhalt nachprüfen kann. Zu Unrecht wurde daher der Äusserung
die rufschädigende Eignung abgesprochen und damit der Tatbestand der
Verleumdung, eventuell der üblen Nachrede verneint.

    Ebensowenig gibt es einen so weit gefassten Rechtfertigungsgrund,
der es unter beliebigem Vorwand gestatten würde, einen andern bei einer
Behörde, deren Aufsicht er untersteht, eines unehrenhaften Verhaltens
zu bezichtigen.