Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 103 IV 148



103 IV 148

43. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 9. September 1977 i.S. X.
gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau Regeste

    Art. 67 Ziff. 1 StGB. Rückfall ist auch gegeben, wenn die frühere
Zuchthaus- oder Gefängnisstrafe nicht vollstreckt, jedoch durch Anrechnung
von Untersuchungshaft ganz oder teilweise als getilgt erklärt wurde.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- Der Beschwerdeführer zieht die Richtigkeit der ebenfalls
von SCHULTZ (Einführung in den Allgemeinen Teil des Strafrechts,
II, S. 68) kritisierten Rechtsprechung in Frage, wonach Rückfall im
Sinne von Art. 67 StGB auch vorliegt, wenn die frühere Zuchthaus-
oder Gefängnisstrafe nicht vollstreckt, jedoch durch Anrechnung von
Untersuchungshaft ganz oder teilweise als getilgt erklärt worden ist (BGE
84 IV 8). Eine unterschiedliche Rechtsfolge je danach, ob die ausgestandene
Untersuchungshaft auf die Freiheitsstrafe angerechnet wurde oder nicht,
vermöge in ihren Konsequenzen nicht zu befriedigen. Besonders stossend
erscheine die Annahme von Rückfall, wo die angerechnete Untersuchungshaft
nur einige wenige Tage gedauert habe.

    Das Argument, die Untersuchungshaft der Strafhaft gleichzustellen sei
bedenklich, weil es sich um einen aus prozessualen Gründen angeordneten
Entzug der Freiheit handle und der Täter noch nicht dem resozialisierenden
Einfluss des Strafvollzuges unterworfen war, dessen Wirkungslosigkeit
der Grund zu strengerer Bestrafung des Rückfalls sei (SCHULTZ, aaO),
ist ebensowenig stichhaltig wie dasjenige, Rückfall anzunehmen erscheine
da als ganz besonders stossend, wo die angerechnete Untersuchungshaft nur
wenige Tage betragen habe. Das Gesetz weicht vom Grundsatz, dass nur der
effektive Strafvollzug eine Strafschärfung wegen Rückfalls rechtfertige,
auch bei der Begnadigung ab, wenn es den Erlass der Vorstrafe durch
eine solche deren Vollstreckung gleichstellt (Art. 67 Ziff. 1 Abs. 2
StGB). Als Rückfallsvoraussetzung lässt es zudem unabhängig von einer
erzieherischen Wirksamkeit auch den Vollzug kürzester Gefängnisstrafen und
auch kleinster Teile von Zuchthaus- oder Gefängnisstrafen genügen, was
eine Lösung wie die von BONNARD in JdT 1958, II, S. 41/42 angeregte von
vorneherein ausschliesst. Weil der auf die Freiheitsstrafe angerechneten
Untersuchungshaft die rechtliche Wirkung einer in diesem Umfange bereits
vollstreckten Strafe (BGE 83 IV 5, 84 IV 9) von Gesetzes wegen zukommt,
wären jegliche gegen diese Rechtsfolge erhobenen Einwände ohnehin nur de
lege ferenda beachtlich.