Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 103 IV 1



103 IV 1

1. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 21. Januar 1977 i.S. F.
gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern Regeste

    Art. 43 Ziff. 2 Abs. 2 StGB. Ambulante Behandlung. Als solche kommt
nur eine vom Arzt oder unter ärztlicher Kontrolle durchgeführte Behandlung
in Betracht, nicht hingegen eine bloss fürsorgerische Betreuung.

Sachverhalt

    A.- Im September 1972 nahm F. beim Bankgeschäft K. ein Darlehen von
Fr. 6'000.-- auf. Im Kreditgesuch machte er auf vorgedrucktem Formular
verschiedene falsche Angaben über seine persönlichen und finanziellen
Verhältnisse. So gab er u.a. an, dass er keine Schulden besitze, was
in Wirklichkeit jedoch nicht zutraf. Ferner erklärte er, er brauche das
Darlehen für die Anschaffung von Mobilien. Statt dessen verbrauchte er das
Geld für eine Reise mit seiner Frau durch Österreich. Sodann führte er im
Kreditgesuch aus, er habe ein Vermögen von Fr. 15'000.--, was nicht den
Tatsachen entsprach. Ferner hinterlegte er eine Lebensversicherungspolice
als Sicherheit; diese Police war jedoch bereits ausser Kraft gesetzt
worden, weil keine Prämien mehr bezahlt worden waren.

    Das Obergericht des Kantons Luzern sprach F. am 23. September 1976
des Betruges schuldig und verurteilte ihn zu 4 Monaten Gefängnis.

    F. führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem sinngemässen Antrag auf
Aufhebung des obergerichtlichen Urteils und Rückweisung der Sache an das
Obergericht zu erheblicher Herabsetzung der Strafe und zum Aufschub des
Strafvollzugs unter Anordnung einer ambulanten Behandlung im Sinne von
Art. 43 Ziff. 2 Abs. 2 und Art. 44 Ziff. 1 Abs. 1 StGB.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Das Kriminalgericht hatte den Strafvollzug aufgeschoben und
ambulante Behandlung angeordnet wegen der psychischen Konstitution des
Angeklagten (Art. 43 StGB) sowie zur Vermeidung der Trunksucht (Art. 44
StGB). Das Obergericht führt aus, der Angeklagte habe sich seit der
Alkoholentwöhnungskur im Frühling 1973 ohne Antabus-Tabletten gehalten;
ambulante Behandlung wegen Trunksucht sei daher nicht nötig. Die Betreuung
durch die Fürsorgestelle Aarau sei nicht eine ärztliche Behandlung für
einen psychisch Kranken - eine solche habe der Gutachter für nicht
notwendig erachtet - sondern eine fürsorgerische Betreuung, die dem
Angeklagten umfassend beistehen und einen Rückfall verhindern solle. Nicht
jede Hilfsmassnahme könne aber einen Aufschub des Vollzugs bewirken. Noch
weniger als die ärztliche Behandlung dürfe eine fürsorgerische Betreuung
Mittel sein, die Strafe zu umgehen.

    Der Beschwerdeführer macht zur Hauptsache geltend, die Entwöhnungskur
sei bei einem schweren, chronischen Alkoholiker für sich allein noch
keine abgeschlossene Massnahme. Hinzu komme eine längere intensive
Betreuung durch eine erfahrene Fürsorgestelle. Es liege in der Natur
der Sache, dass diese nach der Entlassung aus der Trinkerheilanstalt
ambulant erfolge. Sie sei unabdingbarer Bestandteil der Massnahme. Mit
diesem Einwand ist der Beschwerdeführer nicht zu hören. Er steht im
Widerspruch zu der tatsächlichen und daher gemäss Art. 277bis Abs. 1
BStP für den Kassationshof verbindlichen Feststellung der Vorinstanz,
dass sich der Beschwerdeführer seit der Entwöhnungskur im Frühling 1973 -
also während 3 1/2 Jahren - sogar ohne die Einnahme von Antabus-Tabletten
hat halten können. Von einer nicht abgeschlossenen Alkoholentwöhnung ist
somit keine Rede.

    Sofern der Beschwerdeführer mit dem Hinweis auf seine Anfälligkeit
für depressive Verstimmungen, in denen er suizidal werden könne, geltend
machen will, die ambulante Betreuung durch die Fürsorgestelle Aarau sei
auch wegen seinem psychischen Gesundheitszustand erforderlich, so ist
zu sagen, dass Art. 43 StGB ausdrücklich nur von ärztlicher Behandlung
spricht. Unter dieser ist, mag sie stationär oder ambulant durchgeführt
werden, ausschliesslich die Behandlung durch einen Arzt oder unter der
Aufsicht eines Arztes zu verstehen, nicht auch irgendwelche Betreuung
durch eine Fürsorgestelle oder dergleichen. Eine ärztliche Behandlung
als psychisch Kranker hat im übrigen nach der Feststellung der Vorinstanz
der Gutachter für nicht notwendig erachtet.

    Auf das Vorbringen des Beschwerdeführers, laut der Fürsorgestelle
Aarau wäre nicht nur die bereits erfolgreich abgeschlossene freiwillige
Entwöhnungskur durch den Strafvollzug wiederum in Frage gestellt, sondern
würde auch eine ambulante Behandlung in der Strafanstalt voraussichtlich
nutzlos sein, kann nach dem Gesagten in diesem Verfahren nicht eingetreten
werden, wohl aber auf das vom Beschwerdeführer in Aussicht genommene
Begnadigungsgesuch.