Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 103 II 84



103 II 84

13. Urteil der II. Zivilabteilung vom 4. Mai 1977 i.S. C. gegen X. und Y.
Regeste

    Klage auf Ungültigerklärung eines Testamentes (Art. 520 ZGB);
Zeugenbescheinigung bei der öffentlichen letztwilligen Verfügung
(Art. 501 Abs. 2 ZGB).

    1. Passivlegitimation des Willensvollstreckers bei der
Ungültigkeitsklage (E. 1).

    2. In der Zeugenbescheinigung braucht weder eine Bestätigung
enthalten zu sein, wonach der Testator die Urkunde vor den Zeugen und
der Urkundsperson unterschrieben habe (E. 2a), noch bezeugt zu werden,
dass der Testator die in Art. 501 Abs. 1 ZGB vorgeschriebene Erklärung
in Gegenwart der Urkundsperson abgegeben habe (E. 2b).

Sachverhalt

    A.- Am 21. März 1969 errichtete der ledige Arnold E., geb.  1877, eine
öffentliche letztwillige Verfügung. Er wies verschiedene Liegenschaften
zum Ertragswert seinem Neffen Josef X. zu und bestimmte Rechtsanwalt
Y. zum Willensvollstrecker. Das Testament wurde durch Gemeindeschreiber
Z. verurkundet. Als Zeugen wirkten Margrith A. und Marie B. mit. Die
in der letztwilligen Verfügung enthaltene Zeugenbescheinigung lautet
wie folgt:
                "Die unterzeichneten Zeugen... bezeugen, dass der Erblasser
           Arnold E. vor Ihnen die Erklärung abgegeben hat, dass er, der
           Testator, die vorstehende letztwillige Verfügung gelesen habe,
           und dass diese seinen letzten Willen enthalte.
                Sie erklärten ferner, dass sich der Erblasser nach ihrer
           Wahrnehmung bei der Abgabe dieser Erklärung im Zustande der
           Verfügungsfähigkeit befunden hat."

    Arnold E. starb am 26. November 1972. Als gesetzliche Erben hinterliess
er eine grosse Zahl von Nachkommen vorverstorbener Geschwister. Das
Testament wurde am 23. Oktober 1973 eröffnet.

    Mit Eingabe vom 18. Juli 1974 erhob die gesetzliche Erbin C. beim
Kantonsgericht gegen den Begünstigten und den als Willensvollstrecker
eingesetzten Rechtsanwalt Klage auf Ungültigerklärung des Testaments. Zur
Begründung machte sie geltend, die darin enthaltene Zeugenbescheinigung
entspreche den gesetzlichen Anforderungen nicht; es fehle die Bestätigung,
dass der Erblasser die Urkunde vor den Zeugen und der Urkundsperson
unterschrieben sowie dass er jenen in Gegenwart des Beamten erklärt habe,
das Schriftstück enthalte seinen letzten Willen.

    Mit Urteilen vom 24. September/29. Oktober 1975 und vom 3. Dezember
1976 wiesen Kantons- und Obergericht die Klage ab.

    Gegen den zweitinstanzlichen Entscheid hat die Klägerin unter
Erneuerung ihres im kantonalen Verfahren gestellten Begehrens beim
Bundesgericht Berufung erhoben.

    Die Beklagten beantragen deren Abweisung.

Auszug aus den Erwägungen:

            Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Wie schon in den kantonalen Verfahren bestreitet der Zweitbeklagte,
passivlegitimiert zu sein, indem er darauf hinweist, dass er lediglich
als Willensvollstrecker in die Klage einbezogen worden sei. Allein,
dies vermag seine Passivlegitimation nicht auszuschliessen. Denn bei
einer Gutheissung müsste auch die Anordnung über die Willensvollstreckung
dahinfallen, da sich die Klage gegen das Testament als Ganzes richtet
(vgl. TUOR, N. 31, und ESCHER, N. 28 zu Art. 518 ZGB).

Erwägung 2

    2.- Die angefochtene letztwillige Verfügung wurde nach Massgabe der
Art. 500 und 501 ZGB errichtet. Danach gibt die Urkundsperson dem Erblasser
das von ihr anhand der Mitteilung des letzten Willens aufgesetzte Testament
zu lesen, worauf dieser die Urkunde zu unterzeichnen hat (Art. 500 Abs. 1
und 2 ZGB). Weiter ist vorgeschrieben, dass der Erblasser unmittelbar
im Anschluss daran den beiden beizuziehenden Zeugen in Gegenwart des
Beamten erkläre, er habe die Urkunde gelesen und sie enthalte seinen
letzten Willen (Art. 501 Abs. 1 ZGB). Dass dies im vorliegenden Fall
tatsächlich so geschah, ist unbestritten.

    Gemäss Art. 501 Abs. 2 ZGB haben die Zeugen sodann mit ihrer
Unterschrift auf der Urkunde zu bestätigen, "dass der Erblasser vor ihnen
diese Erklärung abgegeben und dass er sich nach ihrer Wahrnehmung dabei im
Zustande der Verfügungsfähigkeit befunden habe". Es ist zu prüfen, ob die
Zeugenbescheinigung im angefochtenen Testament dieser Vorschrift genügt.

    a) Von vornherein nicht zu der von den Zeugen abzugebenden Bestätigung
gehört die Erklärung, der Erblasser habe die Urkunde vor ihnen und der
Urkundsperson unterschrieben. Der Grund liegt darin, dass jene bei der
Unterzeichnung des Schriftstücks durch den Erblasser gar nicht anwesend zu
sein brauchen (BGE 60 II 275; TUOR, N. 1, und ESCHER, N. 1 zu Art. 501 ZGB;
TUOR/SCHNYDER, Das schweiz. Zivilgesetzbuch, 9. Aufl., S. 377; PIOTET,
Droit successoral, S. 212). Mit ihrer gegenteiligen Auffassung verkennt
die Klägerin, dass es sich beim Lesen und Unterzeichnen der Urkunde durch
den Erblasser einerseits und der Mitwirkung der Zeugen andererseits
um zwei getrennte Akte handelt, die lediglich zeitlich in einem engen
Zusammenhang stehen, weil sie unmittelbar aufeinander folgen müssen.

    b) In zweiter Linie wird geltend gemacht, die im angefochtenen
Testament enthaltene Zeugenbescheinigung sei auch deshalb mangelhaft, weil
eine Bestätigung darüber fehle, dass der Erblasser die in Art. 501 Abs. 1
ZGB vorgeschriebene Erklärung in Anwesenheit der Urkundsperson abgegeben
habe. Richtig ist, dass letzteres vom Gesetz verlangt wird (BGE 60 II
276; ESCHER, N. 3 zu Art. 501 ZGB). Eine andere Frage ist es jedoch,
ob die Zeugenbestätigung die Erfüllung dieser Voraussetzung erwähnen
muss. Nach dem Gesetzeswortlaut ist dies nicht erforderlich, denn in
Art. 501 Abs. 2 ZGB heisst es lediglich, die Zeugen hätten zu bestätigen,
dass der Erblasser die Erklärung "vor ihnen" ("en leur présence", "in loro
presenza"), also vor den Zeugen selber, abgegeben habe. Es fragt sich,
ob über diesen klaren Wortlaut hinaus verlangt werden könne, dass die
Zeugen ausserdem bestätigen, auch der Urkundsbeamte sei anwesend gewesen.

    Gegen die Bejahung dieser Frage spricht zunächst das Gebot der
Rechtssicherheit. Die Einhaltung der für die Testamentserrichtung
vorgeschriebenen Form ist von so grosser Tragweite, dass die am Rechtsakt
Beteiligten in ihrem Vertrauen auf eine möglichst wörtliche Befolgung
des Gesetzes zu schützen sind. Die Formerfordernisse dürfen schon
aus diesem Grunde nicht über den Gesetzeswortlaut hinaus ausgedehnt
werden. Dazu kommt, dass der Zweck der gesetzlichen Regelung dies gar
nicht erfordert. Mit dem Beizug zweier Zeugen und ihrer Bescheinigung auf
der Testamentsurkunde soll nämlich eine klare Feststellung darüber erwirkt
werden, dass der Erblasser sich von der Übereinstimmung des Urkundeninhalts
mit dem von ihm kundgegebenen Willen Gewissheit verschafft und darüber
eine ausdrückliche Erklärung abgegeben hat (BGE 89 II 367 E. 2) sowie dass
er sich dabei - soweit ersichtlich - im Zustande der Verfügungsfähigkeit
befand. Auf diese Wahrnehmungen muss sich deshalb die Bestätigung der
Zeugen vernünftigerweise beschränken können.

    Der Hinweis der Klägerin auf Anregungen, die verschiedene Autoren
für die Formulierung der Zeugenbescheinigung gemacht haben, ist
unbehelflich. Diese Vorschläge sind zum Teil weiter gefasst als unbedingt
notwendig, sei es aus Vorsicht, sei es im Bestreben, möglichst viele
Tatsachen dem erleichterten Beweis durch eine öffentliche Urkunde (Art. 9
Abs. 1 ZGB) zuzuführen. TUOR weist in seinem Kommentar ausdrücklich darauf
hin, dass in der von ihm vorgeschlagenen Bestätigungsformel die Worte "in
Gegenwart von Notar..." streng genommen fehlen dürften (N. 11 zu Art. 501
ZGB). Auch aus den andern einschlägigen Werken geht mindestens indirekt
hervor, dass sich der notwendige Inhalt der Bestätigung der Zeugen auf
deren Wahrnehmung über die vom Erblasser abzugebende Anerkennungserklärung
und dessen Geisteszustand beschränkt (ESCHER, N. 5/6 zu Art. 501 ZGB;
TUOR/SCHNYDER, aaO S. 378; PIOTET, aaO S. 212: vgl. auch BGE 42 II 204 E.
1).

Entscheid:

             Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichts vom
3. Dezember 1976 bestätigt.