Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 103 II 59



103 II 59

8. Urteil der I. Zivilabteilung vom 15. März 1977 i.S. Danzas AG gegen
Metallbodio AG Regeste

    Haftung des Spediteurs. Art. 398, 399 und 439 OR.

    1. Ein vom Beauftragten befugterweise eingesetzter Zwischenspediteur
ist als sein Substitut, nicht als eine Hilfsperson zu behandeln (E. 1a).

    2. Der Beauftragte haftet diesfalls nur für gehörige Sorgfalt in der
Wahl und Instruktion des Zwischenspediteurs (E. 1b).

    3. Offen gelassen, ob ein blosser Hinweis auf allgemeine
Geschäftsbedingungen genügt, um diese zum Vertragsinhalt zu machen (E. 2).

Sachverhalt

    A.- Am 30. Juli 1973 bestellte ein gewisser Montalet bei der
Metallbodio AG in Basel 20 t Nickelkathoden, die angeblich für die Firma
Unimétal in Paris bestimmt waren.

    Die Metallbodio AG beauftragte am 2. August die Danzas AG in Basel,
die in Rotterdam für die Danzas S.A. Paris freigestellte Ware zu übernehmen
und in ihrem Namen der Unimétal S.A. in Paris auszuliefern. Sie verband
den Auftrag mit der Weisung, die Ware erst auf ihre Nachricht, dass die
Käuferin den Betrag von US § 72'752.46 zu ihrer Verfügung gestellt habe,
der Unimétal auszuliefern. Die Danzas AG bestätigte den Auftrag am
gleichen Tage und fügte bei, dass die Sendung am 3. August nach Paris
weitergeleitet werde. Das hiefür benutzte Formular trägt den Vermerk,
dass für alle Vereinbarungen und Aufträge die Allgemeinen Bedingungen
des Schweizerischen Spediteur-Verbandes (ABSped) gelten.

    Die Danzas AG Basel erteilte am 2. August der Firma Erkelens, Cooke
& Marcus in Rotterdam den Auftrag, die Ware an die Danzas S.A. Paris zu
senden. Den Vorbehalt der Verkäuferin über die Auslieferung der Ware an
die Unimétal gab sie dabei nicht weiter, teilte aber bereits am 2. August
1973 der Danzas S.A. Paris mit, dass die Sendung der Käuferin nur gegen
Beweis der unwiderruflichen Zahlung von US § 72'752.46 zugunsten des
Schweizer Lieferanten ausgehändigt werden dürfe.

    Durch betrügerische Handlungen erreichte Montalet, dass die Firma
Erkelens den Frachtbrief über den Versand der Nickelkathoden nachträglich
abänderte und die Ware ohne Sicherstellung des Preises der Unimétal oder
einem Dritten überliess. Die Kathoden sind seither verschwunden.

    Im Januar 1974 klagte die Metallbodio AG gegen die Danzas AG Basel
auf Zahlung von US § 72'752.46 oder SFr. 207'344.51 nebst Zins seit
7. November 1973.

    Das Zivilgericht Basel-Stadt wies die Klage ab. Das Appellationsgericht
des Kantons Basel-Stadt, das von der Klägerin angerufen wurde, schützte
sie dagegen am 7. September 1976 im vollen Betrag nebst 5% Zins seit
10. Januar 1974.

    Die Beklagte hat gegen das Urteil des Appellationsgerichtes Berufung
eingelegt. Sie beantragt, es aufzuheben und die Klage abzuweisen oder
die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit sie neu entscheide.

    Die Klägerin beantragt, die Berufung abzuweisen und das angefochtene
Urteil zu bestätigen.

Auszug aus den Erwägungen:

            Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Nach der Auffassung des Appellationsgerichtes genügte der auf der
Versandanzeige vom 2. August in Kleindruck angebrachte Hinweis auf die
ABSped nicht, um diese zum Vertragsinhalt zu erheben; die Beklagte habe
mit der Klägerin keine regelmässigen Geschäftsbeziehungen unterhalten noch
ihr die ABSped je im Wortlaut mitgeteilt, weshalb selbst eine Einigung
durch schlüssiges Verhalten zu verneinen sei. Nach den Bestimmungen des
Obligationenrechtes sei die Firma Erkelens aber als Hilfsperson anzusehen,
für deren Verschulden die Beklagte einzustehen habe, ohne sich entlasten
zu können.

    Die Beklagte hält dem insbesondere entgegen, indem das
Appellationsgericht den von ihr befugterweise beigezogenen
Zwischenspediteur als Hilfsperson statt als ihren Substituten behandle,
verletze es die Art. 101, 398 f. und 439 OR.

    a) Gemäss Art. 439 OR ist der Spediteur als Kommissionär zu betrachten,
untersteht aber in bezug auf den Transport der Güter den Bestimmungen über
den Frachtvertrag. Im vorliegenden Fall geht es weder um den Transport
als solchen noch um einen dabei entstandenen Schaden. Ob die Beklagte für
den Verlust der Ware hafte, beurteilt sich deshalb nach Kommissionsrecht,
das in Art. 425 Abs. 2 OR die Vorschriften über den Auftrag für anwendbar
erklärt, soweit es nicht etwas anderes bestimmt.

    Bei diesem Ausgangspunkt geht es nicht an, die Stellung des Spediteurs,
der einen Zwischenspediteur einsetzt, mit derjenigen des Frachtführers
zu vergleichen und deswegen die für den Zwischenfrachtführer vorgesehene
Regelung auch auf den Zwischenspediteur anzuwenden. Entgegen der Annahme
des Appellationsgerichtes verweist das Obligationenrecht zudem in Art. 449
nicht auf Art. 101; das trifft lediglich für private Textausgaben (z.B. die
von SCHÖNENBERGER) zu, wo diese Bestimmung zur Erläuterung in Klammern
eingefügt ist. Entscheidend ist indes, dass die Art. 447 bis 449 OR eine
durch die Möglichkeit des Entlastungsbeweises gemilderte Kausalhaftung
enthalten (BGE 102 II 260 E. 2, 93 II 349). Dadurch unterscheiden sie
sich aber grundsätzlich von der Haftung gemäss allgemeinem Auftragsrecht
(Art. 398/99), das nach Art. 425 Abs. 2 und 439 OR in Fällen wie hier auch
für den Speditionsvertrag gilt. Das ist auch dem vom Appellationsgericht
angeführten Urteil des Kantonsgerichtes St. Gallen (SJZ 69/1973 S. 359)
entgegenzuhalten.

    Das Appellationsgericht stützt seine Auffassung vorab auf die eigene
langjährige Praxis. Es irrt aber in der Annahme, das Bundesgericht habe
bisher nicht darüber befunden, ob der Zwischenspediteur als Hilfsperson
nach Art. 101 OR oder als Substitut gemäss Art. 399 OR zu betrachten
sei. Dass der Zwischenspediteur als Substitut zu behandeln ist, hat
das Bundesgericht sinngemäss bereits in den Entscheiden 94 II 207 und
77 II 159 angenommen. Mit Urteil vom 17. Februar 1975 i.S. Danzas AG
gegen Thommen hat es zudem die Meinung der gleichen Vorinstanz, das
Rechtsverhältnis zwischen einem Spediteur und einem von ihm beauftragten
weiteren Spediteur sei als Substitution gemäss Art. 399 Abs. 2 OR zu
werten, ausdrücklich gebilligt. Gewiss war dort der erste Spediteur nach
der Weisung des Verkäufers verpflichtet, einen zweiten beizuziehen. Das
rechtfertigt aber keine Ausnahme und ist dem Urteil vom 17. Februar 1975
auch nicht zu entnehmen. Das Bundesgericht schloss sich darin, wie aus
seinen Hinweisen auf die angeführten Präjudizien und den Kommentar GAUTSCHI
(N. 5 zu Art. 439 OR) erhellt, der Meinung der Vorinstanz im allgemeinen
Sinne an; es nahm keine Rücksicht darauf, dass der Zwischenspediteur
schon nach der Weisung des ersten Auftraggebers einzuschalten war.

    Von dieser allgemeinen Betrachtungsweise abzugehen, besteht
kein Anlass. Sie entspricht nicht nur der Stellung des Spediteurs
gemäss Kommissions- und allgemeinem Auftragsrecht, sondern auch
der Rolle des Zwischenspediteurs, der die ihm übertragene Aufgabe
selbständig erledigt. Sie deckt sich auch mit weiteren Lehrmeinungen
(vgl. OSER/SCHÖNENBERGER, N. 23 zu Art. 439 OR; BECKER, N. 4 und 12
zu Art. 439, ferner N. 13 zu Art. 398 sowie N. 3 und 5 zu Art. 399
OR). Nach der Rolle und Aufgabe des Zwischenspediteurs kann nichts darauf
ankommen, ob der Beauftragte diesen auf Weisung des Verkäufers oder von
sich aus beigezogen hat; massgebend kann nur sein, ob er die Besorgung
des Geschäftes einem Dritten übertragen durfte, der Beizug also erlaubt
war. Dass dies im vorliegenden Fall zu bejahen ist, anerkennt auch das
Appellationsgericht.

    b) Da die Beklagte die Firma Erkelens befugterweise als
Zwischenspediteur eingesetzt hat, haftet sie nach Art. 439 in Verbindung
mit Art. 425 Abs. 2 und 399 Abs. 2 OR nur für gehörige Sorgfalt bei
deren Wahl und Instruktion. Dass sie bei der Wahl unsorgfältig gehandelt
habe, ist weder behauptet noch zu ersehen. Fragen kann sich bloss, ob
ein Instruktionsfehler darin liege, dass die Beklagte die ihrer Pariser
Filiale mitgeteilte Weisung, die Ware nur gegen Bezahlung des Kaufpreises
auszuliefern, nicht auch an den Zwischenspediteur weitergegeben hat. Das
ist zu verneinen. Die Firma Erkelens sollte nur die Beförderung der
Nickelkathoden an die Danzas S.A. Paris veranlassen. Die Beklagte hatte
ihr damit bloss einen Teil des Speditionsgeschäftes übertragen; die
Auslieferung der Ware an die Unimétal behielt sie ihrer Pariser Filiale
vor, was zulässig war (BECKER, N. 3 zu Art. 399 OR). Für die richtige
Ausführung dieses Teilauftrages genügte die klare Weisung, die Ware an die
Danzas S.A. Paris zu senden; denn diese hatte dafür zu sorgen, dass die
Kathoden gemäss Weisung der Klägerin nur gegen Bezahlung an die Unimétal
ausgeliefert würden. Die Beklagte hat ihre Pflichten in der Auswahl und
Instruktion des Zwischenspediteurs erfüllt.

    Damit ist auch dem Versuch der Klägerin, das Verhalten der
Beklagten als Schadensursache auszugeben, weil der Zwischenspediteur
von der "Nachnahmeklausel" keine Kenntnis erhalten habe, die Grundlage
entzogen. Dass die Sendung nur gegen Bezahlung ausgeliefert werden
durfte, brauchte die Firma Erkelens nach der klaren Angabe des Empfängers
Danzas S.A. nicht zu wissen. Ihre schädigenden Handlungen waren zudem
nicht die Folge der erhaltenen Instruktionen, noch waren sie aus dem
Auftrag der Beklagten überhaupt zu erklären. Sie gingen darauf zurück,
dass der Zwischenspediteur sich durch Montalet dazu verleiten liess,
den zunächst richtig ausgefüllten Frachtbrief zu ändern, um den von der
Klägerin angebrachten Vorbehalt über die Auslieferung der Ware umgehen zu
können. Dieses eigenmächtige Vorgehen der Firma Erkelens lief dem Auftrag,
den sie erhalten hatte, stracks zuwider, weshalb weder von einem adäquaten
noch von einem natürlichen Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten der
Beklagten und dem eingetretenen Schaden die Rede sein kann.

Erwägung 2

    2.- Bei diesem Ergebnis kann offen bleiben, ob der blosse Hinweis
der Beklagten auf die Geschäftsbedingungen des Spediteur-Verbandes
(ABSped) nach den Umständen und der Erfahrung der Beteiligten genügte,
um diese Bedingungen zum Inhalt des Vertrages rechnen und der Klägerin
entgegenhalten zu können. Denn auch wenn sie anwendbar wären, würde danach
(Art. 8 Ziff. 3 die Beklagte nicht strenger als nach der gesetzlichen
Ordnung haften.

Entscheid:

             Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird gutgeheissen, das Urteil des Appellationsgerichtes
des Kantons Basel-Stadt vom 7. September 1976 aufgehoben und die Klage
abgewiesen.