Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 103 II 52



103 II 52

7. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 25. Januar 1977 i.S.
Stucki AG, Rieser AG und Kohlund gegen Gribi Regeste

    Einhaltung einer Bauverpflichtung.

    Art. 364 Abs. 2 und Art. 379 Abs. 1 OR. Bei der Vergebung
Von Baumeisterarbeiten kommt es entscheidend auf die persönlichen
Eigenschaften des Unternehmers an (E. 5a). Die Fähigkeit zur persönlichen
Leitung setzt bei einem Bauuntemehmer einen Personalbestand sowie einen
gewissen Geräte- und Maschinenpark voraus. Eine Weitergabe des Auftrages
an Unterakkordanten ist unzulässig (E. 5b). Der Auftrag ist grundsätzlich
mit betriebseigenem Personal zu erfüllen; es dürfen nicht beliebig viele
ausgeliehene Hilfspersonen beigezogen werden (E. 5c).

Sachverhalt

    A.- Otto Gygax verkaufte im Jahre 1961 dem Frederick Charles Liebi die
Parzelle Grundbuchblatt 3680 in der Gemeinde Wohlen. Dabei übernahm Liebi
die obligatorische Verpflichtung, auf dem von ihm gekauften Grundstück
mindestens zwei Wohnblöcke mit Autoreparaturwerkstätte und Tankstelle zu
errichten. Am 23. November 1962 verkaufte Guido Achille Liebi zwei andere
Parzellen an Baumeister Franz Gribi sowie an das Kunststeingeschäft
Bernasconi AG und versprach dabei als Stellvertreter seines Vaters,
Frederick Charles Liebi, dem Käufer Gribi die Erd- und Maurerarbeiten
am geplanten Garagenbau auf Parzelle Grundbuchblatt 3680 zu "loyalen
Konkurrenzpreisen" zu übertragen.

    Am 28. Dezember 1962 verkaufte Vater F.C. Liebi die Parzelle
Grundbuchblatt 3680 an die Lindenmatt AG in Bern. Diese übernahm die
obligatorische Verpflichtung, auf dem Grundstück innert zweier Jahre die
fraglichen Bauten zu errichten und das Bauunternehmen Franz Gribi mit
den diesbezüglichen Erd- und Maurerarbeiten zu beauftragen.

    Im Jahre 1967 wurden infolge einer Änderung des Bebauungsplanes
und des Zonenreglementes für die Gemeinde Wohlen Gewerbebauten auf
der Parzelle Grundbuchblatt 3680 verboten. Gestützt auf die Änderungen
des Zonenreglementes wurde eine Neuparzellierung vorgenommen, wobei das
bisherige Grundstück Nr. 3680 neu die Nummer 1 erhielt. Dieses Grundstück
verkaufte die Lindenmatt AG am 8. Juli 1969 an eine einfache Gesellschaft,
gebildet aus der Architektenfirma Josef Stucki AG, der Bauunternehmung
Rieser AG sowie dem Gipser- und Malermeister Herbert Kohlund. Die
Käufer übernahmen dabei von der Verkäuferin die von dieser eingegangenen
Verpflichtungen bezüglich der Überbauung der früheren Parzelle Nr. 3680
und der Übertragung der entsprechenden Erd- und Maurerarbeiten an Franz
Gribi. In einer weiteren Vertragsbestimmung stellten die Parteien fest,
dass Franz Gribi seine Bauunternehmung nicht mehr führe.

    Die Käufer begannen im Jahre 1971 mit der Überbauung. Als Franz
Gribi dies bemerkte, verlangte er die Übertragung der Baumeisterarbeiten,
jedoch erfolglos.

    B.- Am 11. Januar 1974 erhob Franz Gribi beim Handelsgericht des
Kantons Bern Klage gegen die drei Käufer Josef Stucki AG, Rieser AG und
Herbert Kohlund. Er stellte das Rechtsbegehren, die Beklagten seien zur
Leistung eines gerichtlich zu bestimmenden Betrages über Fr. 8'000.-- nebst
Zins zu 5% seit einem gerichtlich zu bestimmenden Datum zu verurteilen.

    Das Handelsgericht erliess am 9. April 1976 einen selbständigen
Zwischenentscheid im Sinne von Art. 196 Abs. 2 ZPO und stellte fest,
dass der Kläger gegenüber den Beklagten Schadenersatzansprüche aus einer
nicht eingehaltenen Baubindung geltend machen könne.

    C.- Die Beklagten haben die Berufung an das Bundesgericht erklärt. Sie
beantragen Aufhebung des angefochtenen Entscheides und Abweisung der
Klage. Der Kläger beantragt Abweisung der Berufung.

Auszug aus den Erwägungen:

            Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 2

    2.- In tatsächlicher Hinsicht behaupteten die Beklagten vor
Handelsgericht, die Einzelfirma Gribi sei 1965 in die Gribi Bau
AG eingebracht worden, deren Aktien 1969 an die Weiss & Marti AG
übergegangen seien. Im Jahre 1970 sei der Kläger dann Freimitglied des
Baumeisterverbandes geworden, was nur bei Einstellung der Berufstätigkeit
möglich sei. Seither beschäftige er weder Arbeiter noch verfüge er
über Maschinen oder andere Einrichtungen. Die Vorinstanz gibt diese
Behauptungen wieder, ohne ausdrücklich dazu Stellung zu nehmen, geht aber
in den anschliessenden Erwägungen stillschweigend von ihrer Richtigkeit
aus. Vor Bundesgericht ist denn auch nicht mehr streitig, dass der Kläger
1965 sein Baugeschäft in die Gribi Bau AG einbrachte und 1969 vollständig
und endgültig aus dieser ausschied. Es ist deshalb davon auszugehen,
dass der Kläger schon vor 1971 sein Baugeschäft aufgegeben hat.

Erwägung 3

    3.- Die Beklagten haben sich verpflichtet, mit dem Kläger einen
Werkvertrag abzuschliessen. Ob sie an dieses Versprechen seinerzeit
noch gebunden waren, ist deshalb nach den Regeln über den Werkvertrag zu
beurteilen und zwar unbekümmert darum, ob die besagte Vereinbarung als
Vorvertrag (BGE 98 II 307) oder als bedingt abgeschlossener Hauptvertrag
zu betrachten ist (GAUTSCHI, N. 22d zu Art. 365 OR).

Erwägung 4

    4.- Der Prozessausgang hängt davon ab, ob die Bauverpflichtung
bereits dahingefallen war, als die Beklagten im Jahre 1971 mit den
Bauarbeiten begannen. Als Rechtsgrund für eine solche Beendigung des
Vertragsverhältnisses kommt Art. 364 Abs. 2 OR, wonach der Unternehmer
verpflichtet ist, das Werk persönlich auszuführen oder unter seiner
persönlichen Leitung ausführen zu lassen, nicht in Betracht. Verstösst ein
Unternehmer gegen diese ihm obliegende Pflicht zur persönlichen Ausführung
oder Leitung der Herstellungsarbeiten, so kann dies vom Besteller nur
im Verfahren nach den Art. 107 bis 109 OR zum Anlass eines Rücktrittes
genommen werden. Die Beklagten behaupten aber nicht einmal, den Rücktritt
je erklärt zu haben. Es braucht deshalb nicht untersucht zu werden, ob
von einer Fristansetzung gestützt auf Art. 108 OR hätte Umgang genommen
werden dürfen, wie sie dies vortragen lassen.

Erwägung 5

    5.- a) Nach Art. 379 Abs. 1 OR erlischt bei Tod oder Unfähigkeit
des Unternehmers das Vertragsverhältnis ohne weitere Vorkehren des
Bestellers von Gesetzes wegen, sofern der Vertrag mit Rücksicht auf
die persönlichen Eigenschaften des Unternehmers eingegangen war. Für
die Frage, ob letztere Voraussetzung gegeben ist, ist der Umstand, dass
die Beklagten den Kläger nicht als Unternehmer auswählten, sondern die
Vertragsbestimmungen zu seinen Gunsten als Belastung der neuerworbenen
Liegenschaft in Kauf nahmen, nicht von massgebender Bedeutung. Entscheidend
ist, ob es nach der Natur des Geschäftes auf persönliche Eigenschaften
ankommt. Dies ergibt sich für den Werkvertrag grundsätzlich schon aus
Art. 364 Abs. 2 OR, wonach der persönliche Charakter der Verpflichtung
im Unterschied zu der allgemeinen Regel von Art. 68 OR vermutet wird.

    Bei der Vergebung von Baumeisterarbeiten spielen die persönlichen
Eigenschaften des Unternehmers jeweils eine entscheidende Rolle, kommt
es doch dabei nicht allein darauf an, welches Angebot am preisgünstigsten
ist, sondern ebensosehr auf die Beurteilung des Unternehmers hinsichtlich
seiner Leistungsfähigkeit und Qualität, seiner Zuverlässigkeit und
Zahlungsfähigkeit. Vorliegend steht somit ein Vertrag in Frage, der mit
Rücksicht auf die persönlichen Eigenschaften des Klägers eingegangen wurde;
Art. 379 Abs. 1 OR ist deshalb grundsätzlich anwendbar.

    b) Der Untergang der streitigen Bauverpflichtung hängt mithin davon ab,
ob der Kläger im Sinne von Art. 379 Abs. 1 OR zur Vollendung des Werkes
unfähig wurde. Von Bedeutung ist dabei im Lichte des Art. 364 Abs. 2 OR die
Fähigkeit zur persönlichen Leitung der Herstellungsarbeiten. Dazu gehört
jedoch mehr als nur die berufliche Qualifikation durch Baumeisterdiplom
und langjährige Erfahrung, wie die Vorinstanz annimmt. Persönliche Leitung
umfasst unter anderem die Organisation der Arbeit, die Bereitstellung
der personellen und materiellen Mittel, aber auch die Anleitung der
Hilfspersonen und die Überwachung der Arbeiten (GAUTSCHI, N. 11c zu
Art. 364 OR). All dies setzt bei einem Bauunternehmer einen Personalbestand
sowie einen gewissen Geräte- und Maschinenpark voraus.

    Unzulässig wäre - entgegen der Auffassung der Vorinstanz - eine
Weitergabe des Auftrages an Unterakkordanten (GAUTSCHI, N. 11b und 17c
zu Art. 364 OR): Wer für Bauarbeiten einen Unternehmer mit Rücksicht
auf die Qualität seiner Arbeit auswählt, wird sich in der Regel die
Ausführung durch Unterakkordanten unabhängig davon verbitten, ob der
Unternehmer selbst für auftretende Mängel ebenfalls einzustehen hat. Bei
einer Weitervergebung der Arbeiten an Unterakkordanten würde sich für ihn
zudem der Umstand besonders gefahrvoll auswirken, dass diese wegen ihres
Anspruches auf ein Bauhandwerkerpfandrecht allenfalls nochmalige Zahlung
für die gleiche Arbeit erlangen können (BGE 95 II 87). Die Weitergabe des
Auftrages an Unterakkordanten muss daher im vorliegenden Falle auch als
Weg zur Vollendung des Werkes im Sinne von Art. 379 Abs. 1 OR ausscheiden.

    c) Der Kläger macht überdies geltend, er hätte zur Durchführung der
Bauarbeiten vorübergehend Personal einstellen oder mieten können. Abgesehen
davon, dass dieser offensichtlich nie die Absicht hatte, im Hinblick
auf einen einzigen Bauauftrag wieder ein Baugeschäft aufzubauen, hätte
den Beklagten nicht zugemutet werden können, eine solche doch einige
Zeit beanspruchende Entwicklung abzuwarten. Aber auch der Versuch, den
Auftrag mit geliehenem Personal und geliehenen Maschinen und Geräten zu
bewältigen, wäre mit Bundesrecht nicht vereinbar. Die Übertragung von
Bauarbeiten ist nämlich eine ausgesprochene Vertrauenssache. Überträgt
man einem Unternehmer, der ein Baugeschäft betreibt, solche Arbeiten,
so darf man davon ausgehen, dass er bei der Ausführung dieser Arbeiten
bestrebt sein wird, den Ruf seines bestehenden Unternehmens zu wahren
oder gar zu mehren. Ein solches Interesse hat derjenige Unternehmer,
der auf einen einmaligen Gelegenheitsauftrag hin das notwendige Personal
und die erforderlichen Gerätschaften mühsam zusammensuchen muss, nun
gerade nicht. Wenn Art. 364 Abs. 2 OR sich mit blosser persönlicher
Leitung begnügt, will das nicht einen Werkvertrag, bei dem es auf
persönliche Eigenschaften des Unternehmers ankommt, dieses persönlichen
Charakters entkleiden, sondern lediglich Lagen Rechnung tragen, wo,
wie bei Bauarbeiten, persönliche Ausführung ausser Betracht fällt, weil
der Auftrag die Möglichkeiten eines einzelnen Handwerkers übersteigt. Der
Unternehmer kann deshalb zur Erfüllung seines Auftrages die erforderlichen
Hilfspersonen beiziehen, wobei dies aber nicht beliebig ausgeliehene
Hilfspersonen sein dürfen. Vielmehr muss es sich dabei - wenigstens dem
Grundsatze nach - um betriebseigenes Personal handeln (vgl. GAUTSCHI,
N. 11a zu Art. 364 OR). Nur eine arbeitsvertragliche Unterordnung, wie sie
sich im Verhältnis von Arbeitgeber zu Arbeitnehmer findet, stellt eine
ausreichende persönliche Leitung sicher. Wenn es auch unter Umständen
unerlässlich und zulässig sein mag, zur Bewältigung eines Auftrages
einzelne Hilfskräfte leihweise - z.B. als Akkordgruppe - zuzuziehen,
so erlaubt dies noch nicht, den gesamten Auftrag mit einem solchen
fragwürdigen Mitarbeiterbestand auszuführen. Der Kläger hätte somit aus
rechtlichen Gründen auch auf diese Weise seinen vertraglichen Pflichten
nicht nachkommen können.

    d) Aus all dem ergibt sich, dass der Kläger auf Grund der dargelegten
Umstände im Sinne von Art. 379 Abs. 1 OR zur Vollendung des Werkes
unfähig war. Nicht erforderlich ist etwa, dass der Kläger persönlich
arbeitsunfähig wurde, wie er vorbringen lässt. Eine Geschäftsaufgabe,
wie sie hier vorliegt, muss genügen, wenn der Unternehmer sich mit
dieser der Möglichkeit zu der ihm obliegenden persönlichen Ausführung
oder persönlichen Leitung der Herstellungsarbeiten begibt. Nach seinem
Wortlaut erfasst Art. 379 OR zwar nur jene Fälle, wo der Unternehmer
"ohne seine Schuld" zur Vollendung des Werkes unfähig wird. Dies ist
selbstverständlich dann nicht der Fall, wenn er sein Geschäft aus freiem
Entschluss aufgibt. Indessen ist diese Unterscheidung nur im Hinblick auf
die besondere Entschädigungsregelung von Abs. 2 bedeutsam. Die Befugnis
des Bestellers, sich in einem Falle wie dem vorliegenden auf Beendigung des
Vertragsverhältnisses wegen Unfähigkeit des Unternehmers zu berufen, kann
nicht davon abhangen, dass diesen kein Verschulden trifft (vgl. BECKER,
N. 7 zu Art. 379). Es entspricht übrigens den allgemeinen Bestimmungen
der Art. 97 und 119 OR, dass nachträgliche Unmöglichkeit der Leistung
die gesamte Obligation erlöschen lässt.

    Der Kläger, der sein Baugeschäft schon vor dem Jahre 1971 aufgegeben
hat, konnte somit von den Beklagten nicht verlangen, dass sie ihn
entsprechend der von ihren Rechtsvorgängern übernommenen vertraglichen
Verpflichtung mit den Baumeisterarbeiten betrauen würden.

Entscheid:

             Demnach erkennt das Bundesgericht:

    In Gutheissung der Berufung wird der Entscheid des Handelsgerichts
des Kantons Bern vom 9. April 1976 aufgehoben und die Klage abgewiesen.