Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 103 II 277



103 II 277

47. Urteil der I. Zivilabteilung vom 29. November 1977 i.S. Vogel gegen
Ebreichsdorfer Industrie GmbH Regeste

    Agenturvertrag, Entschädigung für die Kundschaft.

    1. Art. 418b Abs. 2 OR. Anwendung schweizerischen Rechts, wenn der
Agent in der Schweiz tätig ist (E. 1).

    2. Art. 418u Abs. 1 OR. Anspruch des Agenten auf Entschädigung für
die Erweiterung des Kundenkreises; Natur der Entschädigung; Beweislast
des Agenten (E. 2).

    3. Voraussetzungen der Entschädigung, insbesondere bei teilweiser
Konkurrenzierung des früheren Auftraggebers durch den Agenten. Begriff
des erheblichen Vorteils; Anforderungen an den Beweis (E. 3 und E. 4).

    4. Umstände, die einen Anspruch auf Entschädigung als unbillig
erscheinen lassen und solche, die ihn nicht ausschliessen (E. 5).

Sachverhalt

    A.- Hans Jürg Vogel vertrieb seit 1963 in der Schweiz
Kleidungsstücke, insbesondere Regenmäntel und Skijacken, welche die
Firma Boehm in Ebreichsdorf (Österreich) nach Schnitten und Modellen
ihrer Muttergesellschaft Val. Mehler AG, Fulda, in Lizenz herstellte
und unter der Marke "Valmeline" auf den Markt bringen liess. Vogel war
während Jahren für beide Gesellschaften tätig.

    Im Sommer 1973 verkaufte die Val. Mehler AG ihre Mehrheitsbeteiligung
an der Firma Boehm, die sich daraufhin "Ebreichsdorfer Industrie GmbH"
nannte. Diese teilte Vogel im März 1974 mit, dass der Lizenzvertrag
über die Marke "Valmeline" am Ende des Jahres ablaufe und die Marke
dann nur noch von der Val. Mehler AG gebraucht werde. Sie fügte bei,
dass sie ihm ab Frühjahr 1975 ihre eigenen Erzeugnisse unter der neuen
Marke "Viennaline" zum Verkaufe übertrage, das Vertragsverhältnis aber
als beendet betrachte, wenn er weiterhin die Produkte der Val. Mehler AG
vertreiben wolle. Vogel weigerte sich mit Schreiben vom 15. April 1974,
diesen Vertrieb aufzugeben, den er seit 1961 in der Schweiz aufgebaut habe;
da sein Vertragsverhältnis mit der Industrie GmbH somit 1974 aufhöre,
erhebe er Anspruch auf eine Entschädigung für die Kundschaft.

    Die Industrie GmbH lehnte den Anspruch ab; sie hätte sich ausnahmsweise
mit einer Doppelvertretung abfinden können, womit die Val. Mehler
AG aber nicht einverstanden war. Sie bat daher Vogel nochmals, sich
entweder für ihre Erzeugnisse oder für diejenigen der Konkurrenzfirma zu
entscheiden. Vogel antwortete ihr am 24. Mai 1974, dass er seine Tätigkeit
für die Val. Mehler AG unmöglich aufgeben könne und wegen der Auflösung des
Vertragsverhältnisses mit ihr eine Abgangsentschädigung von Fr. 60'000.--
verlange. Die Industrie GmbH ging darauf nicht ein, sondern teilte ihrer
Kundschaft in der Schweiz durch ein Rundschreiben vom 7. August 1974 mit,
dass sie nun selbständige Wege gehe und ihre eigene Kollektion durch
einen andern Vertreter vertreiben lasse.

    B.- Am 5. September 1974 erreichte Vogel, dass ein Guthaben der
Ebreichsdorfer Industrie GmbH in Zürich verarrestiert wurde. Gestützt
auf den Arrest liess er die Gesellschaft am 23. September betreiben und,
als sie Rechtsvorschlag erhob, am 11. Oktober 1974 gegen sie auf Zahlung
von Fr. 60'000.-- nebst Arrest- und Betreibungskosten klagen. Er verlangte
zudem, dass ihm in der Betreibung Nr. 6921 des Betreibungsamtes Zürich
4 vom 23. September 1974 definitive Rechtsöffnung gewährt werde.

    Das Bezirksgericht Zürich und auf Appellation hin am 12. April 1977
auch das Obergericht des Kantons Zürich, vor dem der Kläger seine Forderung
auf Fr. 37'200.-- herabsetzte, wiesen die Klage ab. Das Obergericht ging
von einem Agenturvertrag gemäss Art. 418a ff. OR aus und stellte fest, dass
der Kläger den Kundenkreis der Beklagten durch seine Tätigkeit wesentlich
erweitert habe, nach Beendigung des Vertrages aber weiterhin im Interesse
der Val. Mehler AG tätig gewesen sei; aus dieser Geschäftsbeziehung ergebe
sich kein erheblicher Vorteil für die Beklagte, weshalb eine Entschädigung
gemäss Art. 418u OR entfalle.

    Der Kläger führte gegen das Urteil des Obergerichts
Nichtigkeitsbeschwerde, die vom Kassationsgericht des Kantons Zürich am
13. September 1977 abgewiesen wurde, soweit darauf einzutreten war.

    C.- Der Kläger hat ausserdem die Berufung an das Bundesgericht
erklärt. Er beantragt, das Urteil des Obergerichtes aufzuheben und seine
Klage gutzuheissen oder die Sache zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz
zurückzuweisen.

    Die Beklagte beantragt, die Berufung abzuweisen und das angefochtene
Urteil zu bestätigen.

Auszug aus den Erwägungen:

            Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die Parteien unterstellten ihre Rechtsbeziehungen den Bestimmungen
über den Agenturvertrag. Nach dem angefochtenen Urteil wollten sie
damit klar machen, dass der Kläger nicht als Handelsreisender, d.h.
Angestellter der Beklagten, sondern selbständig tätig sein sollte.

    Da die Beklagte ihren Sitz in Österreich hat, stellt sich jedoch
auch die Frage nach dem international anwendbaren Recht; sie ist vom
Bundesgericht auf Berufung hin von Amtes wegen zu prüfen (BGE 100
II 20 und 205 mit Hinweisen). Massgebend ist dafür, dass sich das
Tätigkeitsgebiet des Klägers in der Schweiz befand (Art. 418b Abs. 2 OR
und dazu SCHÖNENBERGER/JÄGGI, OR Allg. Einleitung N. 284 und 297). Es ist
deshalb schweizerisches Recht anzuwenden, was übrigens von keiner Seite
bestritten wird.

Erwägung 2

    2.- Nach Art. 418u Abs. 1 OR kann der Agent eine Entschädigung für die
Erweiterung des Kundenkreises beanspruchen, wenn dem Auftraggeber oder
dessen Rechtsnachfolger aus der Geschäftsverbindung mit der geworbenen
Kundschaft auch nach der Auflösung des Vertragsverhältnisses erhebliche
Vorteile erwachsen. Die Entschädigung ist entgegen der Auffassung des
Klägers kein nachträgliches Entgelt für Leistungen des Agenten während
der Vertragsdauer, sondern ein Ausgleich für einen Geschäftswert, den der
Auftraggeber nach Beendigung des Vertrages weiter nutzen kann. Dadurch
unterscheidet sie sich denn auch von der Abgangsentschädigung des
Arbeitnehmers nach Art. 339b OR. Der Anspruch auf eine Vergütung gemäss
Art. 418u OR setzt dagegen nicht voraus, dass die wirtschaftliche Existenz
des Agenten infolge der Vertragsauflösung gefährdet sei; es genügt, dass
das Vertragsverhältnis nicht aus Gründen, die der Agent zu vertreten hat,
beendet worden und der Anspruch auch sonst nicht unbillig ist (BGE 84 II
531 E. 1).

    Die Vorinstanz führt zunächst aus, dass und warum der Kläger die
Auflösung des Agenturverhältnisses nicht zu verantworten hat und eine
wesentliche Erweiterung des Kundenkreises durch seine Bemühungen bis Ende
1974 anzunehmen ist. Die Beklagte hält dem entgegen, dass es schon an
einer durch den Kläger geworbenen Kundschaft fehle. Damit versucht sie
Indes, tatsächliche Feststellungen des Obergerichtes in unzulässiger
Weise anzufechten. Die Vorinstanz folgert aus den stetig gewachsenen
Umsätzen und Provisionen des Klägers, dass dieser während Jahren intensiv
im Interesse der Beklagten gearbeitet, deren Kundenkreis in der Schweiz
seit 1963 ständig vergrössert und bis zu seinem Ausscheiden im Jahre
1974 rund 200 regelmässige Kunden geworben habe. Das ist Beweiswürdigung,
die das Bundesgericht bindet.

    Bei dieser Sachlage ist auch nicht zu beanstanden, dass die Zahl der
geworbenen Kunden und die ständig gestiegenen Umsätze nach der Auffassung
des Obergerichtes die Vermutung begründen, der Beklagten sei daraus
auch nach Auflösung des Agenturverhältnisses ein erheblicher Vorteil
erwachsen. Entgegen der Annahme der Vorinstanz und des Klägers darf man
diesfalls aber nicht so weit gehen, dem Auftraggeber geradezu den Beweis
des Gegenteils aufzuerlegen. Wo das Gesetz es nicht anders bestimmt,
hat vielmehr derjenige das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache zu
beweisen, der aus ihr Rechte ableitet (Art. 8 ZGB). Dem Agenten obliegt
daher der Beweis dafür, dass die Voraussetzungen seines Anspruches erfüllt
sind; er hat nicht nur die Erweiterung des Kundenkreises, sondern auch den
Vorteil darzutun, der sich daraus für den Auftraggeber ergibt (GAUTSCHI,
N. 3d zu Art. 418u OR). Die irrtümliche Annahme der Vorinstanz wirkte sich
hier indes nicht zum Nachteil der Beklagten aus, da diese die Vermutung
nach Auffassung des Obergerichtes widerlegt hat.

    Die Vorinstanz führt sodann aus, die Entschädigung des Agenten für
die Kundschaft könne nicht davon abhangen, ob der Auftraggeber den ihm
verbleibenden Vorteil auch wirklich wahrnehmen will, da er den Agenten
nicht um seinen Anspruch prellen dürfe. Das ist an sich richtig. Im
vorliegenden Fall wird indes nicht behauptet, dass die Beklagte darauf
ausgegangen sei, dem Kläger die Entschädigung vorzuenthalten. Die
Beklagte beruft sich auch nicht auf betriebliche Veränderungen oder
andere wirtschaftliche Gründe, die allenfalls einen Verzicht auf
Nutzung der Kundschaft rechtfertigen könnten (Kommentar BAUMBACH-DUDEN,
Handelsgesetzbuch, 22. Aufl. S. 329 zu § 89b HGB, der inhaltlich dem
Art. 418u OR entspricht; G. H. LEISS, Der Anspruch des Agenten auf
Entschädigung für die Kundschaft in rechtsvergleichender Darstellung,
Diss. Bern 1965, S. 260). Streitig und entscheidend ist vielmehr, ob
die Beklagte den Kundenstock weiterhin zu ihren Gunsten nutzen konnte,
wenn sie das wollte.

Erwägung 3

    3.- Obschon seine Feststellungen für einen bleibenden erheblichen
Vorteil zugunsten der Beklagten sprechen, gelangt das Obergericht zum
Schluss, dass von einem solchen Vorteil nicht die Rede sein könne. Es
begründet seine Auffassung insbesondere damit, dass der Kläger seit
der Vertragsauflösung im Jahre 1974 die Erzeugnisse der Val. Mehler
AG weiterhin unter der Marke "Valmeline" vertreibe, damit die gleichen
Kunden bediene und die Beklagte konkurrenziere. Der Kläger hält dagegen
daran fest, dass der Beklagten aus der Geschäftsverbindung mit der von
ihm gewonnenen Kundschaft ein dauernder erheblicher Vorteil entstanden sei.

    a) Die Vorinstanz geht zu Recht davon aus, dass ein Vorteil im
Sinne von Art. 418u Abs. 1 OR nur anzunehmen ist, wenn der vom Agenten
geworbene Kundenkreis dem Auftraggeber sehr wahrscheinlich treu bleibt
und seinen Bedarf weiterhin bei diesem deckt (BGE 84 II 166; BIDEAU, in
SJK 585 S. 13; LEISS, aaO S. 129 und 259; BURNAND, Le contrat d'agence
et le droit de l'agent d'assurance à une indemnité de clientèle, Thèse
Lausanne 1977, S. 103 und 115). Auch muss es sich dabei um Waren eines
wiederkehrenden Bedarfs handeln, was das Obergericht im Verhältnis zwischen
dem Hersteller der Textilerzeugnisse und dessen Grosskunden ebenfalls
bejaht (BGE 84 II 536). Der Vorinstanz ist auch darin beizupflichten,
dass ein Vorteil zu verneinen ist, wenn der Agent den Kundenstamm im
Falle einer neuen Vertretung in der gleichen Branche beibehalten, ihn
also weiterhin selbst nutzen kann (LEISS, aaO S. 130 und 260; BURNAND,
aaO S. 103 und 116; BAUMBACH-DUDEN, aaO S. 329).

    Der Kläger bestreitet dies an sich nicht, hält entgegen der Annahme
des Obergerichtes aber nicht für entscheidend, ob der Vertreter diesfalls
seinen früheren Auftraggeber konkurrenziere, weil die Erwerbsmöglichkeiten
des Agenten sonst stark eingeschränkt würden. Einem Agenten für
Textilerzeugnisse könne nicht zugemutet werden, von einem Tag auf den
andern die Branche zu wechseln, nur um die Entschädigung zu erhalten. Aus
Art. 418d Abs. 2 OR erhelle denn auch, dass das Konkurrenzverbot und die
Kundschaftsentschädigung ganz allgemein auseinanderzuhalten seien.

    Nach dieser Bestimmung hat der Agent für den Fall, dass schriftlich
ein Konkurrenzverbot vereinbart worden ist, in der Tat einen unabdingbaren
Anspruch auf ein angemessenes besonderes Entgelt, was allerdings nicht
heisst, er dürfe zugleich noch eine Kundschaftsentschädigung verlangen
(GAUTSCHI, N. 5d und 6d zu Art. 418d OR; LEISS, aaO S. 280; BURNAND, aaO
S. 103). Wenn die Parteien jedoch wie hier kein solches Verbot vorsehen,
bleibt es dem Agenten überlassen, ob er seinen früheren Auftraggeber nach
der Vertragsauflösung konkurrenzieren will. Er kann z.B. altershalber
seine Erwerbstätigkeit aufgeben, den Beruf, die Branche oder auch nur sein
Vertretergebiet wechseln und damit eine Konkurrenzierung vermeiden. Er
kann aber auch eine neue Vertretung in der gleichen Branche und im
gleichen Gebiet übernehmen, die gewonnene Kundschaft also selber weiter
bedienen. Diesfalls bietet die Kundschaft keine erheblichen Vorteile
mehr für seinen früheren Auftraggeber, der ihm folglich nach dem Sinn und
Wortlaut des Gesetzes auch keine Kundschaftsentschädigung zu bezahlen hat.

    b) Der Kläger wendet ein, dass die Konkurrenzierung im vorliegenden
Fall nicht berücksichtigt werden dürfe, weil er nicht eine neue Tätigkeit
übernommen habe, sondern die Vertretung der Val. Mehler AG weiterführe,
die er neben derjenigen der Beklagten schon während Jahren innegehabt habe;
er habe nach erfolglosem Bemühen, die Doppelvertretung beizubehalten,
sich verständlicherweise für die deutsche Firma entschieden.

    Letzteres ist unerheblich, geht doch auch die Vorinstanz davon
aus, dass der Kläger die Vertragsauflösung nicht zu verantworten hat
(Art. 418u Abs. 3 OR). Das Obergericht hält zudem mit Recht für
unbeachtlich, dass das Konkurrenzverhältnis schon durch die frühere
Doppelvertretung vorgezeichnet war. Hätte der Kläger seine Tätigkeit
für beide Firmen aufgegeben, so hätten gegebenenfalls beide eine
Kundschaftsentschädigung zahlen müssen. Da er sich für die Val. Mehler
AG entschloss, fehlt jede innere Rechtfertigung dafür, dass die Beklagte
einen Teil der Kundenentschädigung auf die deutsche Firma hätte abwälzen
sollen. Entscheidend kann nur sein, ob der Beklagten aus der Kundenwerbung
des Klägers auch nach Vertragsauflösung ein erheblicher Vorteil verbleibt
oder ob der Vorteil nun durch seine ausschliessliche Tätigkeit für
die Val. Mehler AG aufgehoben oder bedeutungslos wird. Auch wer für
mehrere Firmen tätig ist, hat als Agent nur insoweit Anspruch auf eine
Kundenentschädigung, als dem Auftraggeber tatsächlich ein solcher Vorteil
erwächst (GAUTSCHI, N. 5c zu Art. 418u OR).

Erwägung 4

    4.- Es ist daher nicht zu beanstanden, dass das Obergericht bei
Anwendung von Art. 418u OR danach geforscht hat, wieweit der Kläger die
Beklagte bei dem von ihm geworbenen Kundenkreis seit der Vertragsauflösung
konkurrenziert. Streitig ist denn auch bloss, ob der Beklagten trotz der
Konkurrenzierung noch ein erheblicher Vorteil verbleibt.

    a) Die Beklagte wendet ein, die Vorinstanz habe diese Frage
gestützt auf tatsächliche Feststellungen, welche das Bundesgericht
binden, verneint. Das trifft an sich zu, zumal dem Obergericht weder
ein offensichtliches Versehen noch eine Verletzung bundesrechtlicher
Beweisvorschriften vorgeworfen wird. Vom Bundesgericht zu prüfen ist
dagegen, ob die Vorinstanz aus den festgestellten Tatsachen rechtlich
zutreffende Schlüsse gezogen oder den Rechtsbegriff des erheblichen
Vorteils verkannt habe.

    Nach der Annahme des Obergerichts ist mit Bezug auf Kleidungsstücke,
welche die Beklagte früher in Lizenz herstellte, ein verbleibender Vorteil
zum vorneherein zu verneinen. Dies leuchtet ein, da die Kundschaft, die
der Kläger bisher für die Beklagte, aber unter der Marke und nach Modellen
und Schnitten der Val. Mehler AG bedient hat, aller Wahrscheinlichkeit
nach dem Kläger treu geblieben ist. Dass sie sich an den neuen Agenten
der Beklagten gehalten habe, ist umsoweniger zu vermuten, als diese unter
einer neuen Marke neue Erzeugnisse vertreiben liess; insoweit handelte
es sich denn auch, wie die Vorinstanz richtig annimmt, um einen neuen
Anfang für die Beklagte. Als Anspruchsgrundlage kommt daher nach dem
angefochtenen Urteil nur in Betracht, dass die Beklagte daneben entgegen
ihrer Behauptung weiterhin auch Erzeugnisse ihrer erfolgreichen eigenen
Linie vertreiben liess. Dadurch blieb ihr ein bedeutsamer Vertriebsbereich
erhalten, in dem sie sich an den bisherigen Kundenkreis wenden konnte.

    b) Obschon das Obergericht darin grundsätzlich einen erheblichen
Vorteil erblickt, hält es für entscheidend, dass die Beklagte in
diesem Bereiche seit 1974 vom Kläger konkurrenziert wird, auch wenn die
Erzeugnisse der beiden Firmen verschieden seien. Zwar habe der Kläger
den von ihm geworbenen Kundenkreis nicht für sich allein; da sich beide
Parteien an die gleichen Kunden wandten, ergebe sich indes zwangsläufig
eine gegenseitige Konkurrenzierung, weshalb der Auftraggeber den vom
Agenten gewonnenen Kundenkreis nicht mehr ungehindert benutzen und sein
Vorteil nicht mehr als erheblich bezeichnet werden könne.

    Ein erheblicher Vorteil ("notevole profitto", "profit effectif") liegt
vor, wenn der Nutzen wirtschaftlich ins Gewicht fällt (LEISS, aaO S. 131
und 163; BURNAND, aaO S. 114 Anm. 14). Wie es sich damit hier verhält,
kann nach den Feststellungen der Vorinstanz weder im einen noch im andern
Sinne verlässlich beurteilt werden. Im angefochtenen Urteil ist bald von
einer "gewissen", bald von einer "teilweisen" Konkurrenzierung die Rede,
wobei der Beklagten nicht etwa keine Vorteile verblieben, sie nicht jeder
Nutzung des Kundenstammes beraubt sei. Gewiss dürfen die Anforderungen
an den Nachweis eines bleibenden Nutzens nicht überspannt werden (BGE
84 II 541; GAUTSCHI, N. 3c und 3d zu Art. 418u OR). Das enthebt den
Richter jedoch nicht der Pflicht, sich mit den tatsächlichen Verhältnissen
soweit möglich und zumutbar auseinanderzusetzen und darzutun, warum ein
erheblicher Vorteil zu bejahen oder zu verneinen ist (GAUTSCHI, N. 3d zu
Art. 418u OR; vgl. BGE 98 II 37, 97 II 218 mit Hinweisen).

    Eine Auseinandersetzung mit der Frage, wie stark die Beklagte in
bezug auf Eigenprodukte durch die vom Kläger weiterhin unter der Marke
"Valmeline" vertriebenen Erzeugnisse konkurrenziert wird, mag schwierig
sein; immerhin liesse sich auch das besser abschätzen, wenn feststände,
wieweit die Kollektionen übereinstimmen. Möglich und zumutbar sind
dagegen genauere Angaben über den Umsatz bis zur Vertragsauflösung. Das
angefochtene Urteil enthält zwar Zahlen über den gesamten jährlichen
Umsatz des Klägers, sagt dagegen nicht, wieviel davon auf die
Lizenzfabrikation der Beklagten und wieviel auf ihre Eigenproduktion
entfiel. Die Vorinstanz begnügt sich mit der unbestimmten Wendung, dass
es sich bei dieser Produktion um einen "wesentlichen Vertriebsbereich"
gehandelt habe. Hier sind genauere Feststellungen unerlässlich, zumal
der Beklagten nur im Bereiche der Eigenproduktion ein Vorteil erwachsen
konnte. Entfiel der vom Kläger für die Beklagte erzielte Umsatz nur zum
geringen Teil auf Eigenprodukte, so ist ein erheblicher Vorteil selbst
dann zu verneinen, wenn die Konkurrenzierung durch "Valmeline"-Artikel
vernachlässigt werden kann. Je grösser jedoch der Anteil dieser Produkte
an den jährlichen Umsätzen war, desto eher erwuchs der Beklagten daraus
nach Vertragsauflösung ein erheblicher Vorteil. Dieser könnte dann nicht
ohne nähere Prüfung wegen Konkurrenzierung durch die neue Tätigkeit
des Klägers verneint werden. Wenn sich die Eigenartikel der Beklagten
früher neben den gleichzeitig vertriebenen "Valmeline" Waren halten und
durchsetzen konnten, ist jedenfalls nicht im vorneherein anzunehmen,
dass dies später nicht mehr zutraf.

Erwägung 5

    5.- Solche Weiterungen können unterbleiben, wenn der streitige Anspruch
schon deshalb zu verneinen ist, weil er im Sinne von Art. 418u Abs. 1
OR als unbillig erscheint. Diese Frage wird im angefochtenen Urteil offen
gelassen, von der Beklagten aber bejaht.

    Es ist umstritten, ob der Richter deswegen eine im übrigen begründete
Entschädigung verweigern oder bloss herabsetzen darf; letzteres wird
namentlich von GAUTSCHI (N. 4 zu Art. 418u OR) befürwortet (vgl. auch
FEHR, in ZSR 69/1950 S. 19; LEISS, aaO S. 134 und 265; BURNAND, aaO
S. 117; BIDEAU, aaO S. 14). Die Frage braucht im vorliegenden Fall nur
entschieden zu werden, wenn nach den Vorbringen der Beklagten, welche
dafür beweispflichtig ist, eine Unbilligkeit zu bejahen ist.

    In Betracht kommen dafür namentlich Umstände, wie besonders hohe
Vergütungen während des früheren Vertragsverhältnisses, dessen lange Dauer
oder besonders günstige Fürsorgeleistungen des früheren Arbeitgebers
(BGE 84 II 533 und 541 sowie das hiervor angeführte Schrifttum). Was
die Beklagte vorbringt, fällt nicht darunter. Dass der Kläger seine
Tätigkeit für die Val. Mehler AG uneingeschränkt weiterführen konnte,
macht eine Entschädigung nicht unbillig; diese ist nicht Ersatz für
Verdienstausfälle des Agenten, sondern ein Ausgleich für Vorteile, die dem
Auftraggeber verbleiben. Das ist schon bei der Ermittlung der Vorteile zu
berücksichtigen und fällt daher unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit
ausser Betracht. Aus dem gleichen Grund geht auch der Einwand fehl, der
Kläger käme in den Genuss einer doppelten Abgangsentschädigung, wenn sein
Agenturverhältnis mit der Val. Mehler AG aufgelöst würde. Diesfalls könnte
der Kläger eine weitere Entschädigung nur für die Kundschaft beanspruchen,
die er mit "Valmeline"-Artikeln bedient; daraus entsteht der Beklagten
aber kein Vorteil, folglich auch keine Pflicht zur Entschädigung.

Entscheid:

             Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird teilweise gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts
(I. Zivilkammer) des Kantons Zürich vom 12. April 1977 aufgehoben und
die Sache zur neuen Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz
zurückgewiesen.