Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 103 II 186



103 II 186

32. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 6. Oktober 1977 i.S.
Hochstrasser gegen Victoria Feuer-Versicherungs-AG Regeste

    Erwerb einer gestohlenen Sache; Art. 934 ZGB.

    Der Käufer einer beweglichen Sache, der weiss, dass diese dem
Berechtigten gestohlen wurde, ist bösgläubig und hat auch dann keinen
Anspruch auf Vergütung des für die herauszugebende Sache bezahlten Preises,
wenn der Veräusserer guten Glaubens war.

Sachverhalt

    A.- Die Firma Kapsreiter & Koch hatte bei der Victoria
Feuer-Versicherungs-AG (im folgenden Victoria Feuer genannt) einen
Personenwagen Mercedes 280 SE gegen Diebstahl versichert, der in der Nacht
vom 20. auf den 21. Juli 1974 in Italien aus einer Hotelgarage gestohlen
wurde. Der Wagen gelangte in der Folge über einen Mailänder namens Gaetano
Nicolasi in die Schweiz, wo er vom Automobilhändler Job erworben wurde.
Dieser verkaufte ihn am 25. Juli 1974 an Henri Hüni weiter, der in Zürich
eine Garage betreibt und ebenfalls mit Automobilen handelt. Einige Tage
später teilte Job Hüni mit, er habe erfahren, dass der Mercedes gestohlen
sei. Hüni versuchte umsonst, Job zur Rücknahme des Fahrzeuges zu bewegen,
das er schliesslich zum Preis von Fr. 30'000.-- Arnold Hochstrasser
verkaufte. In Ziffer 8 des Kaufvertrages vom 19. August 1974 wurde
folgendes festgehalten:

    "Der Käufer hat Kenntnis davon, dass das von ihm gekaufte

    Automobil gestohlen gemeldet ist. Er verzichtet gegenüber dem

    Verkäufer auf sämtliche Schadenersatz-Ansprüche unter allen

    Titeln."

    In der Folge kamen Hochstrasser und die Victoria Feuer als
Rechtsnachfolgerin der Geschädigten, der sie den Schaden inzwischen
ersetzt hatte, überein, den Erlös von Fr. 28'000.--, der beim zwischen
ihnen vereinbarten Verkauf des Wagens erzielt worden war, bei der
Schweizerischen Kreditanstalt auf einem Sperrkonto zu deponieren. Sie
legten fest, dass der Betrag dem gemäss einem Gerichtsurteil oder einem
Vergleich Berechtigten auszuzahlen sein werde.

    Am 14. Oktober 1975 leitete die Victoria Feuer beim Bezirksgericht
Zürich gegen Arnold Hochstrasser Klage ein mit dem Rechtsbegehren, dieser
sei zu verpflichten, seine Einwilligung zur Auszahlung der Summe durch die
Bank zu geben. Der Beklagte beantragte, die Klage sei abzuweisen; eventuell
sei festzustellen, dass die Klägerin einen Anspruch auf Herausgabe des
Fahrzeuges gehabt habe und ihm ein Lösungsrecht im Sinne von Art. 934
Abs. 2 ZGB in der Höhe von Fr. 30'000.-- zustehe.

    Das Bezirksgericht Zürich (7. Abteilung) wies die Klage am 5. Oktober
1976 ab.

    Dieses Urteil zog die Klägerin vor das Obergericht des Kantons Zürich,
das am 11. März 1977 Berufung und Klage guthiess.

    Gegen diesen Entscheid hat der Beklagte beim Bundesgericht Berufung
erhoben mit dem Antrag, die Klage sei abzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- a) Wieweit der Besitzer einer vom Nichtberechtigten erworbenen
beweglichen Sache geschützt ist, hängt einerseits von den Umständen
ab, unter denen der Besitz des (früheren) Berechtigten unterging
(freiwilliger oder unfreiwilliger Besitzesverlust), und andererseits von
den Umständen, unter denen der Besitzer die Sache erwarb (guter oder böser
Glaube). War die Sache dem Veräusserer - wenn auch ohne Ermächtigung zur
Weiterübertragung - anvertraut worden, ist der gutgläubige Erwerber in
seinem Eigentum oder beschränkten dinglichen Recht an ihr zu schützen
(Art. 933 ZGB). Der gute Glaube muss sich dabei auf die Berechtigung
des Veräusserers beziehen, über die Sache zu verfügen (STARK, N. 55,
und HOMBERGER, N. 25 zu Art. 933 ZGB; HINDERLING, in Schweizerisches
Privatrecht, Band V/1 S. 478).

    Demgegenüber kann der frühere Besitzer, dem eine bewegliche
Sache gestohlen worden, verlorengegangen oder sonst ohne seinen Willen
abhanden gekommen ist, sie während fünf Jahren jedem Empfänger abfordern
(Art. 934 Abs. 1 ZGB). Dem gutgläubigen Empfänger, der die Sache an einer
öffentlichen Versteigerung, auf dem Markt oder von einem Kaufmann, der mit
Waren der betreffenden Art handelt, erworben hat, steht jedoch der Anspruch
auf Vergütung des von ihm entrichteten Preises zu (sog. Lösungsrecht;
Art. 934 Abs. 2 ZGB).

    b) Unbestritten ist, dass der Mercedes der berechtigten Firma
Kapsreiter & Koch gestohlen worden war, wovon der Beklagte laut Ziffer
8 des Vertrages im Zeitpunkt des Kaufes Kenntnis hatte. Eine den
Rechtsmangel heilende Ersitzung durch Hüni oder einen seiner Vormänner
war aus zeitlichen Gründen nicht möglich (Art. 934 Abs. 1 und Art. 714
Abs. 2 ZGB). Der Beklagte anerkennt denn auch, zur Herausgabe des Wagens
verpflichtet gewesen zu sein, doch erhebt er Anspruch auf Ersatz des
bezahlten Kaufpreises mit der Begründung, er habe Hüni gutgläubig für
berechtigt gehalten, ihm das Automobil zu verkaufen. Dass er gemeint
habe, jener sei Eigentümer gewesen, scheint er - angesichts seines mit
der deliktischen Herkunft des Fahrzeuges zusammenhängenden vertraglichen
Verzichts auf allfälligen Schadenersatz zu Recht - nicht geltend machen zu
wollen. Da er wusste, dass der Mercedes der Berechtigten gestohlen worden
und somit ohne deren Willen in Hünis Besitz gelangt war, durfte er aber
auch nicht in guten Treuen annehmen, jene habe diesen zur Übertragung des
Wagens an ihn ermächtigt. Guter Glaube war in Anbetracht des Wissens um den
Diebstahl schlechterdings ausgeschlossen. Die Behauptung des Beklagten,
der Polizeibeamte Keller habe ihm erklärt, es könne ihm bei einem Kauf
des Fahrzeuges nichts geschehen, ist daher unbehelflich. Die Vorinstanz
sah mit Recht davon ab, Keller als Zeugen einzuvernehmen, so dass der
deswegen gegen sie erhobene Vorwurf der Verletzung von Art. 8 ZGB von
vornherein unbegründet ist. Ebensowenig kann der Beklagte daraus etwas
zu seinen Gunsten ableiten, dass ihm das Strassenverkehrsamt für den
Mercedes ohne weiteres Kontrollschilder und einen Fahrzeugausweis abgab.

    c) Ist der Beklagte mithin als bösgläubig zu betrachten, war er
gemäss Art. 934 Abs. 2 ZGB verpflichtet, den Wagen ohne Anspruch auf
Entschädigung herauszugeben, ungeachtet der (unbestrittenen) Tatsache,
dass Hüni ein Kaufmann ist, der mit Automobilen handelt. Dass dieser
demgegenüber ein Lösungsrecht gehabt haben könnte, ist bedeutungslos, da
ohnehin nur der gutgläubige Rechtsnachfolger desjenigen, dem ein solches
zustand, seinerseits die Vergütung des entrichteten Erwerbspreises
verlangen kann (vgl. STARK, N. 41 zu Art. 934 ZGB). Mit Recht hat die
Vorinstanz dem bösgläubigen Beklagten diesen Anspruch nicht zuerkannt
und ihn verpflichtet, die Schweizerische Kreditanstalt zu ermächtigen,
der Klägerin den hinterlegten Betrag auszuzahlen.