Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 103 II 145



103 II 145

25. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung als staatsrechtliche
Kammer vom 17. Mai 1977 i.S. Uniconsult S.A. gegen H. Gallmann & Co. und
Kassationsgericht des Kantons Zürich Regeste

    Art. 4 BV, Art. 1096 Ziff. 7 OR.

    Ob eine Unterschrift, die der Aussteller eines Eigenwechsels am Rande
der Urkunde quer zum übrigen Wechseltext anbringt, den Unterzeichner
verpflichtet, ist umstritten. Es ist deshalb nicht willkürlich, die Frage
zu verneinen.

Sachverhalt

    A.- Die H. Gallmann & Co. stellte am 31. Januar 1975 einen
Eigenwechsel über Fr. 50'000.-- aus, der am 30. September 1975 an die
Order der Uniconsult S.A. zahlbar war. Sie benutzte dazu ein übliches
Formular, unterzeichnete aber nicht am Ende des Wechseltextes, sondern
brachte ihre Unterschrift samt dem Zusatz "AKZEPTIERT" und ihrer Firma am
linken Rand der Urkunde an, und zwar quer zum übrigen Text. Da sie den
Betrag bei Fälligkeit nicht zahlte, leitete die Uniconsult S.A. zweimal
Wechselbetreibung ein. Die H. Gallmann & Co. erhob Rechtsvorschlag, der
ihr letztmals vom Einzelrichter des Bezirkes Winterthur am 30. November
1976 bewilligt wurde.

    Die Uniconsult S.A. beschwerte sich dagegen beim Obergericht und beim
Kassationsgericht des Kantons Zürich, die ihre Begehren jedoch abwiesen,
letzteres mit Beschluss vom 15. Februar 1977.

    Die Uniconsult S.A. führt gegen diesen Beschluss staatsrechtliche
Beschwerde mit dem Antrag, ihn insbesondere wegen willkürlicher Anwendung
von Bundesrecht aufzuheben und den Rechtsvorschlag zu verweigern.

    Sie macht geltend, die Firma Gallmann habe ihr auf ein Darlehen hin
drei Eigenwechsel ausgestellt und alle in gleicher Weise unterzeichnet;
sie habe die beiden ersten auch anstandslos eingelöst. Die Annahme
des Kassationsgerichtes, die Unterschrift des Ausstellers fehle auf
dem Wechsel, sei offensichtlich willkürlich. Da ein Akzept auf einem
Eigenwechsel unmöglich sei, habe die von der Firma Gallmann am linken Rande
der Urkunde angebrachte Unterschrift als solche des Ausstellers zu gelten,
zumal das Gesetz diesem nicht vorschreibe, wo er unterzeichnen müsse.

    Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

    Zu prüfen ist nur, ob die Annahme des Kassationsgerichtes, die
Unterschrift der Beschwerdegegnerin auf dem Eigenwechsel lasse sich nicht
als diejenige eines Wechselausstellers ausgeben, willkürlich sei.

    a) Ob eine Unterschrift, die der Aussteller eines Eigenwechsels wie
hier am linken Rande der Urkunde und zudem quer zum übrigen Wechseltext
anbringt, den Unterzeichner verpflichtet, ist in der Lehre umstritten. Es
handelt sich dabei freilich weitgehend um Schrifttum zu deutschen
Wechselgesetzen. Das Wechselrecht ist seit den Genfer Abkommen von 1930/31
(BS 11 S. 835 ff.) international indes sehr stark vereinheitlicht
worden. Art. 1096 OR, der die Erfordernisse des Eigenwechsels regelt,
stimmt mit Art. 75 des deutschen Wechselgesetzes vom 21. Juni 1933 denn
auch wörtlich überein.

    Nach GRÜNHUT (Wechselrecht, Leipzig 1897, Bd. I S. 407/8) muss
die Unterschrift des Ausstellers dort stehen, wo die Urkunde endet,
also am Fusse des Wechsels; sie muss sich durch den blossen Anblick
des Titels als dessen Vollziehung oder als Abschluss des Wechseltextes
erweisen. GRÜNHUT hält deshalb einen Wechsel für ungültig, wenn der
Aussteller am linken Rand quer zum übrigen Text unterzeichnet (aaO S. 428
Anm. 10). STRANZ (Wechselrecht, Berlin 1952, 14. Aufl. Anm. 24 zu Art. 1)
äussert sich ebenfalls dahin, dass die Unterschrift des Ausstellers
den zusammenhängenden Wechseltext decken, folglich auf der Vorderseite
am Ende der Urkunde stehen muss. Auch P. CARRY (SJK Karte 444) ist der
Auffassung, dass die Unterschrift des Ausstellers sich notwendigerweise
unter dem Text des Wechsels befinden muss, weil der Aussteller sich dort
die in der Urkunde enthaltende Aufforderung zu zahlen zu eigen mache.
Das folgt ferner aus dem Wort "Unterschrift" und aus dem allgemeinen
Erfordernis, dass bei formbedürftigen Erklärungen die Unterschrift das
Gesagte decken muss (vgl. BGE 70 II 10, 68 II 96/7, 57 II 18 unten).

    Andere Autoren lassen Ausnahmen zu oder unterscheiden zwischen Wechsel
und Eigenwechsel. STAUB-STRANZ (Wechselrecht, 13. Aufl. Anm. 67 zu Art. 1)
sind der Meinung, dass der Aussteller auf der Vorderseite am Ende der
Urkunde unterzeichnen muss; seine Unterschrift dürfe also weder quer durch
den Wechsel gehen noch auf der Rückseite stehen. In Anm. 8 zu Art. 75
räumen sie für den Eigenwechsel jedoch ein, dass unter Umständen auch
ein am Rande quer geschriebener Namenszug als Unterschrift gelten kann,
z.B. wenn der Wechseltext die Vorderseite ausfüllt oder ein Teil davon
an den Querrand über den Namenszug geschrieben wird. JACOBI (Wechsel- und
Checkrecht, Berlin 1956, S. 235/6) hält eine Unterschrift des Ausstellers
"quer gegen den Text des Wechsels" oder auf der Rückseite für unwirksam,
lässt letzteres jedoch zu, wenn auf der Vorderseite kein Platz mehr
vorhanden ist. Nach BAUMBACH/HEFERMEHL (Wechselgesetz, 10 Aufl. Anm. 13 zu
Art. 1) muss die Unterschrift den ganzen notwendigen Wechseltext decken und
deshalb auf der Vorderseite unter dem Text stehen. In Anm. 8 zu Art. 75
halten diese Autoren für den Eigenwechsel einen nach Art der Annahme
quer geschriebenen Namenszug aber für genügend, weil der Aussteller dem
Annehmer gleichstehe.

    b) Das Kassationsgericht hat sich, wie aus dem von ihm
angeführten Schrifttum erhellt, der strengen und älteren Lehrmeinung
angeschlossen. Sein Entscheid entspricht zudem einer ständigen Praxis der
Zürcher Gerichte, die eine links auf dem Wechsel quer zum übrigen Text
angebrachte Unterschrift nicht als diejenige des Ausstellers im Sinne
von Art. 1096 Ziff. 7 OR gelten lassen (ZR 71/1972 Nr. 38). Schon deshalb
lässt sich die Auffassung des Kassationsgerichtes nicht als willkürlich
ausgeben. Willkür liegt nach ständiger Rechtsprechung nicht schon dann vor,
wenn ein Entscheid unrichtig erscheint oder bei freier Überprüfung der
darin behandelten Tat- und Rechtsfragen eine andere, von der Auffassung
des kantonalen Richters abweichende Beurteilung möglich wäre. Damit von
Willkür gesprochen werden kann, muss der angefochtene Entscheid vielmehr
klar unhaltbar sein (BGE 96 I 301, 93 I 6/7, 83 I 9).

    Das lässt sich hier selbst dann nicht sagen, wenn berücksichtigt
wird, dass der Aussteller auf dem Eigenwechsel gar nicht in einer
anderen Eigenschaft unterzeichnen kann, weil er den Wechsel auf sich
selber zieht, ein Akzept oder eine Bürgschaft auf seinen Namen folglich
sinnlos sind. Ob die Beschwerdegegnerin sich dessen bewusst war, als sie
quer zum übrigen Text den Zusatz "AKZEPTIERT" anbrachte und ihn wie ein
Bezogener unterschrieb, kann offen bleiben. Die besondere Formstrenge des
Wechselrechts lässt einer Auslegung nach Treu und Glauben so oder anders
nur wenig Raum. Dazu kommt, dass bezüglich der streitigen Unterschrift
keine klare Rechtslage besteht, mag die neuere Lehre auch eher für die
Auffassung der Beschwerdeführerin sprechen. Das genügt indes nicht, um
dem Kassationsgericht, das den Beschluss des Obergerichts übrigens bloss
wegen Verletzung klaren Rechts überprüfen konnte (§ 281 Ziff. 3 rev. ZPO),
Willkür vorzuwerfen.