Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 103 II 110



103 II 110

18. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 22. März 1977 i.S.
Wildholz, Huber und Meier gegen Schörg Regeste

    Verkauf einer Eigentumswohnung; bedingtes Schadenersatzurteil.

    1. Art. 712a Abs. 1 ZGB. Der Miteigentumsanteil braucht nicht der
räumlichen Aufteilung zu entsprechen (E. 3a).

    2. Art. 216 Abs. 1 OR. Die blosse Bestimmbarkeit des Kaufgegenstandes
muss unter Umständen genügen (E. 3b). Eine Vereinbarung über die
Unentgeltlichkeit baulicher Veränderungen bedarf nicht der öffentlichen
Beurkundung (E. 3c).

    3. Die Frage, ob ein bedingtes Schadenersatzurteil erlassen werden
darf, entscheidet sich nach dem kantonalen Prozessrecht (E. 5a).

Sachverhalt

    A.- Mit öffentlich beurkundetem Vertrag vom 5. April 1968 verkauften
die Architekten Rolf Marc Wildbolz und Erwin Huber, welche an der
Susenbergstrasse 64 in Zürich einen Wohnblock zu erstellen gedachten,
Frau Schörg-von Guggenberger einen Miteigentumsanteil von 174/1000 an
der Liegenschaft Kat. Nr. 3195 mit Sonderrecht an der Dreizimmerwohnung
im Attikageschoss zu einem Preis von Fr. 300'000.--. Im Verlaufe der
Bauausführung liess die Käuferin auf ihre Kosten verschiedene bauliche
Änderungen vornehmen, die zu einer Erweiterung der Wohnung führten. Nach
der Vollendung des Baues verlangten die Verkäufer unter Hinweis auf die
mit den baulichen Änderungen verbundene Vergrösserung der Wohnfläche von
107 auf 171 m2 den Abschluss eines neuen Kaufvertrages mit einem Kaufpreis
von Fr. 548'000.--, was die Käuferin aber ablehnte. Darauf verweigerten
die Verkäufer die Eigentumsübertragung.

    Frau Schörg klagte auf Übertragung des Miteigentumsanteils zu Eigentum
gemäss Kaufvertrag. Dieses Begehren hiess das Bezirksgericht Zürich
am 7. März 1975 und das Obergericht des Kantons Zürich am 10. Mai 1976
gut. Das Obergericht sprach Frau Schörg darüber hinaus noch Schadenersatz
für den Fall zu, dass die Eigentumsübertragung nicht vollstreckt werden
könnte.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- a) Wohl können die Beklagten nur soweit zur Eigentumsübertragung
verpflichtet werden, als sich dies aus dem beurkundeten Vertrag ergibt, und
sie sind nur das zu übereignen verpflichtet, was sie verkauft haben. Dabei
muss der beurkundete Vertrag alle wesentlichen Vertragsbestandteile
enthalten, namentlich die genaue Bezeichnung des Kaufgegenstandes
und die dafür versprochene Gegenleistung (BGE 101 II 331 E. 3a mit
Hinweisen). Kaufgegenstand ist vorliegend ein Miteigentumsanteil von
174/1000 an einer bestimmten Liegenschaft mit Sonderrecht an der Wohnung B4
im Attikageschoss. Dies ergibt sich aus der Vertragsurkunde und entspricht
auch der gesetzlichen Ordnung (Art. 712a Abs. 1 ZGB). Unbestrittenermassen
entfällt laut Grundbucheintrag auf die streitige Wohnung nach wie vor
dieselbe Wertquote, nämlich 174/1000. Wenn die Beklagen geltend machen,
die Wertquote entspreche infolge der Erweiterung der Attikawohnung nicht
mehr den baulichen Gegebenheiten, hilft ihnen dies nichts, denn der
Miteigentumsanteil braucht keineswegs genau der räumlichen Aufteilung der
Sonderrechte zu entsprechen. Die Vorinstanz darf die Beklagten auch dabei
behaften, dass sie ihrerseits für die streitige Wohnung noch lange nach
Bauvollendung in andern Verträgen die gleiche Wertquote beibehielten, was
zeigt, dass auch sie selbst die Wertquote keineswegs in eine unmittelbare
Beziehung zur Wohnungsgrösse setzten. Ob eine Änderung der Wertquote
im Sinne von Art. 712e Abs. 2 ZGB nachträglich doch noch möglich wäre,
ist hier nicht zu entscheiden. Die Wohnung wurde jedenfalls mit der
bisherigen Wertquote zu dem vereinbarten Kaufpreis verkauft.

    Aber auch wenn man nicht den Miteigentumsanteil, sondern die Wohnung
als Kaufgegenstand betrachten würde, ergäbe sich nichts zugunsten der
Beklagten, handelt es sich doch bei der verkauften Wohnung so oder
anders um die Wohnung B4 im Attikageschoss. Aus der Planbeilage des
beurkundeten Vertrages ergibt sich überdies, dass mit Ausnahme von Aufzug
und Treppenhaus das ganze Dachgeschoss der Klägerin zur ausschliesslichen
Benutzung zugedacht war. Wenn in der Folge der umgebaute Wohnraum auf
Kosten des Terrassengebietes erweitert wurde, blieb der Kaufgegenstand
nach wie vor derselbe.

    b) Zu prüfen ist weiter, welche Bedeutung der Tatsache zukommt, dass
die Wohnung anders ausgestaltet wurde, als es nach dem beurkundeten Vertrag
und seinen Planbeilagen vorgesehen war. Dass dies nach den Feststellungen
der Vorinstanz einer Vereinbarung der Parteien entsprach, hält die Berufung
mangels Beurkundung für unbeachtlich. Die aus Art. 9 ZGB sich ergebende
Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit von öffentlichen Urkunden
ist jedenfalls durch das Beweisergebnis widerlegt. Eher ist der Berufung
darin beizustimmen, dass angesichts der zum beurkundeten Vertrag gehörenden
Grundrisspläne nicht gesagt werden kann, es fehlten im beurkundeten Vertrag
Angaben über den Wohnungsgrundriss. Dennoch bleibt die Tatsache bestehen,
dass der schliesslich beurkundete Vertrag ein Flächenmass nur für die
Nebenräume, nicht auch für die Wohnung selbst nennt. So betrachtet kann
durchaus angenommen werden, dass nicht eine genau bestimmte, sondern nur
eine bestimmbare Wohnung verkauft worden ist. Die blosse Bestimmbarkeit
des Kaufgegenstandes genügt jedenfalls dann den Anforderungen des Art. 216
OR, wenn - wie hier - ein Grundstück gekauft wird, dessen Überbauung
erst projektiert oder gerade erst begonnen worden ist; in solchen Fällen
ist stets bis zu einem gewissen Grade mit baulichen Änderungen gegenüber
Plänen und Beschrieb zu rechnen. Dass es unter Umständen genügen muss,
wenn das verkaufte Grundstück nur bestimmbar ist, hat das Bundesgericht
schon früher entschieden (BGE 95 II 310 E. 2). Im vorliegenden Fall lässt
es sich jedenfalls mit der Urkunde und den Absprachen der Parteien beim
Vertragsabschluss vereinbaren.

    c) Die Vorinstanz hat festgestellt, dass die Beklagten vor der
Beurkundung auf eine Erhöhung des Kaufpreises wegen der baulichen
Änderungen verzichtet haben. Wenn die Berufung dies nun beanstandet,
so wendet sie sich nicht nur gegen eine das Bundesgericht bindende
Feststellung, sondern auch gegen den beurkundeten Vertrag selbst, welcher
den Kaufpreis auf Fr. 300'000.-- festsetzt. Wollten die Beklagten für
die vorgesehenen baulichen Änderungen einen Mehrpreis beanspruchen,
so hätten sie bei der Beurkundung einen entsprechenden Vorbehalt
machen müssen. Eine solche Erhöhung des Kaufpreises bedarf nämlich
der öffentlichen Beurkundung, nicht aber eine Vereinbarung über die
Unentgeltlichkeit baulicher Veränderungen.

    d) Die Klägerin hat somit zu Recht den Erfüllungsanspruch bezüglich
der heute bestehenden Attikawohnung erhoben. Der Einwand der Beklagten,
dass der Kaufvertrag unmöglich und damit nichtig sei, weil der von der
Klägerin durchgeführte Umbau rechtswidrig gewesen sei, ist angesichts der
zutreffenden Behandlung dieser Frage durch die Vorinstanzen und namentlich
auch angesichts der tatsächlich erteilten Baubewilligung mutwillig. Das
angefochtene Urteil ist in diesem Punkte zu bestätigen.

Erwägung 5

    5.- a) Für den Fall, dass die Vollstreckung der Eigentumsübertragung
nicht möglich sein sollte, hat die Vorinstanz Wildbolz und Huber
verpflichtet, der Klägerin Fr. 580'952.65 nebst Zinsen zu zahlen. Die
Berufung hält dies für unzulässig. Das Bundesrecht schliesst indessen
bei einem aufschiebend bedingten Anspruch ein Leistungsurteil mit
entsprechender Bedingung nicht aus (GULDENER, Schweiz. Zivilprozessrecht,
S. 192 und 253; STRÄULI/MESSMER, Kommentar zur zürcherischen ZPO,
N. 4 zu § 100 und N. 6 zu § 188; HABSCHEID, Droit judiciaire privé
suisse, S. 272; KUMMER, Das Klagerecht und die materielle Rechtskraft im
schweizerischen Recht, S. 58). Dies ist denn auch in Art. 74 Abs. 2 BZP
für den Bundeszivilprozess ausdrücklich vorgesehen. Im übrigen verlangt
das Bundesrecht wohl, dass die Kantone einen bundesrechtlichen Anspruch
bei Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses beurteilen, verbietet aber
anderseits eine Beurteilung trotz mangelndem Interesse nicht, wie dies
auch für die Feststellungsklage entschieden wurde (BGE 93 II 17 E. 2c,
92 II 109 E. 3). Es ist somit ausschliesslich eine Frage des kantonalen
Prozessrechts, ob die Vorinstanz ein bedingtes Schadenersatzurteil erlassen
durfte. Die Rüge, dass eine solche bedingte Verurteilung unzulässig bzw.
vorliegend nicht gerechtfertigt sei, ist deshalb nicht zu hören (Art. 55
Abs. 1 lit. c OG).