Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 103 III 8



103 III 8

3. Entscheid vom 28. April 1977 i.S. Erben des Kurt Fleischmann und
Konkursamt Thalwil Regeste

    Rekurslegitimation (Art. 19 SchKG); Verrechnung im Konkurs (Art. 213
SchKG); Abtretung von Rechtsansprüchen der Konkursmasse zur Geltendmachung
durch Gläubiger (Art. 260 SchKG).

    1. Rekurslegitimation:
   a) des Konkursamtes als Konkursverwaltung (Erw. 1);

    b) des Schuldners der Forderung, deren Abtretung verlangt wird und
welche dieser mit seiner Gegenforderung verrechnen möchte (Erw. 2).

    2. Die Verrechnungserklärung, die ein Konkursgläubiger abgab und von
der Konkursverwaltung nicht anerkannt wurde, steht einer Abtretung der der
Masse zustehenden Gegenforderung an andere Konkursgläubiger nicht entgegen
(Erw. 3).

Sachverhalt

    A.- In dem vom Konkursamt Thalwil verwalteten Konkurs über X.
reichten die Erben des Kurt Fleischmann am 18. Dezember 1975
eine Abrechnung ein, worin sie geltend machten, ihre Konkursforderung
übersteige das Guthaben des Gemeinschuldners ihnen gegenüber um
Fr. 4'884.30. Mit Verfügung vom 20. Juli 1976 kollozierte die
Konkursverwaltung einen Betrag von Fr. 1'304.75.

    In der Folge leitete die Tapeten Spörri AG beim Einzelrichter im
beschleunigten Verfahren des Bezirkes Horgen gegen die Erben Fleischmann
eine Kollokationsklage ein mit dem Antrag, dieser Betrag sei aus dem
Kollokationsplan zu streichen. Das Begehren wurde von den Beklagten - aus
prozessökonomischen Gründen - anerkannt. Den von der Klägerin erhobenen
Rekurs gegen die Abschreibungsverfügung des Einzelrichters wies die
III. Zivilkammer des Obergerichts des Kantons Zürich am 27. Dezember
1976 ab.

    Mit Schreiben vom 2. Oktober 1976 hatte die Tapeten Spörri AG
inzwischen beim Konkursamt Thalwil gestützt auf Art. 260 SchKG die
Abtretung der Ansprüche verlangt, denen die Erben Fleischmann ihre eigene
Forderung gegenübergestellt hatten. Die Konkursverwaltung hatte ihr hierauf
mitgeteilt, eine Abtretung sei nicht möglich, da der Anspruch der Masse
durch Verrechnung untergegangen und der Kollokationsplan rechtskräftig
geworden sei. Eine von der Tapeten Spörri AG hiegegen erhobene Beschwerde
wies das Bezirksgericht Horgen als untere kantonale Aufsichtsbehörde am
3. Januar 1977 ab.

    Das Obergericht des Kantons Zürich (II. Zivilkammer) hiess den Rekurs
der Beschwerdeführerin gegen diesen Entscheid mit Beschluss vom 16. März
1977 in dem Sinne gut, dass es die Konkursverwaltung anwies, von der
Gläubigergesamtheit einen Entscheid über das Vorgehen hinsichtlich der
Ansprüche gegen die Erben Fleischmann zu erwirken.

    Diese und das Konkursamt Thalwil haben den Beschluss der oberen
kantonalen Aufsichtsbehörde beim Bundesgericht angefochten.

Auszug aus den Erwägungen:

Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die Konkursverwaltung ist zum Rekurs nur insoweit befugt, als sie
die Interessen der Konkursmasse wahren möchte (vgl. BGE 100 III 65 E. 1
mit Hinweisen). Davon kann hier keine Rede sein. Das Konkursamt Thalwil
will mit seinem Rekurs die von ihm in der vorliegenden Angelegenheit
vertretene Ansicht verteidigen, eine Abtretung nach Art. 260 SchKG sei
ausgeschlossen. Das Interesse der Gläubigermehrheit ist dagegen darauf
gerichtet, dass auf die Geltendmachung des Anspruches des Gemeinschuldners
gegen die Erben Fleischmann nicht verzichtet bzw. dass das Guthaben
den Gläubigern zur Abtretung angeboten werde. Es steht dem Konkursamt
nicht zu, mit einem Rekurs den gegenteiligen Standpunkt und damit die
ausschliesslichen Interessen der Erben Fleischmann zu vertreten. Auf
seinen Rekurs ist daher nicht einzutreten.

Erwägung 2

    2.- Die Rekurslegitimation der Erben Fleischmann (im folgenden
Rekurrenten genannt) ist dagegen zu bejahen. Ob sie es zulassen müssen,
dass ein Zivilprozess gegen sie geführt werde, oder ob sie sich darauf
berufen können, die fragliche Forderung könne aus konkursrechtlichen
Gründen nicht mehr geltend gemacht und somit auch nicht zur Realisierung
einem Gläubiger abgetreten werden, ist für sie von grosser Wichtigkeit.
Sie sind demnach durch den angefochtenen Entscheid, in welchem die obere
kantonale Aufsichtsbehörde das Begehren der Tapeten Spörri AG grundsätzlich
schützte, beschwert.

Erwägung 3

    3.- Die Rekurrenten sind der Ansicht, die Konkursverwaltung habe
ihre Forderung mit Gegenansprüchen der Masse verrechnet; da diese dadurch
untergegangen seien, könne das Guthaben nicht mehr an Gläubiger abgetreten
werden. Demgegenüber hält die Vorinstanz dafür, das Konkursamt habe
lediglich von der Verrechnungserklärung Vormerk genommen, die von den
Rekurrenten ausgegangen sei.

    a) Bei der Beurteilung der sich vorab stellenden Frage, welche
Seite die Verrechnung erklärt habe, ist von Bedeutung, dass es nicht
der Konkursverwaltung zusteht, auf die Geltendmachung eines Aktivums zu
verzichten, sondern einzig der zweiten Gläubigerversammlung (Art. 253
Abs. 2 SchKG). Die Konkursverwaltung wird sich daher in dieser Hinsicht
Zurückhaltung auferlegen, weshalb nicht leichthin angenommen werden darf,
die Verrechnung, die in einer Kollokationsverfügung zum Ausdruck kommt,
sei von ihr ausgegangen. Die hier vorliegenden Akten lassen einen solchen
Schluss jedenfalls nicht zu. Aus der Konkurseingabe der Rekurrenten
vom 18. Dezember 1975, in der nicht nur beide Forderungen gegeneinander
aufgerechnet werden und einzig ein Saldo von Fr. 4'884.30 geltend gemacht
wird, sondern verschiedentlich ausdrücklich die Verrechnung erklärt wird,
ergibt sich - wie die Vorinstanz zutreffend feststellt - vielmehr das
Gegenteil. Im Kollokationsplan ist denn auch unter Ordnungs-Nr. 17
zu lesen, die Gläubiger machten Tilgung durch Direktbezahlung an
Drittgläubiger geltend bzw. verlangten Verrechnung mit dem Guthaben
des Gemeinschuldners. Freilich wurde als angemeldete Forderung der
volle von den Rekurrenten geforderte Betrag vermerkt und nicht etwa nur
der Verrechnungssaldo. Auch wurde in der den Rekurrenten zugestellten
Kollokationsverfügung ausgeführt, von der eingegebenen Forderung würden
zufolge Verrechnung mit dem Guthaben des Gemeinschuldners Fr. 148'579.55
abgewiesen und nur der Mehrbetrag von Fr. 1'304.75 zugelassen, der in
der fünften Klasse kolloziert werde. Aus diesen Äusserungen darf jedoch
nicht abgeleitet werden, es sei die Konkursverwaltung gewesen, welche
die Verrechnung erklärt habe. Lag nämlich die Verrechnungserklärung (der
Rekurrenten) nach dem Ausgeführten bereits in der Forderungsanmeldung vom
18. Dezember 1975, blieb der Konkursverwaltung rechtlich gar keine andere
Wahl, als entweder die geltend gemachte Verrechnung ausdrücklich abzulehnen
oder von ihr Kenntnis zu nehmen und einen entsprechend reduzierten Betrag
zu kollozieren.

    Gewiss wäre die Aktiv-Forderung allenfalls auch bei einer
ausdrücklichen Anerkennung der Verrechnungserklärung durch die
Konkursverwaltung untergegangen. Nach der bundesgerichtlichen
Rechtsprechung, von der abzuweichen kein Anlass besteht, darf eine solche
Zustimmung indessen nicht schon allein auf Grund der Tatsache angenommen
werden, dass nur die Restforderung des Gläubigers kolloziert wurde (BGE
45 III 245 E. 2). Weitere Anhaltspunkte, die auf eine Zustimmung der
Konkursverwaltung zur Verrechnung der Rekurrenten schliessen liessen,
sind aber nicht vorhanden und waren insbesondere für die übrigen
Konkursgläubiger nicht ersichtlich.

    b) Unbehelflich ist der Hinweis der Rekurrenten auf das
Konkursinventar. Wohl wird darin unter Nr. 58, wo das gegen sie
gerichtete Guthaben festgehalten wurde, auf den Kollokationsplan und die
dort vorgemerkte Verrechnung hingewiesen. Allein daraus einen Verzicht
der Konkursverwaltung auf die Geltendmachung des streitigen Anspruchs
ableiten zu wollen, geht jedoch nicht an. Immerhin wurde das Guthaben als
selbständige Position in das Inventar aufgenommen; dass ein Schätzungswert
fehlt, ist nicht von ausschlaggebender Bedeutung. Mit dem Verweis auf
den Kollokationsplan wollte offenbar lediglich ein Widerspruch zwischen
den beiden Urkunden vermieden werden. Kann somit auch aus dem Eintrag
im Konkursinventar nicht auf einen Verzicht auf die Forderung gegen
die Rekurrenten geschlossen werden (der allenfalls mangels Anfechtung
durch Beschwerde rechtskräftig geworden wäre), traten die kantonalen
Aufsichtsbehörden - entgegen der Auffassung der Rekurrenten - zu Recht auf
die gegen die Verweigerung der Abtretung nach Art. 260 SchKG gerichtete
Beschwerde der Tapeten Spörri AG ein.

Entscheid:

Demnach erkennt die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer:

    1. Auf den Rekurs des Konkursamtes Thalwil wird nicht eingetreten.

    2. Der Rekurs der Erben des Kurt Fleischmann wird abgewiesen.