Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 103 III 76



103 III 76

15. Entscheid vom 14. Oktober 1977 i.S. Konkursamt St. Gallen Regeste

    Postkontrolle im Konkurs; Art. 38 KOV.

    Eine Postkontrolle ist im Konkurs nur anzuordnen, wenn die Umstände des
einzelnen Falles diese Massnahme als zur Wahrung der Gläubigerinteressen
unbedingt notwendig erscheinen lassen (E. 2).

Sachverhalt

    A.- S., über den am 16. Juli 1976 der Konkurs eröffnet worden war,
erhob mit Eingaben vom 5. August und 5. September 1977 Beschwerde bei
der kantonalen Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs des
Kantons St. Gallen mit den Anträgen, Konkursverwalter X. sei in seinem
Konkurs durch eine neutrale und integre Person zu ersetzen und die gegen
ihn angeordnete Postsperre sei unverzüglich aufzuheben; eventuell sei
zu veranlassen, dass die Privatpost von einer neutralen Person in seiner
Anwesenheit geöffnet werde.

    Mit Entscheid vom 26. September 1977 hiess die kantonale
Aufsichtsbehörde die Beschwerde insoweit gut, als es das Konkursamt
St. Gallen anwies, die gegenüber dem Gemeinschuldner verhängte Postsperre
aufzuheben. Im übrigen wies es die Beschwerde ab.

    Gegen den Entscheid der Aufsichtsbehörde rekurrierte das Konkursamt St.
Gallen an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts. Es
möchte mit seinem Rekurs einen Entscheid erwirken, welcher ihm "für die
Zukunft eine Handhabe für die Anwendung bzw. Interpretation des Art. 38
KOV gibt".

Auszug aus den Erwägungen:

Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Nach ständiger Rechtsprechung ist das Konkursamt zum Rekurs
ans Bundesgericht nur legitimiert, wenn der angefochtene Entscheid der
kantonalen Aufsichtsbehörde die Interessen der Konkursmasse berührt (BGE
102 III 80, 100 III 65, mit Hinweisen). Im vorliegenden Fall möchte der
Konkursbeamte einen Entscheid erwirken, der ihm "für die Zukunft eine
Handhabe für die Anwendung bzw. Interpretation des Art. 38 KOV gibt." Es
geht ihm somit vor allem darum, durch das Bundesgericht eine ihm nicht
genehme Auffassung seiner Aufsichtsbehörde überprüfen zu lassen, und nicht
darum - jedenfalls nicht direkt -, die Interessen der Konkursmasse zu
wahren. Dazu kann aber der Rekurs im Sinne von Art. 19 SchKG nicht dienen.

    Freilich behauptet der Rekurrent in seiner Eingabe, Hauptanlass zum
Rekurs gebe ihm die Tatsache, dass er auf Grund der noch bestehenden
Postsperre von einer Forderung des Gemeinschuldners in der Höhe von
Fr. 321'000.-- erfahren habe, die dieser weder bei der Inventaraufnahme
noch bei seiner Befragung angegeben habe. Damit will er offenbar dartun,
dass die Weiterführung der Postkontrolle im Interesse der Konkursmasse
liege und dass er deswegen Rekurs erhoben habe. Unter diesem Gesichtspunkt
müsste die Rekurslegitimation des Konkursamtes wohl bejaht werden.

    Wie es sich damit verhält, kann indessen offen bleiben. Angesichts der
Praxis des Konkursamtes St. Gallen, in jedem Konkurs und für die gesamte
Dauer des Konkursverfahrens die Postkontrolle anzuordnen, erscheint es
nämlich ohnehin als angezeigt, die mit dem Rekurs aufgeworfene Frage zu
prüfen. Sie ist grundsätzlicher Natur, und das Bundesgericht kann zu
ihr als Aufsichtsbehörde über das Schuldbetreibungs- und Konkurswesen
(Art. 15 SchKG) auch ausserhalb eines Rekursverfahrens Stellung nehmen
(BGE 99 III 62).

Erwägung 2

    2.- Art. 38 KOV räumt den Konkursämtern wohl die Befugnis ein,
von der zuständigen Kreispostdirektion für die Dauer des Konkurses die
Einsichtnahme oder Auslieferung von Postsendungen und Postcheckgeldern, die
an den Gemeinschuldner adressiert sind oder von ihm abgesandt werden, sowie
Auskunfterteilung über den Postverkehr des Gemeinschuldners zu verlangen,
wobei dieser das Recht hat, der Öffnung der Sendungen beizuwohnen
(vgl. auch Art. 6 Abs. 4 des Postverkehrsgesetzes). Die mit diesem Eingriff
in das in Art. 36 Abs. 4 BV gewährleistete Postgeheimnis verbundene
schwere Beeinträchtigung der Persönlichkeitsrechte des Konkursiten setzt
jedoch voraus, dass die Umstände des einzelnen Falles die Anordnung der
Postkontrolle als unbedingt notwendig erscheinen lassen, weil anders die
Interessen der Konkursmasse und der Gläubiger wegen des Verhaltens des
Gemeinschuldners ernsthaft gefährdet wären. Art. 38 KOV muss demnach sehr
eng ausgelegt werden, und die Anordnung der Postkontrolle darf, wie die
Vorinstanz zutreffend darlegt, den Grundsatz der Verhältnismässigkeit nicht
verletzen. Es muss somit in jedem einzelnen Konkurs konkret geprüft werden,
ob sich diese Massnahme aufdränge und allenfalls wann sie wieder aufgehoben
werden könne. Auf keinen Fall geht es an, die Postkontrolle sozusagen
routinemässig anzuordnen und sie stets und ohne Beachtung des einzelnen
Konkursfalles bis zum Abschluss des Verfahrens aufrecht zu erhalten.

    Im vorliegenden Fall macht das Konkursamt zur Rechtfertigung der
Postkontrolle einzig geltend, es habe in einem an den Gemeinschuldner
gerichteten Brief den Hinweis auf eine Forderung gefunden, die bei der
Inventaraufnahme nicht angegeben worden sei. Das allein reicht indessen
nicht aus. Die Vorinstanz hat die Postkontrolle daher zu Recht aufgehoben.

Entscheid:

                       Demnach erkennt
          die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer:

    Der Rekurs wird abgewiesen.