Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 103 IB 43



103 Ib 43

10. Urteil vom 4. Februar 1977 i.S. Eidgenössische Weinhandelskommission
gegen Gebr. Schnell, Kollektivgesellschaft, und Regierungsrat des Kantons
Graubünden Regeste

    Fähigkeitsnachweis als Voraussetzung für die Erteilung einer
Weinhandelsbewilligung.

    BRB vom 12. Mai 1959 über den Handel mit Wein (Art. 4 Abs. 3
lit. b). Der Nachweis kann auch durch andere Ausweise erfolgen als durch
ein Abschlusszeugnis eines Monatskurses einer Weinfachschule (E. 3).

Sachverhalt

    A.- Die Brüder Christian Schnell, Treuhänder, geb. 1920, und Hans
Schnell, Bahnbeamter, geb. 1921, beide in Maienfeld, gründeten nach dem
Tode ihres Vaters, der bereits Weinbauer gewesen war und einen kleinen
Weinhandel betrieben hatte, im Jahre 1974 eine Kollektivgesellschaft,
um nebenberuflich auf ererbten Rebgrundstücken in Maienfeld Wein zu
produzieren und mit Wein zu handeln. Am 11. Juni 1974 stellte die
Gesellschaft beim Sanitätsdepartement des Kantons Graubünden als der
dafür zuständigen Amtsstelle das Gesuch, es sei Christian und Hans
Schnell die Weinhandelsbewilligung zu erteilen und legte dem Gesuch
verschiedene Zeugnisse bei. Das Sanitätsdepartement leitete das
Gesuch mit Unterlagen an die Eidgenössische Weinhandelskommission zur
Begutachtung und Antragstellung weiter. Die Kommission beantragte,
das Gesuch sei abzuweisen. Nach ständiger Praxis anerkenne sie nur
dann das Vorhandensein der erforderlichen Fachkenntnisse, wenn ein
Gesuchsteller einen Ausweis einer Weinfachschule besitze, der den
Kandidaten am Schluss des 4wöchigen Weinfachkurses und nach bestandener
Abschlussprüfung ausgehändigt werde oder wenn er, ohne einen solchen
Kurs besucht zu haben, mit Erfolg wenigstens an der Abschlussprüfung
teilgenommen habe. Das Sanitätsdepartement wies daraufhin das Gesuch
am 26. Februar 1975 ab. Die Regierung des Kantons Graubünden hiess am
30. August 1976 eine Beschwerde der Kollektivgesellschaft gut, hob den
angefochtenen Entscheid auf und wies die Sache zur Neubehandlung im Sinne
der Erwägungen an die Vorinstanz zurück. Sie hielt dafür, es dürfe als
Fähigkeitsausweis kein Zeugnis einer Weinfachschule verlangt werden,
vielmehr stehe es dem Bewerber frei, den Nachweis seiner Fähigkeiten
auch auf andere Weise zu erbringen. Das Sanitätsdepartement habe deshalb
die von den beiden Brüdern Schnell eingereichten Ausweise zu prüfen.
Die Regierung behandelte im weitern die einzelnen Beanstandungen der
Fähigkeiten der beiden Brüder und hielt sie nicht für schlüssig.

    Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die Weinhandelskommission,
der Regierungsentscheid sei aufzuheben und derjenige der Vorinstanz,
die die Erteilung der Weinhandelsbewilligung abgelehnt hatte, zu
bestätigen. Sie hält daran fest, dass grundsätzlich jeder Bewerber sich
über den erfolgreichen Abschluss eines Monatskurses einer Weinfachschule
auszuweisen habe.

Auszug aus den Erwägungen:

            Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Das angefochtene Erkenntnis der Regierung ist eine
letztinstanzliche kantonale Verfügung im Sinne von Art. 98
lit. g OG. Gemäss Art. 13 des Gesetzes vom 9. April 1967 über die
Verwaltungsgerichtsbarkeit im Kanton Graubünden sind Entscheide der
Regierung nur dann beim kantonalen Verwaltungsgericht anfechtbar, wenn
ein Weiterzug an das Verwaltungsgericht auf Grund besonderer Vorschriften
vorgesehen ist. Hinsichtlich der Entscheide der Regierung im Verfahren über
die Erteilung von Weinhandelsbewilligungen ist eine solche Beschwerde an
das Verwaltungsgericht nicht vorgesehen. Sie können deshalb grundsätzlich
auf dem Wege der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht
weitergezogen werden. Ein Ausschlussgrund im Sinne von Art. 99, 100 und
102 OG besteht nicht.

Erwägung 2

    2.- a) Nach der Verordnung über das Verfahren in Verfassungs-
und Verwaltungsstreitsachen vor dem Kleinen Rat (nunmehr Regierung),
des Kantons Graubünden vom 30. November 1966 kann die Regierung
einen bei ihr mit Verwaltungsbeschwerde angefochtenen Entscheid
bestätigen, aufheben oder abändern. Die Regierung hat die Verfügung
des Sanitätsdepartementes aufgehoben und die Sache zur Neubeurteilung
an das Departement zurückgewiesen. Es wird nicht behauptet, diese
Rückweisung sei unzulässig. Eine solche Behauptung könnte auch nicht mit
Verwaltungsgerichtsbeschwerde vor Bundesgericht vorgetragen werden, da
es sich um eine Frage des kantonalen Verfahrensrechtes handelt, mit der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde aber nur eine Verletzung von Bundesrecht
gerügt werden kann.

    b) Der angefochtene Entscheid hat in erster Linie verfahrensmässige
Bedeutung. Er befindet nicht abschliessend darüber, ob der
Kollektivgesellschaft Gebrüder Schnell die Weinhandelsbewilligung zu
erteilen ist oder nicht. Das Sanitätsdepartement wird noch einmal einen
Entscheid zu fällen haben, der wiederum bei der Regierung und schliesslich
mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten werden kann. Dennoch ist
der angefochtene Entscheid kein blosser Zwischenentscheid. Er ist ein
Endentscheid insofern als er das Departement anweist, bei der Verfügung
die von den Brüdern Schnell vorgelegten Zeugnisse über ihre Befähigung
zum Weinhandel zu überprüfen, eine Prüfung, die das Departement nicht
vorgenommen hatte, weil es in Übereinstimmung mit der Weinhandelskommission
dafür hielt, genügender Ausweis sei nur ein Abschlusszeugnis eines
Weinhandelskurses. Ein kantonaler Rückweisungsentscheid, der die Sache
an eine untere Instanz verweist, damit sie im Sinne der Erwägungen
entscheide und bestimmte Weisungen enthält, ist nach der Rechtsprechung
kein blosser Zwischenentscheid, sondern ein Endentscheid (BGE 100 Ib
467f. E. 1 mit Verweisungen). Die Regierung hält aber die Vorinstanz an,
nicht einfach darauf abzustellen, ob die beiden Brüder ein Abgangszeugnis
einer Weinfachschule vorweisen können oder nicht, sondern verlangt von ihr
auch, dass sie die von den Brüdern Schnell eingereichten Ausweise prüfe.

    c) Die Legitimation der Weinhandelskommission ist nach Art. 6 Abs. 2
des BRB vom 12. Mai 1959 über den Handel mit Wein (SR 817.421; nachfolgend
Weinhandelsverordnung) in Verbindung mit Art. 103 lit. c OG gegeben.

    Es ist deshalb auf die Beschwerde einzutreten.

Erwägung 3

    3.- Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann die
Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Ermessensmissbrauch
und Ermessensüberschreitung, sowie die unrichtige Feststellung des
rechtserheblichen Sachverhaltes geltend gemacht werden. Ausgeschlossen ist
die Rüge der Unangemessenheit, soweit das Bundesrecht nicht eine Ausnahme
vorsieht; ein Vorbehalt dieser Art findet sich in der Weinhandelsverordnung
nicht.

    a) Nach Art. 4 Abs. 3 lit. b der Weinhandelsverordnung ist
die Bewilligung nur zu erteilen, wenn der Gesuchsteller, bzw. bei
Gesellschaften die für den Weinhandel verantwortlichen Personen, über
ausreichende technische und kaufmännische Kenntnisse im Weinhandel
verfügen. Sie müssen genügend sein, um eine einwandfreie Anwendung
der Lebensmittelgesetzgebung und eine gute Führung der im Beschluss
vorgesehenen Buchhaltung zu gewährleisten.

    Die kaufmännischen Fähigkeiten für die Führung eines
Weinhandelsgeschäftes und für die Führung der in der Weinhandelsverordnung
vorgesehenen Bücher werden den beiden Brüdern nicht abgesprochen. Christian
Schnell ist eidg. diplomierter Buchhalter. Er ist als Revisor tätig,
hat aber die Revisorenprüfung nicht abgelegt. Hans Schnell hat das
Handelsdiplom der Bündnerischen Kantonsschule erworben und arbeitet seit
Jahren im Stations- und Verwaltungsdienst der Rhätischen Bahnen. Man darf
auch bei ihm genügende buchhalterische Kenntnisse voraussetzen, um die
Buchhaltung eines - vermutlich kleinen - Weinhandelsbetriebes zu besorgen.

    b) Darüber hinaus verlangt aber die Weinhandelsverordnung auch den
Nachweis genügender technischer Kenntnisse; sie sollen ausreichen, um vor
allem die Vorschriften der Lebensmittelgesetzgebung richtig anwenden zu
können. Die Lebensmittelverordnung vom 26. Mai 1936 (SR 817.02) enthält in
den Art. 334-368 eingehende Bestimmungen über die Behandlung und Benennung
der Weine.

    Wie die Kenntnisse im einzelnen beschaffen sein müssen, sagt
die Weinhandelsverordnung nicht. Auch das vom Eidg. Departement des
Innern erlassene Reglement vom 1. Juli 1961 über den Handel mit Wein
(SR 817.421.1; nachfolgend Reglement) spricht sich über den Grad der
Kenntnisse, deren Vorhandensein nachgewiesen werden muss, nicht näher
aus. Es begnügt sich in diesem Punkt damit, die Bestimmungen der Verordnung
- etwas besser gegliedert - zu wiederholen. Zum Nachweis der erforderlichen
Fähigkeiten verlangt das Reglement einen Bericht des Gesuchstellers unter
Beilage seiner Zeugnisse oder Arbeitsbestätigungen.

    Was den Umfang der nachzuweisenden Kenntnisse anbelangt, gibt die
Weinhandelsverordnung immerhin indirekt Auskunft. Gelingt dem Gesuchsteller
der Nachweis der erforderlichen Kenntnisse nicht, ist ihm Gelegenheit zu
geben, diese durch den Besuch von Monatskursen an einer Weinfachschule zu
erwerben. Daraus folgt, dass der Gesuchsteller, der keinen solchen Kurs
mit Erfolg besucht hat, sich über diejenigen Kenntnisse muss ausweisen
können, die ein erfolgreicher Absolvent eines Monatskurses erworben hat.

    c) Zu der Art und Weise, wie die Gesuchsteller diese Kenntnisse
erwerben können, nehmen weder die Weinhandelsverordnung noch das Reglement
genauer Stellung. Auf jeden Fall schreiben sie nicht vor, dass der
Gesuchsteller den Monatskurs einer Weinfachschule besucht haben muss,
oder dass er wenigstens die am Schlusse solcher Kurse vorgesehene Prüfung
bestanden hat. Sie überlassen es, abgesehen von dem Fall, in dem ein
Gesuchsteller sich nicht über das Vorhandensein genügender technischer
Kenntnisse ausweisen kann, dem Gesuchsteller, auf welche Weise er sich die
nötigen Kenntnisse erwerben will. Das ergibt sich schon aus dem Wortlaut
der Weinhandelsverordnung. Das Reglement andererseits erwähnt in Art. 3
Ziff. 3 ausdrücklich, dass der Nachweis z.B. auch durch Zeugnisse über
die bisherige Tätigkeit erbracht werden kann. Es kann daher auch der
Erwerb der Kenntnisse auf dem Wege des Selbststudiums, der praktischen
Berufserfahrung oder durch Besuch anderweitiger Kurse, die den Monatskursen
einer Weinfachschule gleichwertig sind, anerkannt werden. Die Regierung
hat somit Bundesrecht nicht verletzt, wenn sie es ablehnte, als genügenden
Ausweis nur das Abschlusszeugnis einer Weinfachschule anzuerkennen,
sondern verlangte, dass auch die andern, von den beiden Brüdern Schnell
beigebrachten Ausweise geprüft werden müssen. Eine Verpflichtung, dass
in jedem Fall der Besuch eines Monatskurses einer Weinfachschule oder
wenigstens das Bestehen einer Abschlussprüfung eines solchen Kurses für
die Erteilung der Weinhandelsbewilligung nachgewiesen werden muss, könnte
nur durch eine Abänderung der Weinhandelsverordnung eingeführt werden.

    d) Die Weinhandelskommission beruft sich zur Stützung ihrer Auffassung
auf ihre langjährige Praxis. Gegenüber dem Wortlaut und dem offenbaren Sinn
der Weinhandelsverordnung kann dieser Praxis aber keine entscheidende
Bedeutung zukommen; sie hat sich offensichtlich auch nicht zu einem
Gewohnheitsrecht verdichtet.

    Von grösserer Bedeutung wäre allenfalls eine langjährige Praxis des
Bundesrates. Da er selber die Weinhandelsverordnung erlassen hat, darf
man von der Überlegung ausgehen, dass er selber am besten weiss, wie die
Vorschriften der Verordnung zu verstehen und anzuwenden sind. Die beiden,
von der Beschwerdeführerin angerufenen bundesrätlichen Entscheidungen
lassen sich aber nicht in dem von ihr behaupteten Sinn deuten. Im Entscheid
vom 8. Dezember 1958 anerkannte der Bundesrat gegenteils ausdrücklich,
dass weinfachtechnische Kenntnisse nicht nur in einem Weinfachkurs
erworben werden könnten, sondern auch anderwärts; freilich fügte er
bei, der Besuch von Fachkursen könnte trotz guter Vorbildung von einem
seriösen Fachmann kaum umgangen werden. In einem weitern Entscheid vom
20. März 1961 verweigerte er einem Gesuchsteller die Erteilung einer
Weinhandelsbewilligung, weil er zwar einen Fachkurs besucht, aber die
Abschlussprüfung nicht bestanden hatte; es bestand damals für den Bundesrat
kein Anlass, sich darüber auszusprechen, auf welchem Wege die genügenden
Kenntnisse erworben werden könnten.

    Ist Bundesrecht durch den Entscheid der Regierung nicht verletzt
worden, muss die Beschwerde abgewiesen werden. Das hat zur Folge,
dass das Sanitätsdepartement die Ausweise der Gesuchsteller daraufhin
zu prüfen hat, ob die durch sie ausgewiesenen Kenntnisse genügen, um
die Weinhandelsbewilligung erteilen zu können, wobei, wie dargetan,
auf das Fachwissen abzustellen ist, das an einem Monatskurs erworben
werden kann. Gelangt das Departement dabei zur Ansicht, die vorgelegten
Ausweise genügten nicht, oder vermag es sich anhand von diesen keine
sichere Meinung über die Kenntnisse der Gesuchsteller zu bilden, dann
kann es indessen verlangen, dass die Gesuchsteller die Abschlussprüfung
des Monatskurses einer Weinfachschule bestehen. Im übrigen wird es auch
der Behauptung der Gesuchsteller, sie würden rechtsungleich behandelt,
wenn man ihnen die Bewilligung vorenthielte, Beachtung zu schenken haben.

Entscheid:

             Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird abgewiesen.