Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 103 IB 321



103 Ib 321

52. Auszug aus dem Urteil vom 25. November 1977 i.S. S. Regeste

    Dienstverhältnis des Bundesbeamten, Nichtwiederwahl.

    - Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts.

    - Abgrenzung des administrativen Verfahrens nach Art. 57 BtG vom
Disziplinarverfahren.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Gegen Verfügungen betreffend die Nichtwiederwahl eines Beamten
kann Verwaltungsgerichtsbeschwerde geführt werden. Nach der Rechtsprechung
sind dabei nur die Beschwerdegründe von Art. 104 lit. a und b OG zulässig;
die Angemessenheit der Verfügung kann nicht überprüft werden (BGE 99 Ib
237 E. 3).

    Der Beschwerdeführer greift diese Rechtsprechung an. Unter Berufung auf
BGE 100 Ib 26 wird geltend gemacht, in Wirklichkeit handle es sich um eine
Entlassung wegen angeblicher Dienstpflichtverletzungen, die nur im Rahmen
eines Disziplinarverfahrens zur Aufhebung des Dienstverhältnisses führen
könnten. Wo die administrative Entlassung nur vorgeschoben werde, habe
das Bundesgericht auch die Angemessenheit der Entlassung zu überprüfen;
dasselbe müsse auch bei einer Nichtwiederwahl gelten.

    Dieser Auffassung kann nicht zugestimmt werden. Grundsätzlich kann
ein Dienstverhältnis disziplinarisch oder nichtdisziplinarisch aufgelöst
werden. Die nichtdisziplinarische Auflösung von Seiten des Bundes kann
entweder aus wichtigem Grund während der Amtsdauer (Art. 55 BtG) oder durch
Nichterneuerung bei Ablauf der Amtsdauer (Art. 57 BtG) erfolgen. Gemäss
Art. 1 Abs. 2 lit. c des BRB vom 31. März 1976 über die Wiederwahl der
Beamten der allgemeinen Bundesverwaltung für die Amtsdauer 1977-1980 (SR
172.221.121) sind von der Wiederwahl für die neue Amtsdauer ausgeschlossen
Beamte "die hinsichtlich Tauglichkeit oder Verhalten den Anforderungen
des Amtes nicht genügen". Diese Regelung, auf die der hier angefochtene
Entscheid sich stützt, ist nicht zu beanstanden; sie entspricht dem Sinn
des Gesetzes (vgl. BGE 99 Ib 236 E. 3). Der Beschwerdeführer bestreitet
auch nicht die Gesetzmässigkeit dieses BRB. Hat die Wahlbehörde die
Überzeugung, dass ein Beamter hinsichtlich Tauglichkeit oder Verhaltens
den Anforderungen seines Amtes nicht oder nicht mehr genügt, so darf sie
deshalb von der Wiederwahl absehen, ohne Rücksicht darauf, ob das Verhalten
des Beamten Gegenstand eines Disziplinarverfahrens war oder nicht.

    Im heutigen Rechtsstreit ist nicht zu beurteilen, wann bei einer
Amtsenthebung während der Amtsdauer eine disziplinarische Entlassung
durchzuführen ist und wann eine administrative Entlassung aus wichtigem
Grund (vgl. BGE 100 Ib 26). Zur Diskussion steht vielmehr eine
Nichtwiederwahl. Zwar hat JUD, (Besonderheiten öffentlichrechtlicher
Dienstverhältnisse nach schweizerischem Recht, insbesondere bei
Beendigung aus nichtdisziplinarischen Gründen, Diss. Freiburg 1975,
S. 230), übereinstimmend mit dem Beschwerdeführer die Ansicht vertreten,
im Nichtwiederwahlverfahren müsse die Abgrenzung zum Disziplinarverfahren
bei schuldhafter Verletzung von Dienstpflichten die gleiche sein, wie
bei der Auflösung des Dienstverhältnisses aus wichtigem Grund während
der Amtsdauer. Dabei wird jedoch übersehen, dass der Ermessensbereich
der Wahlbehörde während der Amtsdauer wesentlich kleiner ist als
am Ende derselben. Der gewählte Beamte hat Anspruch darauf, dass
während der Amtsdauer das Dienstverhältnis nur wegen eines schweren
Disziplinarfehlers im Sinne von Art. 31 Abs. 1 Ziff. 9 BtG oder aus
einem wichtigen Grunde im Sinne von Art. 54/55 BtG aufgelöst wird. Über
die Erneuerung des Beamtenverhältnisses nach Ablauf der Amtsdauer
entscheidet dagegen die Wahlbehörde "nach freiem Ermessen". Sie darf und
muss bei dieser Gelegenheit das gesamte verschuldete und unverschuldete
Verhalten des Beamten in der Vergangenheit überprüfen, und sie hat
auf Grund der Gesamtwürdigung der Persönlichkeit zu entscheiden, ob
der Beamte hinsichtlich Tauglichkeit und Verhalten den Anforderungen
des Amts weiterhin genügen wird. Wurden während der abgelaufenen
Amtsdauer Disziplinarverfahren durchgeführt, so erleichtern diese die
Gesamtbeurteilung; wurden keine durchgeführt, so spricht dies dafür,
dass nach Ansicht der Vorgesetzten kein Anlass zu einem solchen Verfahren
bestand. Der Gesamtwürdigung bei der Wiederwahl wird aber durch das
Durchführen oder Unterlassen von Disziplinarverfahren nicht vorgegriffen.

    Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers hat das
Bundesgericht auch nie erklärt, dass bei der Nichtwiederwahl die
Dienstpflichtverletzungen eines Beamten nicht massgebend seien; es hat im
Gegenteil ausgeführt, für die Nichtwiederwahl sei nicht erforderlich, dass
dem Beamten ein Verhalten vorzuwerfen sei, welches nach Art. 30 BtG Anlass
zu einer disziplinarischen Massnahme geben könnte; es genüge vielmehr,
dass die wegen Beanstandung der Leistung oder des Verhaltens des Beamten
verfügte Nichtwiederwahl nach den Umständen als eine sachlich haltbare,
nicht willkürliche Massnahme erscheine (BGE 99 Ib 237 E. 3). Daran ist
festzuhalten.