Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 103 IB 288



103 Ib 288

46. Auszug aus dem Urteil vom 3. Juni 1977 i.S. M. gegen Kantonale
Rekurskommission Bern Regeste

    Art. 28 Abs. 2 VStG.

    Rückerstattung der Verrechnungssteuer auf Kapitalerträgen, die während
des ausländischen Wohnsitzes eines UNO-Beamten schweizerischer Nationalität
fällig geworden sind?

Sachverhalt

    A.- M. war vom 1. Februar 1973 bis 31. Januar 1974 als Beamter des
Eidg. Amtes für Verkehr beurlaubt, um im Auftrag des Büros für technische
Zusammenarbeit der Vereinten Nationen als Experte für Verkehrsfragen in
Gabun einen Fünfjahresplan vorzubereiten. Es wurde davon ausgegangen,
dass M. während dieser Zeit von den Steuern in der Schweiz und Gabun
befreit werde, dass er aber eine UNO-Abgabe entrichten müsse. Hinsichtlich
seiner Entlöhnung vereinbarte M. mit der Direktion des Personals der
Vereinten Nationen, dass sein Netto-Gehalt (Gehalt minus UNO-Abgabe)
seinem schweizerischen Netto-Einkommen (Gehalt als eidg. Beamter
minus schweizerische Steuerbelastung) entsprechen solle. Anlässlich der
Veranlagung für die Jahre 1975/76 stellte M. ein Gesuch um Rückerstattung
der während der Jahre 1973 und 1974 erhobenen Verrechnungssteuer. Mit
Entscheid vom 6. Januar 1976 gab das Verrechnungssteueramt des Kantons
Bern diesem Gesuch teilweise statt, stellte aber fest, dass M. keinen
Anspruch auf Rückerstattung der Verrechnungssteuer habe, welche auf den
während seines Auslandaufenthaltes fällig gewordenen Erträgen erhoben
worden sei. Eine gegen diesen Entscheid erhobene Einsprache wurde
abgewiesen. Auch ein bei der Kantonalen Rekurskommission eingelegter
Rekurs hatte keinen Erfolg.

    Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt M., der Entscheid
der Rekurskommission sei aufzuheben und dem Antrag auf Rückerstattung
der in der Zeit vom 1. Februar 1973 bis 31. Januar 1974 abgezogenen
Verrechnungssteuer sei gestützt auf Art. 28 Abs. 2 VStG zu entsprechen. Das
Bundesgericht weist die Beschwerde ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- a) Die Verrechnungssteuer wird beim Schuldner der Erträge
bestimmter Kapitalanlagen zu Lasten des Gläubigers erhoben. Ist der
Gläubiger eine natürliche Person, wird ihm die Verrechnungssteuer u.a. dann
zurückerstattet, wenn er bei Fälligkeit der steuerbaren Leistung im
Inland Wohnsitz hatte (Art. 22 Abs. 1 VStG) und somit grundsätzlich in der
Schweiz bezüglich Einkommen und Vermögen steuerpflichtig war. Der Anspruch
auf Rückerstattung wird verwirkt, wenn die mit der Verrechnungssteuer
belasteten Einkünfte oder Vermögen, woraus solche Einkünfte fliessen,
entgegen gesetzlicher Vorschrift der zuständigen Steuerbehörde nicht
angegeben werden (Art. 23 VStG).

    b) Anspruch auf Rückerstattung der Verrechnungssteuer haben auch
verschiedene Personen, welche in der Schweiz Wohnsitz oder dauernden
Aufenthalt haben und darum hier grundsätzlich steuerpflichtig wären,
aber aufgrund bestimmter Umstände von der schweizerischen Einkommens-
und Vermögenssteuer befreit worden sind. So steht den in der Schweiz
niedergelassenen internationalen Organisationen und ihren Beamten ein
Anspruch auf Rückerstattung der Verrechnungssteuer zu, wenn sie bei
Fälligkeit der steuerbaren Leistung nach gesetzlicher Vorschrift,
Vertragsrecht oder Übung von der Errichtung kantonaler Steuern auf
Wertpapieren und Bankguthaben sowie auf dem Ertrag solcher Werte befreit
waren (Art. 28 Abs. 2 VStG).

    Steuerbefreiungen von Beamten internationaler Organisationen werden
in den sog. Sitzabkommen zwischen der Schweiz und den betreffenden
Organisationen geregelt. Gemäss Art. V Abs. 16 des Abkommens vom 19. April
1946 über die Vorrechte und Immunitäten der Organisation der Vereinigten
Nationen zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und dem Generalsekretär der
Vereinigten Nationen (AS 1956, S. 1092 ff.) revidiert durch Briefwechsel
vom 5./19. April 1963 (AS 1963, S. 406) geniessen der Generalsekretär,
die Unter-Generalsekretäre und die gleichgestellten Beamten sowie
ihre Ehegatten und minderjährigen Kinder die Vorrechte, Immunitäten,
Befreiungen und Erleichterungen, die nach Völkerrecht und internationaler
Übung den diplomatischen Gesandten zuteil werden. Nach dieser Bestimmung
geniessen ausserdem die Beamten der vom Generalsekretär oder von der durch
ihn beauftragten Person bezeichneten und vom Schweizerischen Bundesrat
genehmigten Kategorien die Vorrechte, Immunitäten, Befreiungen und
Erleichterungen, die den diplomatischen Vertretern, die nicht Missionschefs
sind, zuteil werden. Auf die genannten beiden Gruppen von hohen UNO-Beamten
(Beamten der sog. ersten Kategorie) kommt Art. 34 des Wiener Übereinkommens
über diplomatische Beziehungen vom 18. April 1961 (AS 1964, S. 435 ff.) zur
Anwendung, wonach diplomatische Vertreter (mit gewissen in lit. a bis f
genannten Vorbehalten) von allen staatlichen, regionalen und kommunalen
Personal- und Realsteuern oder -abgaben befreit sind.

    Eine zweite Kategorie von UNO-Beamten, deren Namen der Generalsekretär
dem Bundesrat periodisch bekanntgibt, ist gemäss Art. V Abs. 15 lit. b
des genannten Sitzabkommens mit der UNO nur von den Steuern auf Gehältern
und Vergütungen befreit, die von der UNO ausbezahlt werden. Das interne
schweizerische Recht hat allerdings zum Teil für diese zweite Kategorie von
UNO-Beamten auch eine Steuerbefreiung bezüglich des nicht geschäftsmässig
investierten Kapitals und des daraus fliessenden Ertrages eingeführt
(vgl. die Regelung im Kanton Genf: GERARD MENETREY, Les privilèges
fiscaux des fonctionnaires internationaux, RDAF 29/1973, S. 244; GEORGES
PERRENOUD, Régime des Privilèges et Immunités des Missions diplomatiques
étrangères et des Organisations internationales en Suisse, Diss. Genf,
1949, S. 202; ferner die Regelung bei der Wehrsteuer: MASSHARDT, Kommentar
zur eidg. Wehrsteuer 1971-1982, Ausgabe 1972, N. 8 lit. a zu Art. 17 WStB).

    c) Keinen Anspruch auf Rückerstattung der Verrechnungssteuer haben
grundsätzlich natürliche Personen mit Wohnsitz im Ausland, welche in
Bezug auf die Einkommens- und Vermögenssteuer nicht der schweizerischen
Steuerhoheit unterstehen. Für diese Personen wird die Verrechnungssteuer
zu einer definitiven, besonderen fiskalischen Belastung. Vorbehalten
bleiben allerdings Bestimmungen, welche in Abkommen zur Vermeidung der
Doppelbesteuerung vereinbart worden sind.

Erwägung 2

    2.- Der Beschwerdeführer hatte während seiner Mission in Gabun in
der Schweiz keinen Wohnsitz. Er stützt seine Forderung auf Rückerstattung
der Verrechnungssteuer darum zu Recht nicht auf Art. 22 Abs. 1 VStG, da
diese Bestimmung nur Personen mit Wohnsitz in der Schweiz einen solchen
Anspruch einräumt.

    Da der Beschwerdeführer während der Dauer seiner Tätigkeit in Gabun
der schweizerischen Steuerhoheit mangels Wohnsitz in der Schweiz nicht
unterstellt war, hatte er während dieser Zeit keine kantonalen Steuern
auf Wertpapieren und Bankguthaben sowie den Erträgen solcher Werte
zu bezahlen. Der Beschwerdeführer scheint demgegenüber der Auffassung
zu sein, der Grund, weshalb er in der Schweiz keine Steuer zu zahlen
hatte, liege in einer Steuerbefreiung gemäss Art. V Abs. 15 lit. b des
genannten Sitzabkommens mit der UNO. Dies trifft jedoch nicht zu. Der
Beschwerdeführer konnte nämlich nicht von einer Steuer befreit werden,
zu deren Bezahlung er von vorneherein nicht verpflichtet war.

    Für eine Rückerstattung der Verrechnungssteuer nach Art. 28 Abs. 2 VStG
bildet eine Befreiung von grundsätzlich geschuldeten kantonalen Steuern
auf den genannten Vermögenswerten und den daraus fliessenden Erträgen
die Voraussetzung. Der Beschwerdeführer erfüllt diese Voraussetzung
nicht. Es steht ihm darum gestützt auf diese Bestimmung kein Anspruch
auf Rückerstattung der Verrechnungssteuer zu.

Erwägung 3

    3.- Infolge seines Wohnsitzes im Ausland ist der Beschwerdeführer
vielmehr grundsätzlich verpflichtet, während dieser Zeit die
Verrechnungssteuer als definitive fiskalische Belastung zu tragen. Ein
Doppelbesteuerungsabkommen, welches die Steuerpflicht anders regeln würde,
ist zwischen der Schweiz und Gabun nicht abgeschlossen worden.

    Auch eine anderweitige, auf internationales Recht gestützte Befreiung
des Beschwerdeführers von der schweizerischen Verrechnungssteuer ist
nicht ersichtlich. Aus der in Art. 34 des Wiener Übereinkommens über
diplomatische Beziehungen festgelegten umfassenden Steuerbefreiung kann
der Beschwerdeführer jedenfalls nichts für sich ableiten, da diese nur
bei der ersten Kategorie der UNO-Beamten, d.h. bei den hohen Beamten
zur Anwendung kommt. Zu dieser Kategorie gehört der Beschwerdeführer
aber nicht. Zudem könnte er sich als Schweizerbürger ohnehin gegenüber
der Schweiz nicht auf diese Bestimmung berufen (vgl. Art. 38 des Wiener
Übereinkommens und BBl. 1963 I, S. 255 f.).

    Bei dieser Sachlage kann offen bleiben, ob die hohen UNO-Beamten die
Verrechnungssteuer auch dann zurückfordern könnten, wenn sie im Ausland
Wohnsitz haben. Eine solche Befreiung von der durch die Verrechnungssteuer
bewirkten fiskalischen Belastung der im Ausland wohnhaften Gläubiger
bestimmter Kapitalerträge erscheint bei den hohen UNO-Beamten im
Hinblick auf den Wortlaut von Art. 34 des Wiener Übereinkommens
nicht als ausgeschlossen. In diesem Fall wäre das Kreisschreiben
der Eidg. Steuerverwaltung vom 30. Juli 1957 (PFUND, Die Praxis der
Bundessteuern, II. Teil, Bd. 3, X, N. 21 zu Art. 1, Abs. 1 der Vfg. 1a)
sowie die sich darauf stützende Argumentation der Vorinstanz, wonach
ein UNO-Beamter die Verrechnungssteuer generell nur zurückfordern könne,
wenn er in der Schweiz Wohnsitz oder dauernden Aufenthalt habe, bezüglich
der hohen UNO-Beamten nicht zutreffend.

    Die Argumentation der Vorinstanz trifft jedoch auf die weitaus
grössere Anzahl der UNO-Beamten der zweiten Kategorie zu. Diese haben
keinesfalls einen völkerrechtlichen Anspruch auf Befreiung von der
Verrechnungssteuer, wenn sie im Ausland Wohnsitz haben. Zur Rückforderung
der Verrechnungssteuer sind diese Beamten - wie sich aus den obenstehenden
Erwägungen ergibt - nur berechtigt, wenn ihr bewegliches Vermögen und die
daraus fliessenden Erträge in der Schweiz versteuert werden müssen oder
aber hier von der Steuer befreit sind. Beides ist nur denkbar, wenn die
betreffenden UNO-Beamten in der Schweiz Wohnsitz bzw. dauernden Aufenthalt
haben. Somit hat es die Vorinstanz zu Recht abgelehnt, dem Beschwerdeführer
die Verrechnungssteuer, welche auf den während seines Auslandaufenthaltes
fällig gewordenen Kapitalerträgen erhoben worden war, zurückzuerstatten.