Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 103 IB 247



103 Ib 247

39. Urteil vom 9. September 1977 i.S. Schweiz. Eidgenossenschaft
(PTT-Betriebe) gegen Regierungsrat des Kantons Zürich Regeste

    Gesetzgebung über die Forstpolizei, Elektrizitätsgesetz.

    Welche Ordnung ist anzuwenden, wenn die PTT-Betriebe Waldareal für
den Bau von Telefonleitungen in Anspruch nehmen?

    1. Zuständigkeit des Bundesgerichts. Zulässig ist die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde, nicht die staatsrechtliche Klage nach
Art. 83 lit. a OG (E. 1 und 2).

    2. Massgebend sind die Vorschriften über die Forstpolizei, nicht die
Art. 5 - 7 ElG. Zuständigkeit der kantonalen Behörde (E. 3 - 5).

    3. Gebühren für die Entscheide der kantonalen Instanzen. Massgebend
ist das kantonale Recht (E. 6).

Sachverhalt

    A.- Am 16. Juli 1974 stellte die Stadtforstverwaltung Winterthur
im Namen Kreistelefondirektion Winterthur beim kantonalen Oberforstamt
zuhanden der kantonalen Direktion der Volkswirtschaft das Gesuch,
die Erstellung einer Telefonkabelleitung längs der Wildparkstrasse im
Areal des Stadtwaldes von Winterthur zu bewilligen. Das Kabel sollte
eine störungsanfällige und die Bewirtschaftung des Waldes behindernde
Freileitung ersetzen. Die Volkswirtschaftsdirektion entsprach am 24. Juli
1974 dem Gesuch. Für die Bewilligung hatte die Kreistelefondirektion
Gebühren im Betrag von Fr. 68.40 zu entrichten.

    Gegen die Verfügung der Volkswirtschaftsdirektion legte die
Generaldirektion der PTT-Betriebe (GD PTT) namens des Bundes Rekurs beim
Regierungsrat des Kantons Zürich ein. Sie beantragte, die Verfügung sei
aufzuheben, die erhobenen Gebühren seien zurückzuerstatten und es sei
festzustellen, dass die Inanspruchnahme von Waldungen für Telegrafen-
und Telefonleitungen nicht bewilligungs- und gebührenpflichtig sei. Der
Regierungsrat wies den Rekurs am 29. Dezember 1976 ab. Die Kosten des
Rekursverfahrens, bestehend aus einer Staatsgebühr von Fr. 1'000.--
und den Ausfertigungsgebühren, wurden dem Bund auferlegt.

    Die GD PTT erhebt im Namen der Eidgenossenschaft
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Regierungsrates
und gleichzeitig staatsrechtliche Klage gemäss Art. 83 lit. a OG gegen
den Kanton Zürich. In beiden Eingaben verlangt sie die Aufhebung des
Entscheides des Regierungsrates, die Rückerstattung des Gebührenbetrages
von Fr. 68.40 und die Feststellung, dass die Inanspruchnahme von Waldungen
für Telegrafen- und Telefonleitungen keiner Rodungsbewilligung gemäss
Forstpolizeigesetz bedürfe. Die Begründung stützt sich auf die Art. 5 -
7 ElG.

    Der Regierungsrat beantragt die Abweisung der Beschwerde und
der Klage. Das Eidg. Departement des Innern teilt die Auffassung des
Regierungsrates.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Nach Art. 102 lit. a OG ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde
unzulässig, wenn die verwaltungsrechtliche Klage nach Art. 116 oder
jede andere Klage oder Beschwerde an das Bundesgericht ausser der
staatsrechtlichen Beschwerde offen steht. Hier fragt sich, ob die
staatsrechtliche Klage, welche die GD PTT gestützt auf Art. 113 Ziff. 1 BV
und Art. 83 lit. a OG neben einer Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhebt,
zulässig sei. Das Gericht hat zu prüfen, ob die ihm unterbreitete
Streitigkeit, nach Massgabe der Rechtsbegehren und ihrer Begründung,
als Kompetenzkonflikt im Sinne dieser Bestimmungen zu qualifizieren
sei (vgl. BGE 91 I 122, 78 I 379 f.; GYGI, Verwaltungsrechtspflege und
Verwaltungsverfahren im Bund, 2. Aufl. S. 79).

    Solche Kompetenzkonflikte sind Anstände zwischen dem Bund und
einem oder mehreren Kantonen über die Ausscheidung der beiderseitigen
Hoheitssphären; sie haben die Abgrenzung der Souveränität des Bundes
einer- und der Kantone anderseits zum Gegenstand (BGE 81 I 39; BURCKHARDT,
Komm. der BV, 3. Aufl. S. 773 f.; BIRCHMEIER, Handbuch des OG, S. 290;
IMBODEN, Staat und Recht, S. 267).

    Nach der Gesetzgebung des Bundes über die Forstpolizei sind die
kantonalen Behörden in bestimmten Fällen für die Bewilligung von Rodungen
zuständig (Art. 31 Abs. 2, Art. 50 Abs. 2 FPolG, Art. 25bis FPolV). Als
Rodung gilt auch jede Beanspruchung von Waldboden, die eine dauernde oder
vorübergehende Zweckentfremdung zur Folge hat (Art. 25 Abs. 1 FPolV). Der
Regierungsrat des Kantons Zürich nimmt an, in die allgemeine Zuständigkeit,
welche die eidgenössische Forstpolizeigesetzgebung den kantonalen Behörden
zuweist, falle auch der Entscheid darüber, ob Waldareal für den Bau
von Telegrafen- und Telefonleitungen beansprucht werden dürfe. Dagegen
ist die GD PTT der Meinung, hierüber hätten nach den Art. 5 ff. des
eidgenössischen Elektrizitätsgesetzes die PTT-Betriebe selber - unter
Vorbehalt eines allfälligen Entscheids des Bundesrates nach Art. 7 Abs. 2
ElG - zu befinden; diese besonderen Bestimmungen gingen der allgemeinen
Ordnung der Forstpolizeigesetzgebung vor. Die Beteiligten streiten demnach
nicht über die bundesstaatliche Ausscheidung der Staatsgewalt zwischen
Bund und Kantonen, sondern über die Abgrenzung des Geltungsbereiches
von Erlassen des Bundes auf dem Gebiete des Verwaltungsrechtes
(Forstpolizeigesetzgebung und Elektrizitätsgesetzgebung) und der
bundesrechtlich geordneten Zuständigkeit zur Anwendung dieser Erlasse.
Daraus folgt, dass nicht ein Kompetenzkonflikt im Sinne von Art. 113
Ziff. 1 BV und Art. 83 lit. a OG vorliegt (vgl. BGE 49 I 283 f.).

    Auf die staatsrechtliche Klage ist daher nicht einzutreten.

Erwägung 2

    2.- Der angefochtene Entscheid des Regierungsrates des Kantons Zürich
ist eine auf öffentliches Recht des Bundes (Forstpolizeigesetzgebung)
gestützte Verfügung im Sinne des Art. 5 VwVG. Er unterliegt als Verfügung
einer letzten kantonalen Instanz der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
(Art. 97, 98 lit. g OG). Die Zuständigkeit des Bundesgerichtes nach
Art. 97 ff. OG erstreckt sich auch auf die Frage, ob die kantonale
Instanz nach Bundesrecht zum Entscheid im vorliegenden Fall kompetent
war. Das Bundesgericht hat im verwaltungsgerichtlichen Verfahren
insbesondere darüber zu befinden, ob für die Anwendung von Erlassen des
Bundes auf dem Gebiete des Verwaltungsrechts primär eidgenössische oder
kantonale Instanzen zuständig sind (vgl. BGE 97 I 855). Gerade diese
Frage ist hier streitig. Die Eidgenossenschaft (PTT-Betriebe) ist zur
Verwaltungsgerichtsbeschwerde legitimiert. Auf die erhobene Beschwerde
ist einzutreten.

Erwägung 3

    3.- Das Elektrizitätsgesetz regelt in Art. 5 - 7 entgegen der
Auffassung der GD PTT den vorliegenden Sachverhalt nicht.

    Nach Art. 5 ElG ist der Bund berechtigt, für die Erstellung von
Telegrafen- und Telefonlinien öffentliche Plätze, Strassen, Fahr-
und Fusswege sowie auch öffentliche Kanäle, Flüsse, Seen und deren
Ufer, soweit diese dem öffentlichen Gebrauche dienen, unentgeltlich in
Anspruch zu nehmen. Dieses Recht bezieht sich also auf öffentlichen,
im Gemeingebrauch stehenden Grund und Boden (TUASON, Das Recht der
PTT-Betriebe, 2. Aufl. S. 132). Der Wald zählt jedoch nicht zu den Sachen
im Gemeingebrauch, selbst wenn er Eigentum einer Gemeinde ist (GRISEL,
Droit administratif suisse, S. 283 f.; vgl. BGE 97 II 377). Er wird denn
auch in Art. 5 ElG, der den mit der Befugnis zur Inanspruchnahme belasteten
öffentlichen Grund konkret umschreibt, nicht erwähnt. Im allgemeinen
dürften auch Flur- und Waldwege nicht zu den Sachen im Gemeingebrauch zu
rechnen sein (vgl. hinsichtlich der Flurwege IMBODEN/RHINOW, Schweiz.
Verwaltungsrechtsprechung, 5. Aufl. S. 20, 813). Wie es sich mit den
Waldwegen verhält, braucht indes hier nicht entschieden zu werden, da
die in Frage stehende Kabelleitung ausserhalb der Wildparkstrasse zu
liegen kommt.

    Ebensowenig kann die Beschwerdeführerin sich für ihren Standpunkt
auf Art. 6 ElG berufen. Diese Bestimmung betrifft die Beanspruchung
des Luftraumes über privatem Eigentum für oberirdische Telegrafen- und
Telefonleitungen (Freileitungen), nicht für Kabelleitungen. Übrigens könnte
dem Art. 6 ElG auch nicht entnommen werden, dass der Bund berechtigt wäre,
Waldareal für Telegrafen- und Telefonleitungen ohne Berücksichtigung der
Forstpolizeigesetzgebung - in materieller und organisatorischer Hinsicht -
in Anspruch zu nehmen.

    Auch aus BGE 97 I 527 ff. kann die Beschwerdeführerin nichts für
ihre Auffassung ableiten. Zwar hat das Bundesgericht dort erklärt, die
Vorschriften der Art. 5 - 7 ElG enthielten nicht nur öffentlich-rechtliche
Eigentumsbeschränkungen, sondern auch eine Befreiung der PTT-Betriebe
vom kantonalen Baupolizeirecht. Das bedeutet jedoch gerade keine
Befreiung des Bundes von seiner eigenen Gesetzgebung. Vielmehr hat das
Bundesgericht in jenem Entscheid nur zum Verhältnis von kantonalem und
Bundesrecht Stellung genommen, sofern kantonales Recht der Erfüllung von
Bundesaufgaben hinderlich sein könnte (vgl. auch BGE 99 Ia 257 f., 97 I
593 f., 92 I 210 f., 91 I 423 f.). Aus dem Elektrizitätsgesetz kann somit
nicht der Schluss gezogen werden, dass die Vorschriften der eidgenössischen
Forstpolizeigesetzgebung, zumal die Bestimmungen über die Walderhaltung,
für den Bund nicht massgeblich wären (vgl. auch BGE 98 Ib 218 f.;
Art. 22 Abs. 2 Verordnung des Bundesrates über die Nationalstrassen). Wo
der Gesetzgeber Vorschriften zum Schutz bestimmter Interessen aufstellt,
hat das betreffende Gemeinwesen selbst sich ebenfalls an diese Ordnung
zu halten (BGE 91 I 422 f.).

Erwägung 4

    4.- Die Forstpolizeigesetzgebung regelt die Frage nicht besonders, wer
zur Bewilligung zuständig ist, wenn Waldareal für Bundeszwecke in Anspruch
genommen wird. Es wäre denkbar, dass dann, wenn darüber zu befinden ist, ob
das öffentliche Interesse an der Walderhaltung gegenüber den Bedürfnissen
des Bundes auf dem Gebiete des Bauwesens - insbesondere des Leitungsbaues
der PTT-Betriebe - zurückzutreten habe, die zuständigen eidgenössischen
Amtsstellen sich ins Einvernehmen zu setzen haben und mangels einer
Verständigung eine ihnen gemeinsam übergeordnete Instanz zu entscheiden
hätte. Indes wäre selbst dann der Erlass einer beschwerdefähigen Verfügung
nicht entbehrlich, weil der Waldeigentümer mitbetroffen ist. Nicht zu
erwägen wäre dagegen, dass die PTT-Verwaltung über die Angelegenheit völlig
eigenständig entscheiden könnte. Gerade weil aber auch die Interessen der
Waldeigentümer zu berücksichtigen sind, besteht kein zwingender Anlass,
die allgemeine Zuständigkeitsordnung der Forstpolizeigesetzgebung nicht
gelten zu lassen, wenn sich die Frage stellt, ob Waldareal für Telegrafen-
oder Telefonleitungen in Anspruch genommen werden darf. Das Beispiel der
Verordnung über die Nationalstrassen (Art. 22 Abs. 2) zeigt, dass eine
Notwendigkeit, von dieser Zuständigkeitsordnung abzuweichen, wenn es um die
Ausführung baulicher Aufgaben des Bundes geht, nicht besteht. Zu diesem
Schluss ist auch das zur Vernehmlassung eingeladene Eidg. Departement
des Innern nach Konsultation des Eidg. Oberforstinspektorates gelangt.

Erwägung 5

    5.- Die Beschwerdeführerin wendet ein, die PTT-Betriebe müssten
nach Art. 25bis FPolV dann, wenn das für den Bau einer Telefonleitung
beanspruchte Waldareal im Schutzwaldgebiet mehrerer Kantone läge,
ein Bewilligungsgesuch beim Eidg. Oberforstinspektorat stellen und
im Streitfall Beschwerde beim Eidg. Departement des Innern und beim
Bundesgericht einlegen, wenn der Auffassung des Regierungsrates gefolgt
würde; ein solches Verfahren sei aber "nicht möglich". Bestände diese
Möglichkeit nicht, so wäre dies aber kein ausreichender Grund anzunehmen,
dass in der Zuständigkeitsordnung der Forstpolizeigesetzgebung eine Lücke
bestehe, die vom Richter auszufüllen wäre. Es wäre diesfalls Sache des
Bundes, die interne Koordination divergierender Verwaltungsinteressen
herbeizuführen (vgl. E. 4 hiervor) oder die Zuständigkeitsordnung zu
ändern.

    Die Beschwerdeführerin weist auf Art. 7 Abs. 2 ElG hin, wonach der
Bundesrat entscheidet, wenn die PTT-Betriebe keine Einigung mit dem
Grundeigentümer über die Linienführung erzielen. Sie macht geltend,
die Auffassung des Regierungsrates hätte zur Folge, dass auch noch das
Bundesgericht über die Linienführung zu befinden hätte, falls sich in
forstpolizeilicher Hinsicht Schwierigkeiten ergeben; es könnte daher zu
Kompetenzkonflikten zwischen Bundesrat und Bundesgericht kommen. Auch
dieser Einwand schlägt nicht durch. Wie gesagt, treffen die Art. 5 -
7 ElG auf den vorliegenden Sachverhalt nicht zu. Es ist Sache der nach
der Forstpolizeigesetzgebung für die Bewilligung von Rodungen zuständigen
Behörden, darüber zu befinden, ob Telegrafen- und Telefonlinien durch
Waldareal geführt werden dürfen.

Erwägung 6

    6.- Soweit die Entscheide der Vorinstanzen den Bund mit Gebühren
belasten, stützen sie sich auf kantonales Recht. Die Gesetzgebung
des Bundes enthält in dieser Beziehung keine Vorschriften. Die vom
Eidg. Departement des Innern aufgeworfene Frage, ob die Belastung
des Bundes mit den Kosten des Verfahrens vor dem Regierungsrat gegen
Art. 63 Abs. 2 VwVG verstosse, stellt sich nicht; denn diese Vorschrift
ist hier nicht anwendbar, wie sich aus Art. 1 Abs. 3 VwVG ergibt. Da
die Verwaltungsgerichtsbeschwerde hinsichtlich der Zuständigkeitsfrage
nicht durchdringt und nicht geltend gemacht wird, dass die Regelung der
Kostenfrage durch die kantonalen Instanzen willkürlich oder sonstwie
verfassungswidrig sei, kann das Bundesgericht auch den Entscheid des
Regierungsrates über die Kosten nicht aufheben oder ändern (Art. 157 OG;
BGE 99 Ib 215 oben).

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    1. Auf die staatsrechtliche Klage wird nicht eingetreten.

    2. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.