Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 103 IB 188



103 Ib 188

31. Urteil des Kassationshofes vom 8. September 1977 i.S. C. gegen
Justizdirektion des Kantons Zürich Regeste

    Art. 10 Abs. 4 VStrR. Zahlung einer in Haft umgewandelten Busse.

    Auch eine nachträgliche Teilzahlung der Busse ist zulässig und an
den noch nicht verbüssten Teil der Umwandlungsstrafe anzurechnen. In
welchem Umfang die Haft verkürzt wird, ist nach dem in Art. 10 Abs. 3
VStrR aufgestellten Schlüssel zu berechnen.

Sachverhalt

    A.- Wegen Widerhandlung gegen den Warenumsatzsteuerbeschluss
wurde C. von der Eidgenössischen Oberzolldirektion mit rechskräftigem
Strafbescheid vom 10. März 1976 mit einer Busse von Fr. 5'845.--
bestraft. Auf Antrag der Zollverwaltung verfügte der Einzelrichter in
Strafsachen des Bezirksgerichtes Bülach am 12. November 1976 die Umwandlung
der Busse in 90 Tage Haft ohne Aufschub des Vollzuges.

    Mit Begehren vom 9. Februar 1977 ersuchte C., gegen Bezahlung von Fr.
1'500.-- vom Vollzug der Haftstrafe abzusehen. Die Staatsanwaltschaft
des Kantons Zürich hat dieses Gesuch am 2. Mai 1977 abgewiesen, die
Direktion der Justiz des gleichen Kantons am 25. Mai 1977 einen dagegen
eingereichten Rekurs.

    Mit einer als staatsrechtliche Beschwerde bezeichneten Eingabe
beantragt C., die Verfügung vom 25. Mai 1977 sei aufzuheben und die
Sache zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen, eventuell
sei diese anzuweisen, ein neues Umwandlungsbegehren im Sinne von Art. 10
VStrR an den zuständigen Richter zu stellen, eventuell sei der zuständige
Richter zu bezeichnen.

    Die Justizdirektion des Kantons Zürich beantragt, auf die Beschwerde
sei nicht einzutreten, eventuell sei sie abzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Der Beschwerdeführer ist der Meinung, nach der Umwandlung der
Busse in Haft müssten, wie vor der Bussenumwandlung, Teilzahlungen unter
entsprechender Reduktion der Haftstrafe entgegengenommen werden. Die
gegenteilige Ansicht der kantonalen Vollzugsbehörden sei willkürlich und
führe zu ungleicher Behandlung.

    Streitig ist somit nicht die Umwandlung der Busse selber, worüber
der Richter befindet, sondern ob auch eine nach rechtskräftiger
Umwandlung geleistete Teilzahlung auf die Haftstrafe angerechnet
werden müsse. Das ist eine Frage des eidgenössischen Rechts, die den
Strafvollzug betrifft. Zulässiges Rechtsmittel, um diese Rechtsfrage zur
Entscheidung zu bringen, ist daher die Verwaltungsgerichtsbeschwerde,
die der staatsrechtlichen Beschwerde vorgeht (Art. 84 Abs. 2 und Art. 100
lit. f OG; BGE 69 IV 153 Nr. 34). Die Eingabe richtet sich gegen eine
letztinstanzliche Verfügung der kantonalen Vollzugsbehörde (Art. 90 Abs. 2
VStrR, Art. 98 lit. g OG). Auf die Beschwerde ist daher einzutreten.

Erwägung 2

    2.- Nach Art. 10 Abs. 3 VStrR hat der Richter, der eine Busse
umwandelt, Teilzahlungen in der Weise zu berücksichtigen, dass
er die Umwandlungsstrafe im Verhältnis dieser Teilzahlungen zum
ganzen Bussenbetrag herabsetzt, wobei 30 Franken einem Tag Haft (oder
Einschliessung) gleichzustellen sind; Absatz 4 des Art. 10 VStrR sieht
sodann vor, dass die Bezahlung der Busse nach der Umwandlung den Wegfall
der Umwandlungsstrafe bewirkt, soweit diese noch nicht vollzogen ist.

    a) Die erwähnten neuen Bestimmungen des Verwaltungsstrafrechts
weichen sowohl vom bisher geltenden Recht (Art. 317 BStP) als auch von
der Ordnung des Strafgesetzbuches (Art. 49 StGB) ab. Die frühere Praxis
des Bundesrates als Beschwerdeinstanz in Strafvollzugssachen, nach der die
nachträgliche Zahlung einer rechtskräftig in Haft umgewandelten Busse nicht
von der Verbüssung der Umwandlungsstrafe befreie (VEB 1948-50 Nr. 104),
kann somit heute nicht mehr angerufen werden. Leitender Gesichtspunkt
des neuen Rechts, das in Art. 10 Abs. 4 VStrR die nachträgliche Zahlung
ausdrücklich zulässt, ist nun, dass die von Gesetzes wegen verwirkte
Strafe an sich die Busse ist, während die Haft nur deren Ersatz darstellt.
Damit wird auch den fiskalischen Interessen des Verwaltungsstrafrechts
besser Rechnung getragen.

    b) Von Teilzahlungen ist zwar nur in Art. 10 Abs. 3 VStrR
die Rede, der sich auf Zahlungen vor der Umwandlung der Busse
bezieht. Die verhältnismässige Anrechnung solcher Teilzahlungen auf
die Umwandlungsstrafe hat im Verwaltungsstrafrecht ihre besondere
Berechtigung, weil oft hohe Fiskalbussen verhängt werden und die Bezahlung
in Teilbeträgen bewilligt werden kann. Doch stehen keine gewichtigen
Gründe entgegen, den Ersatzcharakter der Haft auch bei Teilzahlungen nach
der Bussenumwandlung zur Geltung zu bringen, nachdem das Gesetz in Absatz
4 selber die Bezahlung der Busse auch nach rechtskräftiger Umwandlung,
also auch noch während des Vollzuges der Umwandlungsstrafe für zulässig
erklärt hat.

    Absatz 4 des Art. 10 VStrR spricht freilich nur von Bezahlung der
Busse. Der wirkliche Sinn dieser Wendung kann aber nicht der sein, dass
der Verurteilte, der bereits einen Teil der Busse durch den Vollzug der
Umwandlungsstrafe verbüsst hat, sich nur durch Bezahlung der ganzen
ursprünglichen Busse vom Vollzug der Reststrafe befreien könne. Eine
solche Auslegung hätte zur Folge, dass der schon verbüsste Teil der Strafe
wieder aufleben würde und zweimal verbüsst werden müsste, das eine Mal
in Form der Haft, das zweite Mal durch Bussenzahlung. Das wäre unhaltbar
und widerspräche auch dem Sinn des Bussenentscheides und des Urteils,
durch das der Richter die Busse in eine entsprechend hohe Haft umgewandelt
hat. Vielmehr kann in Absatz 4 nur die Busse gemeint sein, soweit sie nicht
durch Verbüssung der Umwandlungsstrafe bereits dahingefallen ist. Reicht
aber der angebotene Teilbetrag nicht aus, die durch Haftverbüssung noch
nicht hinfällig gewordene Busse zu decken, so verbleibt der Verurteilte
solange in Haft, bis er auch den Teil der Busse erstanden hat, der durch
die nachträgliche Zahlung nicht gedeckt wird. Dabei ist der Teil der Haft,
der durch den angebotenen Betrag dahinfällt, nach dem in Art. 10 Abs. 3
Satz 2 VStrR aufgestellten Schlüssel zu errechnen.

    c) Entgegen der Ansicht der Vorinstanz bedeutet die Berücksichtigung
der nachträglichen Zahlung keinen Eingriff der Vollzugsbehörde ins
richterliche Urteil. Die Teilzahlung ist ein Umstand, der nach dem
Umwandlungsurteil eingetreten ist und dem die Vollzugsbehörde ohne
Eingriff in die Rechtskraft des Urteils Rechnung tragen kann, wie sie
z.B. auch berechtigt ist, gemäss Art. 38 StGB den Verurteilten vorzeitig
bedingt zu entlassen, gemäss Art. 73 StGB wegen Verjährung vom Vollzug
abzusehen oder gemäss Art. 375 StGB die Sicherheitshaft nach Erlass des
vollstreckbaren Urteils anzurechnen.

    d) Auch wenn der Beschwerdeführer schon vor der Bussenumwandlung
in der Lage gewesen sein sollte, aus dem im Strafvollzug erworbenen
Verdienstanteil einen Teil der Busse zu bezahlen, er sich aber erst
nachträglich zur Leistung der Zahlung entschlossen hätte, so könnte ein
solches Vorgehen nicht als rechtsmissbräuchlich angesehen werden. Darin
läge daher kein Grund, die Entgegennahme der nachträglichen Teilzahlung
abzulehnen.

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird gutgeheissen, die Verfügung der Direktion der
Justiz des Kantons Zürich vom 25. Mai 1977 aufgehoben und die kantonale
Behörde angewiesen, die angebotenen Fr. 1'500.-- unter verhältnismässiger
Anrechnung auf die restliche Umwandlungsstrafe entgegenzunehmen.