Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 103 IB 154



103 Ib 154

27. Urteil vom 14. Juli 1977 i.S. Schindler Aufzüge- und
Elektromotorenfabrik AG und N.V. Philips' Gloeilampenfabrieken gegen
Regierungsrat des Kantons Uri Regeste

    Nationalstrassenbau, Vergebung von Arbeiten.
Verwaltungsgerichtsbeschwerde und staatsrechtliche Beschwerde eines
nicht berücksichtigten Bewerbers gegen den Beschluss einer kantonalen
Regierung, auf seine Beschwerde gegen den Zuschlag nicht einzutreten,
als Aufsichtsbehörde nicht einzuschreiten und dem Zuschlag zuzustimmen.

    1. Der angefochtene Beschluss unterliegt der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht.

    2. Soweit die staatsrechtliche Beschwerde sich gegen den
Nichteintretensentscheid richtet, ist sie unbegründet; im übrigen ist
sie ebenfalls nicht zulässig.

Sachverhalt

    A.- Im Schweizer Baublatt vom 30. Dezember 1975 lud der Kanton
Uri als Bauherr Fachfirmen ein, Offerten für die Lieferung der
Beleuchtungskörper für den Gotthardstrassentunnel einzureichen. In den
Ausschreibungsunterlagen war die Offerierung einer Versuchsstrecke für
die Durchfahrtsbeleuchtung als selbständiger Gegenstand der Vergebung
genannt. Das Konsortium Schindler/Philips und verschiedene Konkurrenten
unterbreiteten Angebote für die Versuchsstrecke. Die Baukommission
Gotthardstrassentunnel, welcher Vertreter der Regierungen der
Kantone Uri und Tessin, die beiderseitigen Kantonsingenieure sowie
Vertreter des Eidg. Amtes für Strassen- und Flussbau angehören,
vergab die Versuchsstrecke den Bewerbern BAG Bronzewarenfabrik AG
und Novelectric AG. Die Partner des Konsortiums Schindler/Philips
beanstandeten den Zuschlag. Mit Eingabe vom 23. März 1977 führten sie
beim Regierungsrat des Kantons Uri Beschwerde gegen die Baudirektion Uri
wegen Rechtsverweigerung. Der Regierungsrat beschloss am 19. April 1977:

    "1. Soweit mit der Beschwerde ein ordentliches Rechtsmittel
ausgeschöpft
   werden will, wird darauf nicht eingetreten.

    2. Im übrigen, d.h. unter dem Gesichtspunkt der Aufsichtsbeschwerde
bzw.
   des

    Rechtsbehelfs, der vom Regierungsrat eigenes Handeln in der Sache
verlangt,
   wird die Eingabe als unbegründet abgewiesen. Der Regierungsrat sieht
   sich weder veranlasst, den untergeordneten Instanzen Weisungen
   zu erteilen, noch zwingt ihn die Sachlage, nachträglich ins
   Submissionsverfahren betreffend

    Versuchsstrecke für die Tunnelbeleuchtung gestaltend einzugreifen. Im

    Gegenteil ist dem Sachentscheid namentlich der Baukommission

    Gotthardstrassentunnel nachträglich zuzustimmen."

    Gegen diesen Beschluss erheben die das Konsortium Schindler/Philips
bildenden Gesellschaften beim Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde
und staatsrechtliche Beschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

            Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Der Verwaltungsgerichtsbeschwerde unterliegen nach Art.  97 Abs. 1
OG Verfügungen im Sinne des Art. 5 VwVG, d.h. Anordnungen im Bereich der
hoheitlichen Verwaltung, die sich auf öffentliches Recht des Bundes stützen
(vgl. BGE 102 Ib 82). Nach Art. 97 Abs. 2 OG gilt als Verfügung auch das
unrechtmässige Verweigern oder Verzögern einer Verfügung.

    Gemäss Art. 41 Abs. 2 NSG werden die Arbeiten für den
Nationalstrassenbau von den Kantonen nach den vom Bundesrat bestimmten
Grundsätzen vergeben und überwacht. Grundsätze für die Vergebung
enthält Art. 35 der Verordnung des Bundesrates vom 24. März 1964 über
die Nationalstrassen. Nach Art. 36 dieser Verordnung bedürfen Vergebungen
für Offertsummen von über Fr. 250'000.-- der Genehmigung des Eidg. Amtes
für Strassen- und Flussbau. In Betracht kommt ferner die allgemeine
Submissionsverordnung des Bundesrates vom 31. März 1971; denn sie
ist auf Arbeiten für Bauten, zu deren Finanzierung der Bund beiträgt,
unter Vorbehalt anderer massgebender Bestimmungen sinngemäss anzuwenden
(Art. 1 Abs. 2). Im übrigen richtet sich das Submissionsverfahren für
den Nationalstrassenbau nach kantonalen Vorschriften.

    Der angefochtene Beschluss des Regierungsrates des Kantons Uri
betrifft die Vergebung von Arbeiten für den Nationalstrassenbau. Da
hierfür auch Vorschriften des Bundes gelten, stellt sich die Frage, ob
es sich um eine der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht
unterliegende Verfügung handle.

Erwägung 2

    2.- a) Das Bundesgericht hat in ständiger Rechtsprechung entschieden,
dass die Vergebung öffentlicher Arbeiten in einem durch das kantonale Recht
geordneten Submissionsverfahren nicht eine mit staatsrechtlicher Beschwerde
anfechtbare Verfügung im Sinne von Art. 178 des alten bzw. Art. 84
des neuen OG ist. Es hat ausgeführt, auch wenn in dem Zuschlag eine
Verwaltungshandlung im weiteren Sinne gesehen werden möge, liege darin
doch im Verhältnis zu den Bewerbern nicht eine Äusserung staatlicher
Befehlsgewalt, sondern nur der Abschluss eines privatrechtlichen Vertrages
mit dem angenommenen Bewerber und die Ablehnung der Angebote der übrigen
Eingabesteller (BGE 60 I 369 und seitherige, nicht amtlich publizierte
Entscheide, insbesondere Urteil Canonica vom 6. November 1968; s.
auch das in ZBl 76/1975 S. 475 f. wiedergegebene Urteil vom 28. Juni
1975). An dieser gefestigten Rechtsprechung ist festzuhalten.

    b) Die ihr zugrunde liegenden Überlegungen müssen auch für
die Beurteilung der Frage, ob die Vergebung von Arbeiten für
den Nationalstrassenbau den Charakter einer Verfügung im Sinne des
Art. 5 VwVG habe, massgebend sein. Diese Frage ist zu verneinen, weil
es sich nicht um einen staatlichen Hoheitsakt handelt, durch den ein
individuelles verwaltungsrechtliches Verhältnis gestützt auf öffentliches
Recht des Bundes geregelt wird, sondern eben nur um den Abschluss eines
privatrechtlichen Vertrages mit einem Bewerber und die Ablehnung der
Offerten der übrigen Bewerber. Die nicht berücksichtigten Bewerber
haben daher nicht die Möglichkeit, einen solchen Akt mit förmlicher
Beschwerde - Verwaltungsgerichtsbeschwerde oder Verwaltungsbeschwerde
- bei einer Bundesbehörde anzufechten; sie können sich lediglich mit
einer Anzeige an die Aufsichtsbehörde wenden. Dies ist das Ergebnis eines
Meinungsaustausches, der in den Jahren 1975/76 zwischen dem Bundesgericht
und dem Eidg. Justiz- und Polizeidepartement stattgefunden hat (vgl. auch
Gutachten der Eidg. Justizabteilung vom 20. Juni 1975, in VPB 1976
Nr. 55). Hieran ist ebenfalls festzuhalten.

    c) Dem dargelegten Charakter des Aktes, mit dem öffentliche Arbeiten im
Submissionsverfahren vergeben werden, entspricht die rechtliche Natur der
dieses Verfahren regelnden Vorschriften. Die sog. Submissionsvorschriften
enthalten zum Teil allgemeine Vertragsbestimmungen, die mit den
"allgemeinen Geschäftsbedingungen" für private Vertragskontrahenten
vergleichbar sind, und im übrigen interne Weisungen an die vergebende
Behörde über die Ausübung der ihr eingeräumten Privatautonomie (IMBODEN,
Der verwaltungsrechtliche Vertrag, ZSR n. F. 77/1958 S. 53a; VPB 1976
Nr. 55). Es handelt sich also nicht um öffentlich-rechtliche Bestimmungen
mit Rechtssatzcharakter. Soweit der Bewerber aus der Submissionsordnung
überhaupt Ansprüche ableiten kann, sind sie privatrechtlicher Natur und
daher vor dem Zivilrichter geltend zu machen. Verstösse gegen rein interne
Richtlinien für die vergebende Behörde kann der Bewerber regelmässig nicht
mit einer förmlichen Beschwerde, sondern nur mit einer Aufsichtsbeschwerde
bei einer oberen Verwaltungsinstanz rügen. Die Aufsichtsbeschwerde gibt
ihm keinen Anspruch auf Erledigung (vgl. Art. 71 Abs. 2 VwVG; BGE 102 Ib
84; VPB 1976 Nr. 55; GRISEL, Droit administratif suisse, S. 460 und 476).

Erwägung 3

    3.- Die hier in Frage stehenden Arbeiten sind von der Baukommission
Gotthardstrassentunnel vergeben worden, in welcher u.a. die Regierung
des Kantons Uri vertreten ist. Der Regierungsrat Uri weist darauf hin,
dass er nach Art. 2 lit. k der kantonalen Vollziehungsverordnung zum NSG
unter Vorbehalt der Genehmigung seitens des Eidg. Amtes für Strassen- und
Flussbau für die Vergebung zuständig sei und dass daher die Baukommission
Gotthardstrassentunnel seine Zustimmung zum Zuschlag hätte einholen
sollen, was nicht geschehen sei. Er hat im Dispositiv 2 seines Beschlusses
dem Sachentscheid der Baukommission "nachträglich zugestimmt". Diese
Zustimmung hat so wenig wie der Entscheid der Baukommission den Charakter
eines staatlichen Hoheitsaktes und kann daher nach dem vorne Gesagten
nicht als Verfügung im Sinne des Art. 5 VwVG betrachtet werden.

    Im Dispositiv 2 hat der Regierungsrat im übrigen festgestellt,
dass er keinen Anlass zu einem aufsichtsrechtlichen Einschreiten
habe. Auch in dieser Beziehung liegt keine Verfügung im Sinne des
Art. 5 VwVG vor. Nach der Rechtsprechung unterliegt der Beschluss einer
kantonalen Regierung, einer Aufsichtsbeschwerde keine Folge zu geben, der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde überhaupt nicht, auch dann nicht, wenn er
einen Sachbereich betrifft, in dem das Bundesgericht als Verwaltungsgericht
an sich zuständig ist (BGE 102 Ib 81). Übrigens hat man es hier nicht mit
einem solchen Bereich zu tun, weil die Submissionsvorschriften des Bundes
nach dem oben Ausgeführten keine öffentlich-rechtlichen Bestimmungen mit
Rechtssatzcharakter sind.

    Aus diesem Grunde ist die vorliegende Verwaltungsgerichtsbeschwerde
auch insoweit nicht zulässig, als sie sich gegen den auf kantonales
Verfahrensrecht gestützten Beschluss des Regierungsrates richtet, auf die
förmliche Beschwerde, als welche die Beschwerdeführer ihre Eingabe vom
23. März 1977 aufgefasst wissen wollten, nicht einzutreten (Dispositiv
1). Denn dieser Beschluss schliesst nicht die Anwendung materiellen
Bundesrechts im Bereich der hoheitlichen Verwaltung aus (vgl. BGE 99 Ib
394, 98 Ib 336).

    Zu Unrecht berufen sich die Beschwerdeführer auf Art. 97 Abs. 2
OG. Der Beschluss einer Aufsichtsbehörde, einer Anzeige keine Folge zu
geben, kann nicht Gegenstand einer Beschwerde wegen "unrechtmässiger"
Verweigerung oder Verzögerung einer Verfügung im Sinne dieser Bestimmung
sein (BGE 102 Ib 85).

    Auf die vorliegende Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist somit in keiner
Beziehung einzutreten.

Erwägung 4

    4.- Soweit sich die staatsrechtliche Beschwerde gegen das Dispositiv 1
des Beschlusses des Regierungsrates richtet, könnte sie nur durchdringen,
wenn die Anwendung des kantonalen Verfahrensrechts, auf der dieser
Nichteintretensentscheid beruht, willkürlich wäre. Das ist offensichtlich
nicht der Fall. Vielmehr entspricht der Nichteintretensentscheid des
Regierungsrates dem Wesen der Submissionsvorschriften und dem daraus
folgenden Grundsatz, dass der Bewerber, der die Anwendung solcher
Vorschriften bemängelt, sich an eine obere Verwaltungsbehörde nicht
mit einer förmlichen Beschwerde wenden kann, sondern nur mit einer
Aufsichtsbeschwerde, die ihm nicht Anspruch auf Erledigung gibt.

    Da das Dispositiv 2 des angefochtenen Beschlusses, wie gesagt, nicht
den Charakter einer behördlichen Anordnung im Bereich der hoheitlichen
Verwaltung hat, stellt es keine mit staatsrechtlicher Beschwerde
anfechtbare Verfügung im Sinne des Art. 84 OG dar. In dieser Hinsicht
ist daher auch die staatsrechtliche Beschwerde nicht zulässig.

Entscheid:

             Demnach erkennt das Bundesgericht:

    1. Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird nicht eingetreten.

    2. Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf
einzutreten ist.