Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 103 IB 110



103 Ib 110

20. Auszug aus dem Urteil vom 6. Mai 1977 i.S. Schoch gegen Regierungsrat
des Kantons Zürich Regeste

    Art. 20 GSchG/Art. 27 AGSchV.

    1. Eine Baute, die zu einem Landwirtschaftsbetrieb gehört (Art. 27
Abs. 2 AGSchV), liegt nur dann vor, wenn sie in der Hauptsache für die
agrarische Produktion verwendet wird.

    2. a) Ist anzunehmen, dass ein neu zu errichtender
Landwirtschaftsbetrieb weder existenzsichernd noch rentabel sein werde,
so besteht kein sachlich begründetes Bedürfnis für die Errichtung einer
Baute ausserhalb der Bauzone (Art. 20 GSchG/Art. 27 Abs. 2 AGSchV).

    b) Bauten, die zu bestehenden, nicht existenzsichernden
Landwirtschaftsbetrieben gehören, dürfen erneuert oder ersetzt werden, wenn
damit bezüglich Grösse und Nutzungsart keine erhebliche Änderung erfolgt.

Sachverhalt

    A.- Heinrich Schoch übernahm im Jahre 1947 den väterlichen
Landwirtschaftsbetrieb mit der Fläche von ca. 5 Hektaren in
Gattikon/Thalwil. Er führte diesen zunächst in herkömmlicher Weise
weiter, stellte ihn aber in der Folge von der Grosstierhaltung auf
Schweinezucht um. Im Jahre 1969 gab er auch die Schweinehaltung auf. In
einem Quartierplanverfahren brachte er 2,3 Hektaren seines Landes in die
Landumlegung ein und trat das bestehende Bauernhaus einem Nachbarn ab. Das
durch die Quartierplanung gewonnene Bauland überbaute er mit Wohnhäusern,
die er veräusserte oder vermietete. Er selbst bezog mit seiner Familie
ein auf eigenem Land erbautes Zweifamilienhaus.

    Auf dem restlichen Land von 2,4 Hektaren, das ausserhalb des GKP im
übrigen Gemeindegebiet von Thalwil liegt, beabsichtigte Schoch unter
Hinzupachtung von ca. 2 Hektaren, einen Rindermastbetrieb für etwa 10
Mastrinder einzurichten und eine Obstkultur anzulegen. Im Jahre 1971
ersuchte er um die Bewilligung, für diesen Landwirtschaftsbetrieb ein
Wohnhaus mit Nebenräumen errichten zu können. Am 24. September 1974
verweigerte das Amt für Gewässerschutz und Wasserbau des Kantons Zürich
die Bewilligung. Eine Beschwerde Schochs wies der Regierungsrat des
Kantons Zürich mit Beschluss vom 25. August 1976 ab, im wesentlichen mit
der Begründung, es liege kein im Sinne von Art. 20 GSchG privilegierter
Landwirtschaftsbetrieb vor.

    Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde verlangt Schoch im wesentlichen, der
Entscheid des Regierungsrates sei aufzuheben und es sei festzustellen, dass
ein sachlich begründetes Bedürfnis für die Erstellung des projektierten
Bauernhauses bestehe.

Auszug aus den Erwägungen:

                         Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- (Feststellung, dass der geplante Landwirtschaftsbetrieb weder
rentabel noch existenzsichernd sein würde und dass im projektierten
Gebäude überwiegend Wohnräume vorgesehen sind.)

Erwägung 2

    2.- a) Nach Art. 20 GSchG dürfen Baubewilligungen für Gebäude und
Anlagen ausserhalb des im generellen Kanalisationsprojektes abgegrenzten
Gebietes nur erteilt werden, sofern der Gesuchsteller dafür ein sachlich
begründetes Bedürfnis nachweist. Die Baubewilligung wird auch bei Vorliegen
eines solchen Bedürfnisses nur erteilt, wenn die Ableitung und Reinigung
oder eine andere zweckmässige Beseitigung der Abwässer festgelegt ist
und die Zustimmung der kantonalen Fachstelle für Gewässerschutz vorliegt.

    Der Begriff des sachlich begründeten Bedürfnisses wird in
Art. 27 der Allgemeinen Gewässerschutzverordnung vom 19. Juni 1972
näher umschrieben. Ein Bedürfnis für die Errichtung eines Gebäudes
ausserhalb der Bauzone gilt dann als sachlich begründet, wenn dessen
Zweckbestimmung den beanspruchten Standort ausserhalb der Bauzone bzw. des
GKP bedingt und dem Bauvorhaben keine überwiegenden öffentlichen Interessen
entgegenstehen. Als solche standortgebundene Bauten gelten unter anderem
Landwirtschaftsbetriebe.

    Für Landwirtschaftsbetriebe, die nicht über die erforderlichen
Gebäulichkeiten verfügen, ist das sachliche Bedürfnis für einen Neubau zu
bejahen, wenn das bewirtschaftete Areal ausserhalb der Bauzone liegt und
der Betrieb nicht von innerhalb des Baugebietes liegenden Gebäulichkeiten
aus geleitet werden kann. In der Regel stehen einem solchen Neubau auch
keine überwiegenden öffentlichen Interessen entgegen, es sei denn,
dass andere gewichtige Gründe, z.B. des Natur- und Landschafts- oder
Heimatschutzes einen Neubau ausserhalb der Bauzone als unerwünscht
erscheinen lassen (BGE 102 Ib 70, E. 5b).

    b) Das Bundesgericht hat in BGE 100 Ib 92 E. 5 und in einem
nicht publizierten Entscheid Ottinger vom 8. März 1974 ausgeführt, ein
Landwirtschaftsbetrieb müsse nicht unbedingt existenzsichernd sein, damit
angenommen werden könne, es sei ein sachlicher Grund für ein dazugehöriges
Wohnhaus im Sinne von Art. 20 GSchG gegeben. Es komme ferner nicht darauf
an, ob ein Gesuchsteller die Landwirtschaft im Haupt- oder Nebenberuf
betreiben wolle.

    Wie der Beschwerdeführer hervorhebt, weist der hier zu entscheidende
Fall gewisse Parallelen zu den genannten Präjudizien auf. Die Ähnlichkeit
beschränkt sich aber auf die Frage, ob ein Landwirtschaftsbetrieb
existenzsichernd und rentabel sein müsse, damit die Errichtung
eines Wohnhauses ausserhalb der Bauzone bewilligt werden dürfe. Ein
entscheidender Unterschied zwischen den genannten Entscheiden und dem
vorliegenden Fall liegt aber darin, dass es dort um Ersatzbauten für
baufällige Wohnhäuser ging, während der Beschwerdeführer ein neues
Gebäude errichten will, das kein altes Wohnhaus auf dem selben Betrieb
ersetzen soll. Ferner bestanden in den genannten, beurteilten Fällen
die Landwirtschaftsbetriebe, deren Bewirtschaftung nicht ausschliesslich
aus ökonomischen, sondern auch aus ideellen Gründen geplant war, bereits
während längerer Zeit. Gemäss dem Projekt des Beschwerdeführers soll jedoch
ein neuer, nicht existenzsichernder und unrentabler Landwirtschaftsbetrieb
gegründet werden. (Im Fall von BGE 100 Ib 89 kann das neu zu erstellende
Wohnhaus als Ersatzbaute betrachtet werden, weil die Bewilligung für
dessen Bau mit der Auflage verbunden wurde, dass das zu ersetzende Haus,
in dem noch die betagte Verkäuferin des Landwirtschaftsbetriebes wohnte,
nach deren Ableben höchstens noch als Lagerraum und Keller benutzt werde.)

    Den beiden genannten Bundesgerichtsentscheiden liegt der Gedanke
zugrunde, dass die Gewässerschutzgesetzgebung nicht bezweckt, bestehende
Gebäude ausserhalb des GKP zum Verschwinden zu bringen (BGE 102 Ib
215). Darum dürfen Wohnhäuser, die zu herkömmlichen landwirtschaftlichen
Kleinbetrieben gehören, erneuert und ersetzt werden, selbst wenn diese
Betriebe keine Grundlage für eine hauptberufliche Tätigkeit bieten und
unrentabel sind. Voraussetzung ist nur, dass nicht geplant ist, mit dem
Neubau bezüglich Grösse und Nutzungsart erheblich von der zu ersetzenden
Baute abzuweichen. Eine andere Frage ist aber, ob das Gewässerschutzgesetz
auch die Errichtung von Wohnhäusern auf neuen, nicht existenzsichernden
und unrentabeln Landwirtschaftsbetrieben zulassen will.

    Bei der Schaffung von Art. 20 GSchG wurde unter anderem bewusst
ein Ziel der Raumplanung verfolgt. Es sollte verhindert werden, dass
ausserhalb des Baugebietes weit zerstreut zahlreiche Wohnhäuser, die
nicht an einen solchen Standort gebunden sind, errichtet werden. Diese
Zwecksetzung kann umgangen werden, wenn finanzkräftige Leute vorgeben,
einen Landwirtschaftsbetrieb zu gründen und ein diesbezügliches Projekt
einreichen, sich aber in Wirklichkeit primär eine Wohnung ausserhalb des
Baugebietes verschaffen wollen. An die Standortgebundenheit solcher Bauten
sind deshalb strenge Anforderungen zu stellen.

    Es stellt sich die Frage, welche Voraussetzungen erfüllt sein
müssen, damit ein Projekt als Landwirtschaftsbetrieb im Sinne der
Gewässerschutzgesetzgebung anerkannt werden kann. Art. 27 AGSchV gibt
darüber keine nähere Auskunft. Es kann aber kein Zweifel bestehen,
dass die Errichtung einer Baute ausserhalb der Bauzone nur dann
mit landwirtschaftlichen Gründen gerechtfertigt werden kann, wenn
gewährleistet ist, dass eine solche Baute primär landwirtschaftlichen
Zwecken dienen wird, die nur an einem solchen Standort sinnvoll verfolgt
werden können. Eine Baute darf darum nur als landwirtschaftliche
Baute im Sinne von Art. 27 AGSchV bezeichnet werden, wenn sie in der
Hauptsache für die agrarische Produktion verwendet wird. Sobald die
landwirtschaftliche Produktion aber zu einer Nebensache wird und andere
Nutzungen wie insbesondere das Wohnen den Hauptzweck eines Gebäudes
bilden, kann nicht mehr von einem Landwirtschaftsbetrieb im Sinne der
Gewässerschutzgesetzgebung gesprochen werden.

    Dieser Begriff des Landwirtschaftsbetriebes ergibt sich auch aus
dem Landwirtschaftsrecht. Die Verordnung über Investitionskredite und
Betriebshilfe in der Landwirtschaft vom 15. November 1972 (SR 914.11)
bezeichnet in Art. 1 Abs. 1 einen Betrieb im allgemeinen dann als
landwirtschaftlich, "wenn seine organisierte Gesamtheit von Nutzland,
Bauten und Inventar der Erzeugung oder der Erzeugung und Verwertung von
Bodenprodukten dient".

    c) Im vorliegenden Fall ist der projektierte Landwirtschaftsbetrieb
weder existenzsichernd noch rentabel. Es ist daher ausgeschlossen, dass
die geplante Baute in der Hauptsache der landwirtschaftlichen Produktion
dienen würde. Der Beschwerdeführer muss vielmehr zu einem grossen Teil
seinen Lebensunterhalt aus anderen Quellen decken. Bei dieser Lage ist
er aber nicht auf ein Wohnhaus ausserhalb der Bauzone angewiesen.

    Der Schluss, dass die geplante Baute zur Hauptsache nicht für
landwirtschaftliche Zwecke verwendet würde, ergibt sich auch aus der
Aufteilung der Räumlichkeiten. Im Projekt des Beschwerdeführers überwiegen
die Wohnräume eindeutig, während die für die landwirtschaftliche Nutzung
bestimmten Teile eine untergeordnete Rolle spielen. Die Baute, für die der
Beschwerdeführer um eine Bewilligung nachgesucht hat, kann somit nicht als
landwirtschaftlich im Sinne von Art. 27 Abs. 2 AGSchV betrachtet werden.

Entscheid:

             Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird abgewiesen.