Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 103 IA 410



103 Ia 410

62. Auszug aus dem Urteil vom 26. Oktober 1977 i.S. Hockey-Club
Ambri-Piotta gegen Zürcher Schlittschuh-Club und Obergericht des Kantons
Zürich Regeste

    Art. 4 BV; Schiedsgericht.

    Abgrenzung von rechtlich erfassten und ausserrechtlichen Vorgängen
beim Vereinswechsel eines Eishockeyspielers der Nationalliga.

Sachverhalt

    A.- Der Hockey-Club Ambri-Piotta (HCAP) und der Zürcher
Schlittschuh-Club (ZSC) sind Mitglieder des Schweizerischen
Eishockeyverbandes, beide gehören der Nationalliga an. Im Frühjahr 1977
ergaben sich zwischen ihnen Differenzen hinsichtlich der Spielberechtigung
von Luca Rossetti. Der Streit wurde in Anwendung des Transferreglementes
dem sogenannten Kontrollorgan der Nationalliga unterbreitet. Dieses
behandelte die Sache am 23. April 1977 und fällte folgenden, als "Urteil"
bezeichneten Entscheid:

    "1.- Der Transfer des Spielers Rossetti Luca zum ZSC wird als
   zustandegekommen betrachtet, und Rossetti Luca ist ab der Saison

    1977/78 für den ZSC spielberechtigt.

    Transfersumme: Fr. 30'000.--.

    2.- Es werden keine Kosten erhoben."

    Der HCAP betrachtete diesen Entscheid als Urteil eines
Schiedsgerichtes. Er erhob dagegen Nichtigkeitsbeschwerde beim Obergericht
des Kantons Zürich. Dieses beschloss am 5. August 1977, auf die
Beschwerde mangels sachlicher Zuständigkeit nicht einzutreten. Der HCAP
führt staatsrechtliche Beschwerde wegen Willkür. Das Bundesgericht weist
die Beschwerde ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- a) Als willkürlich rügt der Beschwerdeführer den Entscheid der
III. Zivilkammer des Obergerichtes zunächst deshalb, weil darin § 238
der zürcherischen ZPO in unhaltbarer Weise ausgelegt worden sei. Diese
Bestimmung lautet, soweit sie hier in Betracht fällt, wie folgt:

    "Die Parteien können die Beurteilung von Ansprüchen, über welche
   sie frei verfügen können, einem Schiedsgericht übertragen."

    Tatsächlich hat das Obergericht § 238 ZPO in seinem Entscheid
erwähnt. Es ergibt sich aber aus seinen folgenden Ausführungen, dass es
nicht etwa deshalb auf die Beschwerde nicht eingetreten ist, weil Ansprüche
beurteilt worden seien, über welche die Parteien nicht hätten frei verfügen
können, sondern deshalb, weil das Kontrollorgan nicht rechtliche Normen,
sondern Spielregeln im weiteren Sinn angewendet habe, für deren Beurteilung
im Kassationsverfahren die staatlichen Gerichte nicht zuständig seien. Die
Frage, ob ein Kontrollorgan über Ansprüche entschieden habe, die nicht der
freien Verfügung der Parteien unterliegen, könnte sich allenfalls stellen,
wenn ein Streit die Persönlichkeitsrechte eines Spielers beträfe (vgl. BGE
102 II 211 ff.). Darauf ist nicht weiter einzugehen, da sich der Entscheid
des Kontrollorgans im zu beurteilenden Fall in keiner Weise darauf bezog.

    b) Der Beschwerdeführer macht weiter geltend, soweit das Obergericht
festgestellt habe, die Transferbestimmungen der Nationalliga seien
sportlichen Spielregeln vergleichbar, habe es den Begriff der Spielregeln
und den Sinn der Transferbestimmungen verkannt. Die Rüge der Willkür wird
in diesem Zusammenhang nicht erhoben. Die staatsrechtliche Beschwerde
ist nicht dazu bestimmt, die Auslegung von Verträgen, Statuten und
Rechtsbegriffen durch eine kantonale Instanz frei zu überprüfen, sondern
es kann sich nur darum handeln, allfällige Verfassungsverletzungen durch
willkürliche, d.h. schlechthin unhaltbare Auslegung festzustellen, die
gemäss Art. 90 Abs. 1 lit. b OG vom Beschwerdeführer dargetan werden
müssen. Es erscheint daher als fraglich, ob auf diese Rüge eingetreten
werden könne. Da sie sich indessen ohnehin als unbegründet erweist,
braucht die Frage nicht abschliessend entschieden zu werden.

    Die Grenze zwischen der Spielregel, die keiner Rechtskontrolle
durch staatliche Instanzen unterliegen kann, und der Rechtsnorm ist
fliessend. KUMMER (Spielregel und Rechtsregel, S. 24, 68 ff.) rechnet
die Meisterschaften der Mannschaftssportarten zu den "Mehrstufenspielen"
und betrachtet demgemäss die Regeln über die Spielberechtigung als
eine besondere Gruppe der Spielregeln. Diese Auffassung lässt sich
vertreten. Es gibt bei Sportarten, in denen Mannschaftswettkämpfe
ausgetragen oder bei Einzelwettkämpfen Mannschaftsklassemente erstellt
werden, gewöhnlich Regeln darüber, welche Sporttreibenden für einen
bestimmten Verein anzutreten berechtigt (qualifiziert) sind und welche
Voraussetzungen für einen Vereinswechsel erfüllt sein müssen, da sonst die
Durchführung von Wettkämpfen oder die Erstellung von Mannschaftsranglisten
wesentlich erschwert wäre. Solche Vorschriften bestehen insbesondere
auch bei Sportarten, die ausschliesslich oder fast ausschliesslich von
reinen Amateuren betrieben werden und bei denen in der Regel von den
Zuschauern auch kein Eintrittsgeld erhoben wird (Beispiele: Kunstturnen,
Waffenlauf, Gruppenwettkämpfe im Schiessen, Schach). Es stehen hier keine
vom Zivilrecht geschützten Interessen auf dem Spiele, namentlich keine
solchen geldwerter Art, sondern es geht ausschliesslich um notwendige
Abgrenzungen innerhalb des rein sportlichen Bereichs. Die Auffassung des
Obergerichtes, dass Entscheide der Organe von Sportverbänden, die sich
nur mit der Qualifikation von Sporttreibenden für die eine oder die andere
Verbandssektion befassen, keine Entscheide über zivilrechtlich erfassbare
Vorgänge und damit keine Urteile darstellen, ist vertretbar. Die Abgrenzung
von rechtlich relevanten und rechtlich nicht erfassten Vorgängen kann
allerdings dann Schwierigkeiten bereiten, wenn Berufsspieler oder Spieler,
die für ihre sportliche Tätigkeit sonstwie entschädigt werden, den Verein
wechseln. Hier muss nicht nur der Übergang der Spielberechtigung geordnet
werden, sondern es können sich beim Vereinswechsel auch arbeitsrechtliche
Probleme stellen zwischen dem Spieler als Arbeitnehmer sowie dem alten und
neuen Verein als Arbeitgeber. Im weiteren kann die Höhe der Transfersumme
zu Differenzen führen, und bei Missachtung der Transferregeln sind Sperre
und Busse (Art. 34 Transferreglement) angedroht, welche in erheblicher
Weise in die Rechtssphäre der Betroffenen eingreifen können. Alle diese
Fragen können eng miteinander verbunden und voneinander abhängig sein. Sie
können in demselben Vertrag geregelt und in demselben Entscheid des
Kontrollorgans beurteilt sein.

    Im vorliegenden Verfahren wurden keine Rügen arbeitsrechtlicher Natur
erhoben; ebensowenig steht der Persönlichkeitsschutz eines Spielers in
Frage. Auch die Transfersumme oder eine Sanktion ist hier nicht streitig,
so dass das Obergericht ohne Verletzung des Willkürverbots annehmen
durfte, es stehe ausschliesslich ein Entscheid des Kontrollorgans über die
Spielberechtigung zur Beurteilung. Ob und inwieweit andere Vorgänge beim
Vereinswechsel eines Spielers rechtlich erfasst werden können, braucht
hier nicht entschieden zu werden, da Streitgegenstand des Verfahrens
einzig die Qualifikation von Luca Rossetti ist.

    Zwar war der Entscheid über die Spielberechtigung von Vorfragen
abhängig, welche nach zivilrechtlichen Grundsätzen zu entscheiden waren. So
war streitig, ob die Vereinbarung der Parteien über die Qualifikation
des Spielers mangels Vertretungsbefugnis des Präsidenten überhaupt
gültig zustandegekommen und ob sie wegen der vom Beschwerdeführer nach
eigenen Angaben in einer Notlage geführten Verhandlungen unverbindlich
sei. Es lässt sich jedoch mit haltbaren Gründen erwägen, die Frage
der Spielberechtigung sei auch dann nicht zivilrechtlicher Natur,
wenn vorfrageweise Probleme nach zivilrechtlichen Grundsätzen gelöst
werden. Anders entscheiden hiesse, jede Spielregel, und sei sie juristisch
noch so unbedeutend, rechtlicher Beurteilung zugänglich zu machen,
wenn sich Vorfragen stellen, die nach zivilrechtlichen Grundsätzen zu
behandeln sind.

    Aus diesen Gründen konnte das Obergericht ohne Willkür annehmen, die
beim Kontrollorgan einzig streitige Hauptfrage nach der Qualifikation
des Spielers sei ein rechtlich nicht erfassbarer Vorgang, und der
Entscheid darüber sei kein mit Nichtigkeitsbeschwerde anfechtbares
Schiedsgerichtsurteil. Mit dieser Begründung ist auch der Einwand des
Beschwerdeführers widerlegt, das Obergericht habe Bundeszivilrecht
verletzt.