Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 103 IA 206



103 Ia 206

37. Auszug aus dem Urteil vom 25. Mai 1977 i.S. X. und Konsorten gegen
Bezirksanwaltschaft Zürich und Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich
Regeste

    Europäisches Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen und
ergänzender Staatsvertrag zwischen der Schweiz und der Bundesrepublik
Deutschland.

    1. Legitimation zur Beschwerde wegen Verletzung von Staatsverträgen
(E. 2a).

    2. Anwendbares Recht (E. 3).

    3. Anforderungen an die Darstellung des Sachverhaltes im
Rechtshilfegesuch gemäss Art. 14 Abs. 2 des Europäischen Übereinkommens
(E. 5). Verbot der Beweisausforschung (E. 6). Rechtsfolgen einer
ungenügenden Darstellung (E. 7).

    4. Durchführung einer Beschlagnahme im wesentlichen durch ausländische
Polizeibeamte (E. 9a); Rechtsfolgen (E. 9b).

Sachverhalt

    A.- Die Staatsanwaltschaft Hamburg führt gegen verschiedene, am
Aufbau einer Kühlschiff-Flotte Beteiligte eine Strafuntersuchung, weil
sie sich im Zusammenhang mit den Bauverträgen über die Kühlschiffe in
strafbarer Weise "Resale-Gewinne" von insgesamt 80,6 Millionen Deutsche
Mark zugehalten hätten. Da die deutschen Strafuntersuchungsbehörden
annehmen, dass wesentliche Beweisstücke für die Abklärung der Straftaten
sich im Kanton Zürich befinden, stellten sie am 12. Oktober 1976 bei der
Bezirksanwaltschaft Zürich ein Rechtshilfegesuch. Eine Fotokopie desselben
wurde der Polizeiabteilung des EJPD zugestellt. Diese fragte mit Schreiben
vom 29. Oktober 1976 die Staatsanwaltschaft Zürich an, "ob Beamten des
Bundeskriminalamtes Wiesbaden gestattet werden kann, den gewünschten
Ermittlungen und Sicherstellungen ... in Zürich beizuwohnen". Der erste
Staatsanwalt von Zürich erteilte darauf in einem Schreiben vom 1. November
an die Staatsanwaltschaft Hamburg die Bewilligung zur Teilnahme an den
vom Bezirksanwalt Dr. A. durchzuführenden Erhebungen bei den in das
Kühlschiffgeschäft verwickelten Gesellschaften in Zürich. Er fügte bei:
"Die Bewilligung zur Überführung der sicherzustellenden Unterlagen
nach Deutschland kann erst erteilt werden, wenn feststeht, um was
für Schriftstücke es sich handelt." Eine Kopie wurde wiederum der
Polizeiabteilung des EJPD zur Kenntnis zugestellt.

    Am 10. November 1976 fand eine Vorbesprechung des Ermittlungsverfahrens
zwischen dem beauftragten Bezirksanwalt und vier Beamten der deutschen
Kriminalpolizei statt;, über die Besprechung wurde ein Konferenzprotokoll
erstellt. Am 7./8. Dezember führte die von der Bezirksanwaltschaft
beauftragte Kantonspolizei die Hausdurchsuchung bei den fraglichen
Gesellschaften durch, wobei die deutschen Kriminalbeamten bestimmten,
welche Belege im einzelnen zu beschlagnahmen waren. Auf Begehren eines
Rechtsanwaltes wurden die in insgesamt 15 Wäschekartons aussortierten
Akten versiegelt; das Entsiegelungsverfahren ist noch hängig.

    Gegen die Hausdurchsuchung und Beschlagnahme rekurrierten die
davon betroffenen Gesellschaften sowie die im deutschen Strafverfahren
Angeschuldigten an die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich. Diese trat
am 24. Januar 1977 auf die Rekurse der natürlichen Personen nicht ein
und wies die Rekurse der juristischen Personen im Sinne der Erwägungen
ab. Gegen diesen Entscheid richten sich die vorliegenden staatsrechtlichen
Beschwerden.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- a) Beschwerdelegitimiert sind alle Privaten, die durch den
angefochtenen Entscheid in ihren verfassungsmässigen Rechten oder in ihrer
durch Staatsvertrag geschützten Rechtsstellung verletzt sind. Ob sie ihren
Wohnsitz in der Schweiz oder im Ausland haben, spielt keine Rolle (BGE 98
Ia 230 E. 2a). Ob das angerufene Staatsvertragsrecht den Beschwerdeführern
tatsächlich den Rechtsschutz gewährt, den sie behaupten, ist eine Frage der
materiellen Entscheidung und nicht des Eintretens. Bezüglich des Eintretens
genügt es festzuhalten, dass die Normen der Rechtshilfeabkommen nicht
ausschliesslich öffentlichen Interessen dienen; träfe dies nämlich zu, so
wäre die Beschwerdelegitimation zu verneinen (BGE 98 Ia 654; MACHERET, La
qualité pour recourir, ZSR 94/1975 S. 156). Die in den Rechtshilfeabkommen
umschriebenen Grenzen der Rechtshilfe dienen aber auch privaten Interessen,
so dass die Beschwerdelegitimation unter diesem Gesichtspunkt jedenfalls
zu bejahen ist (BGE 99 Ia 85 E. 2a). Solche private Interessen bestehen
sowohl bei jenen, die durch die ihnen auferlegte Zeugnispflicht oder
Pflicht zur Aktenedition direkt von der Rechtshilfeverfügung betroffen
sind, als auch bei den Angeschuldigten, die ein Interesse daran haben,
dass staatsvertragswidrige und willkürliche Rechtshilfemassnahmen,
die ihre Rechtsstellung erschweren, unterbleiben. Somit ist auf alle
staatsrechtlichen Beschwerden sowohl der in Zürich domizilierten
Gesellschaften, wie auch der in Deutschland wohnhaften Angeschuldigten
einzutreten.

Erwägung 3

    3.- Zur Diskussion steht eindeutig eine Beweisbeschlagnahme, keine
Einziehungsbeschlagnahme (vgl. BGE 99 Ia 91 E. 6). Die Beschlagnahme
erfolgte, als für die Rechtsmittelverfahren zwischen der Bundesrepublik
Deutschland und der Schweiz noch der Auslieferungsvertrag vom 24. Januar
1874 galt; im Kanton Zürich stand noch das alte Gerichtsverfassungsgesetz
vom 29. Januar 1911 in Kraft. Im Zeitpunkt des Rekursentscheides
der Staatsanwaltschaft vom 24. Januar 1977 galten dagegen - entgegen
der Auffassung der Staatsanwaltschaft - das europäische Übereinkommen
über die Rechtshilfe in Strafsachen (EÜR) vom 20. April 1959 und der
ergänzende Vertrag mit der Bundesrepublik vom 13. November 1969/22. März
1976 (in Kraft seit 1. Januar 1977). In Zürich war am 1. Januar 1977
ebenso das neue Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) in Kraft getreten. In den
vorliegend strittigen Fragen ist jedoch mit dem Übergang zum neuen Recht
keine wesentliche Änderung eingetreten, da die Schweiz vom Vorbehalt
des Art. 5 Ziff. 1 lit. a EÜR Gebrauch gemacht hat und somit alle
Rechtshilfemassnahmen, die eine Anwendung von Zwangsmassnahmen erfordern,
dem Prinzip der identischen Strafnorm unterstehen (dazu eingehend die
Botschaft vom 1. März 1966, BBl 1966 I 483). Insbesondere ist anzunehmen,
dass hinsichtlich der Formerfordernisse der Rechtshilfegesuche schon vor
dem Inkrafttreten des neuen Rechtes die in Art. 14 EÜR gebotenen Angaben
als notwendig erachtet wurden. In der Botschaft zum Zusatzabkommen wird
betreffend Art. VII des Zusatzabkommens ausdrücklich festgehalten, dass
der gegenseitige Geschäftsweg im Sinne der bestehenden Vereinbarungen
und der geltenden Praxis geregelt sei (BBl 1970 II 249). Die Beurteilung
der angefochtenen Massnahmen kann deshalb durchaus im Lichte des neuen
Rechtes erfolgen.

Erwägung 5

    5.- Materiell ist in erster Linie die Rüge der Beschwerdeführer
zu prüfen, die Gewährung der Rechtshilfe verletze das massgebliche
Staatsvertragsrecht, da das Rechtshilfegesuch den formellen Erfordernissen
nicht entspreche. Die Prüfung ist strikt auf diese Frage zu beschränken;
auf alle Hinweise der Beschwerdeführer, wonach sie als Mittäter oder
Gehilfen bei einer strafbaren Handlung überhaupt nicht in Betracht kämen,
ist nicht einzutreten.

    Gemäss Art. 14 Abs. 2 EÜR haben Rechtshilfegesuche "die strafbare
Handlung zu bezeichnen und eine kurze Darstellung des Sachverhaltes zu
enthalten". Die Beschwerdeführer betonen mit Recht, dass diese Regelung
auslegungsbedürftig ist. Die Bezeichnung der Straftat und die kurze
Darstellung des Sachverhaltes müssen so sein, dass die ersuchte Behörde
beurteilen kann, ob dem Rechtshilfegesuch entsprochen werden muss oder
wenigstens darf (vgl. bezüglich der entsprechenden Anforderung nach
Art. 12 § 2 lit. b des europäischen Auslieferungsabkommens BGE 101 Ia 62
E. 3 und 421 E. 2; sowie Art. 15 Abs. 2 Auslieferungsgesetz und SCHULTZ,
Das schweizerische Auslieferungsrecht, S. 192). Entspricht das Gesuch
diesen Anforderungen nicht, so ist die Rechtshilfe vorläufig zu verweigern
und die ersuchende Behörde aufzufordern, jene Angaben zu machen, die zur
Beurteilung des Gesuches notwendig sind. Im vorliegenden Fall muss die
ersuchte Behörde vor allem beurteilen können, ob ein Fall vorliegt, wo
die Rechtshilfe auf Grund von Art. 2 EÜR oder entsprechend dem Vorbehalt
gemäss Art. 5 Ziff. 1 lit. a EÜR (Art. 3 BB vom 27. September 1966 über
die Genehmigung von sechs Übereinkommen des Europarates) verweigert werden
muss. Es muss also erkennbar sein, dass es sich um kein politisches oder
fiskalisches Delikt handelt, dass das Gesuch nicht die Souveränität, die
Sicherheit, die öffentliche Ordnung oder andere wesentliche Interessen
des Landes beeinträchtigt, und dass die dem Rechtshilfegesuch zugrunde
liegende Tat sowohl nach dem Recht des ersuchenden Staates als auch nach
dem des ersuchten Staates strafbar ist.

    Für diese Beurteilung genügt es nicht, dass im Rechtshilfegesuch
Paragraphen des Strafgesetzes mit Straftatbeständen zitiert werden, die im
ersuchenden und im ersuchten Staat unter Strafe gestellt werden; vielmehr
müssen die ersuchten Behörden selbst aufgrund der "kurzen Darstellung
des Sachverhaltes" den Schluss ziehen können, dass der Gegenstand der
Strafuntersuchung eine nach schweizerischem Recht strafbare Handlung
betrifft, die weder fiskalischen noch politischen Charakter hat.

    Immerhin besitzt die ersuchte Behörde ein gewisses Ermessen
hinsichtlich der Auslegung eines Rechtshilfegesuches. Sie verletzt
gegebenenfalls kein Bundesrecht, wenn sie Rechtshilfe bewilligt,
obwohl eine klarere Darstellung des Sachverhaltes erwünscht gewesen
wäre. Grundsätzlich prüft jedoch das Bundesgericht im staatsrechtlichen
Verfahren, gleich wie bei Auslieferungsbegehren, ob die formellen
Bedingungen des EÜR erfüllt sind oder nicht. Die Anforderungen an die
Angaben im Gesuch sind dabei weniger streng, wenn das Gesuch vor einer
ordentlichen und vertieften Untersuchung des Straffalles gestellt wird
(vgl. BGE 101 Ia 64 E. 3 und 421 E. 2, sowie 57 I 294).

Erwägung 6

    6.- Die deutschen Strafuntersuchungsbehörden glauben, die
Angeschuldigten hätten sich des Betrugs (§ 263 dStGB), der Untreue
(§ 266 dStGB) und der Urkundenfälschung (§ 267 dStGB) schuldig
gemacht. Unter diesen Umständen muss aus der "kurzen Darstellung
des Sachverhaltes" hervorgehen, wo und wann die mutmasslichen Täter
sich durch einigermassen bestimmt umschriebene Handlungen dieser
Straftaten sollen schuldig gemacht haben (vgl. Art. 12 § 2 lit. b
Satz 2 des Europäischen Auslieferungsabkommens; sowie die obgenannten
Bundesgerichtsentscheide). Diesbezüglich ist die Darstellung der
ersuchenden Staatsanwaltschaft jedoch recht dürftig; die eigentlichen
Tatbestandsmerkmale der inkriminierten Handlungen werden nur unklar
angegeben.
   ... (Untersuchung der Darstellung im Einzelnen).

    Werden die Straftaten im Rechtshilfegesuch nicht hinreichend
bezeichnet, so besteht die Gefahr einer verpönten "Beweisausforschung", die
durch den Anspruch auf Rechtshilfe nicht gedeckt ist und allenfalls gegen
das verfassungsrechtliche Gebot der Verhältnismässigkeit solcher Massnahmen
verstösst. Das Verbot der Beweisausforschung bedeutet die Unzulässigkeit
von Beweisaufnahmen aufs Geratewohl. Es dürfen keine strafprozessualen
Untersuchungshandlungen zur Auffindung von Belastungsmaterial zwecks
Begründung eines Verdachts durchgeführt werden ohne vorhergehende konkrete
Anhaltspunkte nach Gegenstand und Person (vgl. dazu PETERS, Beweisverbote
im deutschen Strafverfahren, Gutachten für den 46. deutschen Juristentag
1966, Bd. I Teil 3 A S. 142 ff.). Was schon allgemein für landesinterne
Beschlagnahmungen gilt, muss erst recht für Beschlagnahmungen gelten, die
aufgrund eines Rechtshilfegesuches eines ausländischen Staates durchgeführt
werden. Die hinreichend präzise Umschreibung des Rechtshilfegesuches
hindert die Gefahr von Missbräuchen.

    Selbstverständlich kann sich in der Folge aufgrund der Beweiserhebungen
in der Schweiz oder aufgrund anderer Unterlagen eine Ausweitung der
Strafuntersuchung aufdrängen, und die im Rahmen der Rechtshilfe beschafften
Beweismittel sollen auch diesem erweiterten Strafverfahren zugrunde
gelegt werden können. In einem solchen Falle steht nichts im Wege, durch
ein ergänzendes zusätzliches Rechtshilfegesuch von den schweizerischen
Behörden die Bewilligung einzuholen, die erhobenen Beweise auch zur
Verfolgung der weiteren Straftatbestände zu verwenden, sofern auch für
diese das Prinzip der identischen Norm erfüllt ist.

Erwägung 7

    7.- Dass das Rechtshilfegesuch dem deutsch-schweizerischen
Staatsvertragsrecht nicht in allen Teilen entsprach, macht - entgegen der
Auffassung der Beschwerdeführer - die gewährte Rechtshilfe nicht ohne
weiteres rechtswidrig. Ist das Rechtshilfegesuch ungenügend, so folgt
daraus nur das Recht der Schweiz, ohne Verletzung des Staatsvertrages die
Rechtshilfe zu verweigern, bis ein rechtsgenügendes Gesuch eingereicht
wird. Sehen die schweizerischen Behörden über das formelle Ungenügen
des Rechtshilfegesuches hinweg und gewähren sie die Rechtshilfe, so
verletzten sie dadurch auf keinen Fall den Staatsvertrag gegenüber dem
völkerrechtlichen Vertragspartner. Fraglich ist jedoch, ob sie Rechte
der Betroffenen verletzten, wenn sie Rechtshilfe gewähren, ohne dazu
formell verpflichtet zu sein.

    Die Staaten der kontinentaleuropäischen Rechtstradition gewähren sich
anerkanntermassen im Interesse der internationalen Verbrechensbekämpfung
auch dann Rechtshilfe, wenn zwischen ihnen kein Rechtshilfeabkommen besteht
(MARKEES, Aktuelle Fragen aus dem Gebiete der internationalen Rechtshilfe,
ZStrR 89/1973 S. 232). Die Zürcher Strafverfolgungsbehörden dürfen also
gestützt auf § 116 GVG auch dann Rechtshilfe leisten, wenn kein Abkommen
sie dazu verpflichtet, sofern nicht die Einschränkungen von § 116 GVG
entgegenstehen. Doch muss schon aus Gründen der Rechtsgleichheit angenommen
werden, dass die kantonalen Behörden bundesrechtlich verpflichtet sind,
die Rechtshilfe zu verweigern, wenn die Rechtshilfe nachgesucht wird für
eine Straftat, die unter Art. 2 EÜR oder den Vorbehalt von Art. 5 Ziff. 1
lit. a EÜR fällt; darauf hat jeder Betroffene Anspruch. Dagegen kann
der einzelne Betroffene nicht beanspruchen, dass keinerlei Schritte der
Rechtshilfe unternommen werden, bevor ein formrichtiges Rechtshilfegesuch
vorliegt. Denn in dringenden Fällen muss sehr rasch gehandelt werden
können. Art. VII Abs. 1 des Ergänzungsvertrages zwischen der Schweiz und
der Bundesrepublik Deutschland sieht dementsprechend auch telefonische
und telegrafische Ersuchen vor. Die in Art. 15 EÜR vorgesehenen
Möglichkeiten zur unmittelbaren Übermittlung von Rechtshilfegesuchen
von den Justizbehörden des ersuchenden Staates an die Justizbehörden des
ersuchten Staates zielen ebenfalls auf eine Erleichterung der Rechtshilfe
hin. Die Zürcher Strafuntersuchungsbehörden verletzen daher weder den
Staatsvertrag noch das zürcherische Strafprozessrecht, wenn sie schon
vor der Verbesserung eines nicht vollgenügenden Rechtshilfegesuches
Schritte zur Beweissicherung unternehmen, sofern prima facie anzunehmen
ist, es handle sich um strafbare Handlungen, für die Rechtshilfe gewährt
werden kann.

    Im vorliegenden Falle wäre es freilich richtiger gewesen, noch
vor der Beschlagnahme vom 7. Dezember 1976, nämlich spätestens bei der
Besprechung vom 10. November 1976, die Straftatbestände, für welche die
Rechtshilfe verlangt wurde, genauer abzuklären. Diese Unterlassung macht
jedoch die vorgenommene Hausdurchsuchung und Beschlagnahme noch nicht
rechtswidrig, sofern man darin im wesentlichen eine polizeiliche Massnahme
der vorläufigen Beweissicherung sieht. Die internationale polizeiliche
Zusammenarbeit darf nicht durch unnötige formale Erschwerungen behindert
werden (vgl. die Art. II, VII, VIII und IX des deutsch-schweizerischen
Ergänzungsvertrages, sowie NEPOTE/FERAUD, La coopération policière
internationale dans ses rapports avec le droit pénal européen, in: Aktuelle
Probleme des Internationalen Strafrechts, Festschrift Grützner 1970, S. 100
ff.). Wenn den Betroffenen die Möglichkeit geboten wird, die Siegelung
der beschlagnahmten Papiere zu verlangen und der Siegelung beizuwohnen
(§ 101 Zürcher StPO), werden ihre Interessen hinreichend geschützt. Die
Betroffenen können jedoch verlangen, dass vorgängig der Entsiegelung und
Aushändigung von Akten an die ausländischen Strafuntersuchungsbehörden
das ungenügende Rechtshilfegesuch hinreichend ergänzt wird. Wird so
vorgegangen, gelangen die deutschen Behörden nicht auf rechtswidrige Weise
in den Besitz der verlangten Unterlagen, und es wird dem Rechtsschutz
genügt, den die Betroffenen aus dem Staatsvertrag ableiten können.

    Trotz des nicht voll rechtsgenügenden Rechtshilfebegehrens der
Hamburger Staatsanwaltschaft ist deshalb das deutschschweizerische
Auslieferungsrecht bisher nicht verletzt, und die diesbezügliche Rüge der
Beschwerdeführer ist zu verwerfen; da aber das fragliche Rechtshilfegesuch
noch ergänzt werden muss, wenn das Verfahren staatsvertragskonform
weitergehen soll, sind die Beschwerden unter diesem Gesichtspunkt "im
Sinne der Erwägungen" abzuweisen.

    Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass bei Gewährung der
Rechtshilfe aufgrund des ergänzten Rechtshilfegesuches nicht nur die
Abklärung der inkriminierten Straftaten gefördert wird, sondern dass
auch grössere Klarheit hinsichtlich des Steuerstrafverfahrens gewonnen
wird, auch ohne dass die in der Schweiz erhobenen Beweismittel als solche
beigezogen werden. Die Beschwerdeführer bezeichnen dies als "Fernwirkung
einer Beweisaufnahme". Welche Beweisausschliessungsgründe sich daraus
im deutschen Steuerstrafverfahren ergeben, ist jedoch vom Bundesgericht
nicht zu prüfen.

Erwägung 9

    9.- Die Beschwerdeführer rügen ferner, die Beschlagnahme sei in
Wirklichkeit nicht durch die beauftragten Organe der Kantonspolizei,
sondern durch die deutschen Kriminalbeamten vorgenommen worden, und zwar
ohne Bewilligung der zuständigen eidgenössischen Behörden.

    a) Auch dieser Rüge kann eine gewisse Berechtigung nicht abgesprochen
werden. § 114 Abs. 2 GVG sieht zwar ausdrücklich vor, dass Amtshandlungen
ausländischer Behörden bewilligt werden können, und es ist anzunehmen,
dass die gleiche Rechtslage auch schon vor Inkrafttreten des neuen GVG
bestand. Notwendig ist jedoch die in Art. 271 StGB vorgesehene Zustimmung
der zuständigen Bundesbehörde, d.h. der eidgenössischen Polizeiabteilung
des EJPD (BRB vom 7. Juli 1971 über die Ermächtigung der Departemente
und der Bundespolizei zum selbständigen Entscheid über Bewilligungen nach
Art. 271 Ziff. 1 StGB).

    Hinsichtlich dieser Bewilligung ergibt sich aus den Akten, dass
die Polizeiabteilung am 29. Oktober 1976 die Zürcher Staatsanwaltschaft
angefragt hatte, "ob Beamten des Bundeskriminalamtes Wiesbaden gestattet
werden könne, den gewünschten Ermittlungen und Sicherstellungen
beizuwohnen" (im Brief der Polizeiabteilung unterstrichen). Als
Antwort erhielt die Polizeiabteilung die Kopie des Schreibens der
Staatsanwaltschaft Zürich an die Staatsanwaltschaft Hamburg über die
Bewilligung der Rechtshilfe. Aus dem Stillschweigen der Bundesbehörde
durfte die Staatsanwaltschaft Zürich schliessen, die Polizeiabteilung
habe gestattet, dass diese Beamten der Sicherstellung beiwohnen
dürften. Dagegen wurde keine Bewilligung zur Vornahme selbständiger
Amtshandlungen im Sinne von § 114 Abs. 2 GVG erteilt. Die von der
Polizeiabteilung verfügte Beschränkung der Bewilligung auf blosse
Teilnahme der ausländischen Beamten an den von den schweizerischen
Behörden durchzuführenden Rechtshilfemassnahmen entspricht im übrigen
Art. 4 Satz 2 EÜR und der herrschenden Lehre (MARKEES, Auslieferung und
internationale Rechtshilfe in Strafsachen, in: "Kriminalistik" 13/1959
S. 214; HAUSER/HAUSER, Kommentar zum Zürcher GVG § 125 N. 6 S. 432). Auch
die Weisung der Staatsanwaltschaft an die Bezirksanwaltschaft entsprach
der Weisung der Polizeiabteilung: "Teilnahme an den vom Bezirksanwalt
Dr. A. durchzuführenden Erhebungen". Die Bezirksanwaltschaft konnte
deshalb den ausländischen Beamten keine weitergehende Bewilligung erteilen.

    Der Zürcher Bezirksanwalt ging also eindeutig über die Bewilligung der
Polizeiabteilung hinaus, wenn er die Sachbearbeiter des Kriminalamtes
Wiesbaden ermächtigte, die Akten in seiner Abwesenheit am Ort der
Beschlagnahme zu sichten. Vielmehr hätte er selbst diese Sichtung zusammen
mit den deutschen Beamten vornehmen sollen. Er hat seiner Aufgabe nicht
genügt, indem er nachträglich vom Protokoll über die durchgeführte
Hausdurchsuchung mit der detaillierten Aufzählung der beschlagnahmten
Akten Kenntnis nahm. Mit Recht weisen die Beschwerdeführer auf die Gefahr
hin, dass die ausländischen Polizeibeamten während der Sichtung über den
Inhalt bereits Notizen machen könnten, die ihnen die Strafverfolgung auch
dann erleichtern, wenn die Entsiegelung nachträglich nicht bewilligt
wird. Anderseits konnten die deutschen Kriminalbeamten nicht wissen,
dass die Erlaubnis der Bezirksanwaltschaft zur Sichtung der Akten an der
Talstrasse durch das Schreiben der Polizeiabteilung nicht gedeckt war. Der
Straftatbestand des Art. 271 StGB ist deshalb entgegen der Behauptung
der Beschwerdeführer keinesfalls erfüllt und es besteht keinerlei Anlass
zu einer Strafuntersuchung gegen die deutschen Kriminalbeamten oder gegen
den verantwortlichen Bezirksanwalt.

    b) Doch stellt sich auch bei diesem Verstoss die Frage, ob er die
Rechts- bzw. Verfassungswidrigkeit der vorläufigen Beschlagnahme zur
Folge hat, so dass die Akten vorbehaltslos herauszugeben wären. Da die
Beschlagnahme im Auftrage der Staatsanwaltschaft und Bezirksanwaltschaft
erfolgt ist, kann jedenfalls nicht von einer Amtshandlung durch eine
unzuständige Instanz gesprochen werden.

    Die vorläufige Beschlagnahme mit Versiegelung ist eine Tathandlung,
die als solche nicht mehr rückgängig zu machen und von den Betroffenen
zunächst einmal hinzunehmen ist. Das anschliessende Entsiegelungsverfahren
bietet hinreichend Garantie dafür, dass die Rechte der Betroffenen
gewahrt werden. Deshalb muss das Bundesgericht bei der Aufhebung
derartiger Massnahmen wegen gewisser Verfahrensverstösse Zurückhaltung
üben (vgl. BGE 96 I 441). Das Interesse der Beschwerdeführer an
der Aufhebung der angefochtenen vorläufigen Beschlagnahme und an
der vorbehaltlosen Herausgabe der Akten könnte nur darin bestehen,
ihrerseits diese Akten zu sichten, um allenfalls belastende Aktenstücke den
Strafuntersuchungsbehörden in Verletzung von § 103 StPO vorzuenthalten,
bevor ein neues Rechtshilfebegehren der deutschen Staatsanwaltschaft
eintrifft und eine neue gesetzeskonforme Beschlagnahme durchgeführt
wird. Dieses Interesse verdient klarerweise keinen Schutz.

    Aus den von den Beschwerdeführern genannten Literaturstellen und
Gerichtsentscheiden ergibt sich nichts Gegenteiliges. Richtig ist, dass
das Zürcher Obergericht in einem Entscheid vom 25. August 1960 (SJZ
57/1961 S. 154 ff.) eine Entsiegelung verweigert hat in einem Falle,
wo die Hausdurchsuchung auf Begehren der Basler Staatsanwaltschaft nur
durch einen Polizeibeamten und nicht durch einen Untersuchungsrichter
vorgenommen worden war; doch ging es dort um einen wesentlich anderen
Tatbestand. In jenem Falle waren die beschlagnahmten Schriftstücke in
keiner Weise durch den Hausdurchsuchungsbefehl gedeckt, während hier
die Kantonspolizei zusammen mit den deutschen Kriminalbeamten durchaus
im Rahmen des Auftrages der Staatsanwaltschaft handelte. Zudem ist der
erwähnte Entscheid kritisiert worden von H. WALDER (Rechtswidrig erlangte
Beweismittel im Strafprozess, ZStR 82/1966 S. 56 ff.), der darauf hinweist,
dass schon nach der Rechtsprechung des deutschen Reichsgerichtes in
Strafsachen (Entscheid Bd. 47/1913 S. 195 f.) eine neue Beschlagnahme
sich als überflüssig erweist, wenn die erste, mit Fehlern behaftete
Beschlagnahme ohne weiteres wiederholt werden könnte. Dementsprechend
hat auch das Bundesgericht in BGE 96 I 441 erklärt, eine unzulässige
Verwertung rechtswidrig erlangter Beweismittel liege nur vor, wenn
Beweismittel berücksichtigt werden, die rechtmässig nicht beschafft
werden könnten. Mit der Verwertbarkeit der beschlagnahmten Beweismittel
im deutschen Strafverfahren haben sich die schweizerischen Behörden nicht
zu befassen. Für das vorliegende Verfahren genügt die Feststellung, dass
die vorgekommenen Unkorrektheiten nicht genügen, um die Beschlagnahme als
solche verfassungswidrig erscheinen zu lassen. Anders wäre gegebenenfalls
zu entscheiden, wenn Beweismittel bei Personen beschlagnahmt worden wären,
denen ein Zeugnisverweigerungsrecht zusteht (WALDER aaO S. 55). Dies
trifft hier jedoch nicht zu.