Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 103 IA 20



103 Ia 20

5. Auszug aus dem Urteil vom 16. März 1977 i.S. X. Immobilien- und
Verwaltungs AG gegen Gemeinde Meilen und Verwaltungsgericht des Kantons
Zürich Regeste

    Art. 4 BV. Grundstückgewinnsteuer; widersprüchliches Verhalten der
Behörde.

    Lässt sich die kantonale Steuerbehörde in der gleichen Sache einmal
von der Rücksicht auf die äussere rechtliche Form eines Unternehmens
und ein anderes Mal von der wirtschaftlichen Betrachtungsweise leiten,
so verletzt sie Art. 4 BV.

Sachverhalt

    A.- In den Jahren 1970 bis 1972 veräusserte die X.  Immobilien-
und Verwaltungs AG eine Liegenschaft in Feldmeilen, aufgeteilt in acht
Stockwerksanteile, an acht verschiedene Käufer. Die Grundsteuerkommission
Meilen auferlegte ihr mit acht separaten Verfügungen vom 16. September
1974 Grundstückgewinnsteuern im Gesamtbetrage von Fr. 172'337.50.
Die Verkäuferin rekurrierte hiegegen an die Finanzdirektion des Kantons
Zürich unter anderem mit dem Antrag, es sei ihr eine Provision von
Fr. 101'395.-- anzurechnen, die sie der X. Generalunternehmung AG für
die Ausarbeitung der Verträge und den Verkauf der Terrassenhäuser bezahlt
habe. Der Rekurs wurde am 24. März 1976 in diesem Punkt abgewiesen.

    Die X. Immobilien- und Verwaltungs AG veräusserte in den Jahren 1972
und 1973 eine weitere Liegenschaft in Feldmeilen, aufgeteilt in sechs
Stockwerksanteile, an sechs verschiedene Käufer. Die Grundsteuerkommission
Meilen auferlegte ihr mit sechs separaten Verfügungen vom 16. September
1974 Grundstückgewinnsteuern im Gesamtbetrage von Fr. 237'570.--. Hiegegen
erhob die Verkäuferin bei der Finanzdirektion des Kantons Zürich
Rekurs mit dem Antrag, der steuerpflichtige Grundstückgewinn sei um
insgesamt Fr. 96'600.-- herabzusetzen, nämlich um das Honorar, das sie
der X. Generalunternehmung AG für die Bearbeitung der Verträge über das
Stockwerkeigentum und den Verkauf der Wohnungen bezahlt habe. Auch dieser
Rekurs wurde am 24. März 1976 abgewiesen.

    Die Verkäuferin erhob gegen beide Verfügungen der Finanzdirektion beim
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich Rekurs. Dieses vereinigte die beiden
Geschäfte und wies die Rekurse mit Entscheid vom 28. Mai 1976 ab. Zur
Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, dass Mäklerprovisionen nur
dann angerechnet werden könnten, wenn sie einem Dritten vergütet worden
seien. Im vorliegenden Falle habe X. im Jahre 1970 sein bisheriges
Einzelunternehmen in vier Aktiengesellschaften aufgeteilt, zu denen
die X. Immobilien- und Verwaltungs AG sowie die X. Generalunternehmung
AG gehörten. Sämtliche Aktien der vier Gesellschaften habe X. in die
X. Holding AG eingebracht, und er stehe heute allen fünf Gesellschaften
als einzelzeichnungsberechtigter Verwaltungsratspräsident vor. Unter
diesen Umständen und unter Mitberücksichtigung der sich teilweise
überschneidenden, teilweise ergänzenden statutarischen Zweckbestimmung
der beteiligten Gesellschaften könne die X. Generalunternehmung AG
im Verhältnis zur X. Immobilien- und Verwaltungs AG mit Bezug auf ihre
Dienstleistungen beim Verkauf der beiden Liegenschaften in Feldmeilen
nicht als Drittperson gelten, weshalb die ihr bezahlte Mäklerprovision
steuerlich nicht zu berücksichtigen sei.

    Den Entscheid des Verwaltungsgerichts ficht die X. Immobilien- und
Verwaltungs AG mit staatsrechtlicher Beschwerde gestützt auf Art. 4 BV an.

    Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 4

    4.- Das entscheidende Problem liegt darin, ob das Verwaltungsgericht
die von der Beschwerdeführerin an die X. Generalunternehmung AG
bezahlten Provisionen steuerrechtlich habe ausser Betracht lassen dürfen,
obschon bei der Aufteilung der Liegenschaften der Einzelunternehmung
X. auf die vier von X. neu gegründeten Aktiengesellschaften im Jahre
1970 Handänderungssteuern erhoben und damit diese Gesellschaften als
selbständige Steuersubjekte anerkannt wurden. Die Beschwerdeführerin
macht geltend, bei der Gründung der Gesellschaften im Jahre 1970
hätten Finanzdirektion und Verwaltungsgericht es abgelehnt, der
wirtschaftlichen Einheit der verschiedenen Gesellschaften mit deren
Rechtsvorgänger X. Rechnung zu tragen; heute dagegen weigerten sie sich,
diese Gesellschaften als steuerlich unabhängige Dritte anzuerkennen. Sie
erblickt darin einen gemäss Art. 4 BV unzulässigen Methodendualismus. Das
Verwaltungsgericht stellt dies in Abrede. Es hält dafür, im vorliegenden
Falle habe ein anderer gesetzlicher Tatbestand vorgelegen als bei Gründung
der Gesellschaften im Jahre 1970; für dessen Beurteilung seien abweichende
Gesichtspunkte ausschlaggebend.

    a) Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist die von den
Beteiligten gewählte Gestaltung der zivilrechtlichen Verhältnisse
für die Besteuerung nicht ohne weiteres massgebend. Vielmehr darf
unter bestimmten Voraussetzungen auf den wirtschaftlichen Sachverhalt
abgestellt werden. Unter dem Gesichtspunkt des in Art. 4 BV verankerten
Willkürverbotes ist nur erforderlich, dass für eine sogenannte
wirtschaftliche Betrachtungsweise triftige sachliche Gründe bestehen;
hingegen wird dort, wo dem Bundesgericht freie Prüfung zusteht, d.h. bei
Doppelbesteuerungskonflikten und Streitigkeiten über bundesrechtliche
Abgaben, die wirtschaftliche Betrachtungsweise beschränkt auf Fälle,
in denen die Gestaltung der zivilrechtlichen Verhältnisse ungewöhnlich,
sachwidrig oder absonderlich ist und lediglich der Steuerumgehung dient
(BGE 99 Ia 463; 98 Ib 323; 96 I 118 mit Hinweisen auf ältere Urteile). Im
neuesten der angeführten Urteile wird unter Hinweis auf die Rechtslehre
bemerkt, es sei auch im Rahmen von Willkürbeschwerden angebracht, je
nach dem anwendbaren kantonalen Gesetz die Grenzen der wirtschaftlichen
Betrachtungsweise enger oder weiter zu ziehen. Eine gewisse Zurückhaltung
sei am Platze, weil die Besteuerung auf Grund rein wirtschaftlicher
Betrachtung im allgemeinen den Grundsatz der Gesetzmässigkeit der Steuer
beeinträchtige. Der sogenannte Durchgriff bei Aktiengesellschaften, der
dazu führe, dass steuerlich die Existenz der Gesellschaften ganz oder
teilweise unbeachtet bleibe, dürfe nur erfolgen, wenn gewichtige Gründe
ein solches Vorgehen nahelegten (BGE 99 Ia 464). Fest steht jedenfalls,
dass sich die kantonalen Behörden für das eine oder das andere System
entscheiden müssen. Lassen sie sich in der nämlichen Sache einmal von der
Rücksicht auf die äussere juristische Form eines Unternehmens und dann
wieder von der wirtschaftlichen Betrachtungsweise leiten, so setzen sie
sich zu sich selbst in Widerspruch und verletzen damit Art. 4 BV (BGE 95
I 143 E. 3; 93 I 691; vgl. auch E. BLUMENSTEIN, System des Steuerrechts,
3. Aufl., S. 168).

    b) Das zürcherische Grundstückgewinnsteuerrecht lässt die
wirtschaftliche Betrachtungsweise zu, indem es in § 161 Abs. 2 lit. a StG
Rechtsgeschäfte, die bezüglich der Verfügungsgewalt über Grundstücke
tatsächlich und wirtschaftlich wie Handänderungen wirken, einer
Handänderung gleichstellt. In die nämliche Richtung weist § 161 Abs. 3
lit. d StG, der Handänderungen infolge Umwandlung von Einzelfirmen,
Personengesellschaften oder juristischen Personen ohne wertmässige
Änderungen der Anteilsrechte der Beteiligten als steuerfrei erklärt. Die
Rechtsprechung geht indessen dahin, eine solche Umwandlung nur dort
anzunehmen, wo der bisherige Gesellschaftszweck bei gleichbleibenden
Beteiligungsverhältnissen weiterverfolgt wird (Rechenschaftsbericht
des Verwaltungsgerichtes 1960 Nr. 91; 1965 Nr. 56). Bei Fusion oder
bei Aufgliederung von Unternehmen wird dieser Sachverhalt verneint.
Demgemäss hat das Verwaltungsgericht in einem Urteil vom 2. März 1973
die Erhebung der Grundstückgewinnsteuer anlässlich der Aufspaltung der
Einzelfirma X. in vier Aktiengesellschaften geschützt mit der Begründung,
es komme nur auf die Beziehungen zwischen X. und den vier neugegründeten
Aktiengesellschaften an und nicht darauf, dass deren Aktien wieder in eine
Holdinggesellschaft eingebracht worden seien, die X. gehöre (Urteil vom
2. März 1973 i.S. X. gegen Gemeinde Küsnacht). Das Verwaltungsgericht
hat somit bei der Gründung der vier Nachfolgegesellschaften des
Einzelunternehmens X. steuerlich den zivilrechtlichen Sachverhalt
als massgebend betrachtet und sich nicht von einer wirtschaftlichen
Betrachtungsweise leiten lassen.

    c) Es ist unbestritten, dass für eigene Verkaufsbemühungen
des Grundeigentümers keine sogenannte Eigenprovision analog zur
Mäklerprovision vom steuerpflichtigen Grundstückgewinn in Abzug gebracht
werden darf. Für juristische Personen bedeutet dies nach bisheriger
zürcherischer Rechtsprechung, dass Vergütungen, welche sie ihren Organen
für Verkaufsbemühungen ausbezahlt haben, nicht als Mäklerprovision in
Betracht fallen; denn die Organe sind nicht Drittpersonen. Anderseits hat
die Oberrekurskommission des Kantons Zürich, der vor dem Inkrafttreten des
Verwaltungsrechtspflegegesetzes die Funktion eines Verwaltungsgerichtes in
Steuersachen zukam, im Jahre 1958 entschieden, eine Aktiengesellschaft
könne von ihren Aktionären oder von ihrem Alleinaktionär beauftragt
werden, den Verkauf einer Liegenschaft zu vermitteln. Ein solches
Rechtsgeschäft sei steuerlich als Mäklervertrag anzuerkennen, es wäre
denn, mit einem unbeteiligten Dritten wäre ein gleichartiger Vertrag
nicht abgeschlossen worden oder es handle sich um ein in Wirklichkeit
nicht gewolltes Scheingeschäft. Die steuerliche Anerkennung könne dem
wirklich gewollten Rechtsgeschäft jedenfalls dann nicht versagt werden,
wenn die Aktiengesellschaft als solche steuerlich anerkannt werde; denn es
könne in diesem Falle nicht gesagt werden, die Aktiengesellschaft sei im
Verhältnis zu ihrem Aktionär oder zu ihren Aktionären nicht Drittperson,
weshalb sie begrifflich nicht Mäkler sein könne (ZR 59 Nr. 20 = ZBl 61
S. 23 = RB ORK 1958 Nr. 98; vgl. auch Kommentar REIMANN-ZUPPINGER-SCHÄRRER,
N 35 u. 36 zu § 166 StG).

    Hat aber ein Alleinaktionär Anspruch darauf, dass die Mäklerprovision,
die er der ihm gehörenden Gesellschaft bezahlt hat, bei der Festsetzung
des steuerlich massgebenden Grundstückgewinnes berücksichtigt wird,
dann kann es sich nicht anders verhalten, wenn statt des Alleinaktionärs
eine mit der Mäklergesellschaft durch Konzernbindungen verknüpfte andere
Aktiengesellschaft als Auftraggeber in Erscheinung tritt; denn enger
als zwischen dem Alleinaktionär und seiner Aktiengesellschaft kann
die wirtschaftliche Bindung begrifflich gar nicht sein. Wenn somit
das Verwaltungsgericht im vorliegenden Falle die Berücksichtigung der
Mäklerprovision bei der Steuerberechnung verweigert hat, so ist es -
allerdings ohne dies ausdrücklich zu sagen - von der in seinem eigenen
Urteil zitierten Praxis der Oberrekurskommission abgerückt.

    d) Es ist nicht zu verkennen, dass sich für eine derartige
Praxisänderung triftige Gründe anführen lassen. Das Verwaltungsgericht
führt die Parallelität der Interessen des Auftraggebers mit dem
Beauftragten an, die es ausschliesse, diesen steuerlich wie einen Dritten
als Mäkler anzuerkennen. Auch liesse sich mit Grund die Auffassung
vertreten, die steuerliche Anerkennung von Provisionszahlungen zwischen
wirtschaftlich aufs Engste miteinander verbundenen oder hinsichtlich ihres
Trägers sogar identischen Firmen schaffe eine Rechtsungleichheit gegenüber
jenen Unternehmungen, welche den Verkauf von Liegenschaften ihren Organen
oder Angestellten übertragen und hiefür keine Entschädigung in Anrechnung
bringen dürfen. Unter dem Gesichtswinkel der Rechtsgleichheit wäre demnach
gegen eine Änderung der bisherigen zürcherischen Rechtsprechung nichts
einzuwenden, und auch der Wortlaut des Gesetzes stünde ihr nicht entgegen.

    Indessen ist bereits dargelegt worden, dass der Fiskus nicht berechtigt
ist, ein und denselben Sachverhalt einmal nach der äusseren rechtlichen
Form und ein anderes Mal nach dem wirtschaftlichen Hintergrund zu
beurteilen. Er verstiesse damit gegen den fundamentalen Rechtsgrundsatz
von Treu und Glauben, der in Art. 4 BV enthalten ist. Im vorliegenden
Falle hat der Kanton Zürich bei der Umwandlung der Einzelunternehmung
X. in vier Aktiengesellschaften Handänderungs- und Grundstückgewinnsteuern
bezogen. Er hat diese vier Gesellschaften steuerlich als selbständige
Unternehmungen anerkannt, was voraussetzte, dass er die gewählte
zivilrechtliche Organisationsform als für die Besteuerung massgebend
betrachtete (vgl. Urteil des Verwaltungsgerichtes vom 2. März 1973
i.S. X. gegen Gemeinde Küsnacht). Bei dieser Sachlage geht es nicht an,
in einem nächsten Steuerfall über diese zivilrechtliche Form hinwegzusehen
und in Anwendung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise einer der vier
im Konzern zusammengefassten Gesellschaften gegenüber einer andern die
Eigenschaft eines Dritten abzusprechen, der als Mäkler in Erscheinung
treten könne. Der Staat ist nicht berechtigt, die Besteuerungsmethode
einseitig seinen jeweiligen Interessen anzupassen, sondern er muss sich
beim einmal gewählten Vorgehen behaften lassen (BGE 95 I 143 f. E.
3; 93 I 691). Der in der Vernehmlassung des Verwaltungsgerichtes zum
Ausdruck gebrachten Auffassung, wonach es sich im vorliegenden Falle um die
Anwendung eines anderen gesetzlichen Tatbestandes handle als beim Urteil
vom 2. März 1973, kann nicht beigepflichtet werden. In beiden Fällen war
Gegenstand des Urteils die Grundstückgewinnsteuerpflicht, und in beiden
Fällen war die steuerliche Auswirkung der Konzernbindung zwischen den
Firmen der X.-Gruppe zu beurteilen. Es handelte sich somit im wesentlichen
um die Beurteilung der nämlichen Rechtsfrage in der Sache der nämlichen
Steuerpflichtigen, woran die Tatsache nichts ändert, dass im ersten Falle §
161 Abs. 3 lit. d und im andern Falle § 166 lit. d StG auszulegen war.