Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 102 V 239



102 V 239

58. Urteil vom 21. Dezember 1976 i.S. Vannozzi gegen Ausgleichskasse des
Kantons Zürich und AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich Regeste

    Art. 200 und 200bis Abs. 1 AHVV. Behörden, die zuständig sind zur
Beurteilung der Beschwerden von Personen, deren Wohnsitz streitig ist.

Sachverhalt

    A.- Die am 31. Mai 1911 geborene Amerikanerin Elisabetta Lucke
heiratete 1956 den Italiener Umberto Vannozzi (geb. 1916) und erwarb
dadurch die italienische Staatsangehörigkeit. Sie ist zusammen mit ihrem
Ehemann, der als Prediger wirkt, in Messina als Missionarin der Zeugen
Jehovas tätig. Umberto Vannozzi ist in der Schweiz geboren und besitzt
die Niederlassungsbewilligung (Ausländerausweis C). Die Eheleute halten
sich jedes Jahr für einige Wochen in R. ZH auf, wo der Mann zusammen mit
seinen Eltern bis 1954 in der Landwirtschaft tätig war.

    Elisabetta Vannozzi meldete sich am 17. Dezember 1975 bei der
AHV-Zweigstelle R. zum Bezug einer ausserordentlichen Altersrente
an. Mit Verfügung vom 7. Januar 1976 wies die Ausgleichskasse des
Kantons Zürich das Begehren mit der Begründung ab, die Gesuchstellerin
wohne grösstenteils in Messina und halte sich nur kurzfristig in R. auf,
weshalb die im schweizerisch-italienischen Sozialversicherungsabkommen
aufgestellte Voraussetzung des 10jährigen ununterbrochenen Aufenthaltes
in der Schweiz nicht erfüllt sei.

    B.- Die AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich trat durch Verfügung
vom 4. Juni 1976 auf eine von Elisabetta Vannozzi erhobene Beschwerde
mangels örtlicher Zuständigkeit nicht ein. Da die Beschwerdeführerin
ihren Wohnsitz in Italien habe, sei laut Art. 200bis Abs. 1 AHVV zur
Beurteilung der Beschwerde die Eidgenössische Rekurskommission für Personen
im Ausland zuständig, an welche die Akten nach Rechtskraft des Entscheides
zu überweisen seien.

    C.- Elisabetta Vannozzi führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde,
der dem Sinne nach zu entnehmen ist, dass sie die Ausrichtung einer
ausserordentlichen Altersrente verlangt. Sie macht geltend, sich wohl
meistens in Italien aufzuhalten, ihre Niederlassung und ihren Wohnsitz
habe sie indessen mit ihrem Ehemann zusammen in R.

    Während die Ausgleichskasse auf Abweisung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst, beantragt das Bundesamt für
Sozialversicherung, die AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich sei
anzuweisen, in der Sache zu entscheiden.

Auszug aus den Erwägungen:

       Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- ...

Erwägung 2

    2.- Die AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich hat ihre Zuständigkeit
mit der Begründung verneint, die Beschwerdeführerin habe nicht Wohnsitz
in der Schweiz, sondern in Italien, weshalb nicht sie, sondern gemäss
Art. 200bis Abs. 1 AHVV die Rekurskommission der AHV/IV für die im Ausland
wohnenden Personen die Beschwerde gegen die Verfügung der Ausgleichskasse
des Kantons Zürich zu beurteilen habe.

    a) Gemäss Art. 84 Abs. 2 AHVG werden die Beschwerden in erster
Instanz - neben den kantonalen Rekursbehörden - von der vom Bundesrat
bestellten Rekurskommission für die in Art. 62 Abs. 2 AHVG genannte
Ausgleichskasse beurteilt. Nach Art. 200bis Abs. 1 AHVV ist diese besondere
Rekurskommission zuständig zur Beurteilung der Beschwerden von im Ausland
wohnenden Personen, vorbehältlich Art. 200 Abs. 1 und 3. Laut Absatz
1 dieser letztgenannten Bestimmung (in der Fassung der Verordnung vom
18. Oktober 1974, in Kraft seit 1. Januar 1975) ist zur Beurteilung der
Beschwerden die Rekursbehörde desjenigen Kantons zuständig, in welchem der
Beschwerdeführer bei Erlass der angefochtenen Verfügung seinen Wohnsitz,
Sitz oder Aufenthalt hat. Und nach Art. 200 Abs. 4 AHVV ist zuständig
für die Beurteilung von Beschwerden gegen Verfügungen einer kantonalen
Ausgleichskasse in allen Fällen die Rekursbehörde des entsprechenden
Kantons.

    b) Massgebender Anknüpfungspunkt gemäss Art. 200bis Abs. 1 AHVV ist
das territoriale Kriterium, dass der Beschwerdeführer bei Einreichung der
Beschwerde im Ausland wohnt (vgl. zu diesem Begriff BGE 100 V 57 Erw. 4),
und zwar ohne Rücksicht darauf, welche Ausgleichskasse die angefochtene
Verfügung erlassen hat (BGE 100 V 57 Erw. 3c).

    Art. 200 Abs. 4 AHVV dagegen grenzt bloss die Zuständigkeit unter
kantonalen Rekursbehörden ab (BGE 100 V 57 Erw. 3d).

Erwägung 3

    3.- a) Laut dem Gesagten entscheidet sich somit nach dem Wohnsitz
der Beschwerdeführerin, der im vorliegenden Fall streitig ist, welche
Rekursbehörde die Beschwerde zu beurteilen hat.

    Das Bundesamt für Sozialversicherung schlägt vor, dass in einem
solchen Fall diejenige Rekursbehörde als zuständig zu betrachten sei,
die der Streitfrage sachlich und örtlich am nächsten stehe.

    Diese Lösung ist in der Regel zweckmässig und hält sich im Rahmen
der Überlegungen, die Anlass zu der auf den 1. Januar 1975 in Kraft
getretenen Abänderung von Art. 200 Abs. 1 AHVV gegeben haben (vgl. dazu
ZAK 1974 S. 452).

    b) Der Entscheid, ob die Beschwerdeführerin eine ausserordentliche
Altersrente beanspruchen kann, hängt unter anderem davon ab, ob sie in
der Schweiz (in R.) Wohnsitz habe.

    Die AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich hat daher nach dem Gesagten
die von Elisabetta Vannozzi gegen die Verfügung der Ausgleichskasse
des Kantons Zürich erhobene Beschwerde materiell zu beurteilen. Sie
wird bei der Prüfung der Frage des Wohnsitzes der Beschwerdeführerin
insbesondere auch noch den in ihrem Nichteintretensentscheid nicht
berührten Gesichtspunkt zu berücksichtigen haben, dass der Wohnsitz des
Ehemannes grundsätzlich als Wohnsitz der Ehefrau gilt (Art. 25 ZGB).

Entscheid:

        Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

    Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird, soweit darauf einzutreten
ist, in dem Sinne gutgeheissen, dass die Sache zum Entscheid an die
AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich zurückgewiesen wird.