Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 102 V 219



102 V 219

53. Auszug aus dem Urteil vom 20. Dezember 1976 i.S. Beutler gegen
Ausgleichskasse des Kantons Bern und Versicherungsgericht des Kantons
Bern Regeste

    Eingliederungsrisiko (Art. 11 IVG). Zur Haftung der
Invalidenversicherung für den Ersatz von Hüftgelenksprothesen.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

    a) Nach Art. 11 Abs. 1 IVG hat der Versicherte Anspruch auf
Ersatz der Heilungskosten für Krankheiten und Unfälle, die durch
Eingliederungsmassnahmen verursacht werden. Die entsprechende Haftung
besteht grundsätzlich nur, wenn eine von der Invalidenversicherung
angeordnete Eingliederungsmassnahme die adäquate Ursache einer den
Versicherten schädigenden Krankheit oder eines diesen beeinträchtigenden
Unfalles ist. Die Haftung der Invalidenversicherung ist auch zu bejahen,
wenn die in Frage stehende Eingliederungsmassnahme lediglich eine adäquate
Teilursache der Krankheit oder des Unfalles ist (BGE 99 V 214; EVGE 1968
S. 199, 1965 S. 77).

    b) Den Akten ist zu entnehmen, dass die im August 1969 vorgenommene
Totalprothesen-Operation erfolgreich durchgeführt worden ist. Im
April 1970 konnte der Beschwerdeführer die Erwerbstätigkeit zu 50%
und ab 1. Juli 1970 wieder zu 100% aufnehmen. Am 26. März 1972 stellte
Dr. med. M. fest, es bestehe ein "Status nach Totalprothese rechte Hüfte
mit tadelloser Funktion, voller Belastbarkeit und Arbeitsfähigkeit". Auch
in den Jahren 1973 und 1974 war der Beschwerdeführer ohne wesentliche
krankheitsbedingte Abwesenheiten voll erwerbstätig. Erst im Sommer 1974
traten zufolge Lockerung der Prothese erneut zunehmende Beschwerden auf,
welche im Jahre 1975 eine Prothesenersatz-Operation notwendig machten.

    Die mehrere Jahre nach dem Einsetzen der Totalprothese eingetretene
Prothesenlockerung stellt eine beim heutigen Stand der medizinischen
Wissenschaft voraussehbare normale Entwicklung im Rahmen der
Totalprothesen-Behandlung dar. Dies bildet denn auch einen wesentlichen
Grund dafür, dass bei Hüftgelenksprothesen nach bisheriger Erfahrung
mit einem medizinischen Erfolg für eine Dauer von lediglich 5-10 Jahren
gerechnet werden kann (BGE 101 V 51 sowie ZAK 1975 S. 340 ff.). Soweit sich
aber der behandlungsbedürftige Zustand aus der begrenzten Erfolgsdauer der
Massnahme selbst ergibt, kann er nicht im Sinne adäquater Kausalität der
Invalidenversicherung zugerechnet werden. Wie das Gesamtgericht entschieden
hat, haftet die Invalidenversicherung daher nicht für die klinischen
Folgen einer Prothesenlockerung, wenn die Prothesenersatz-Operation einzig
deshalb notwendig wird, weil der erste Eingriff seine therapeutische
Wirkung wegen des zeitlich begrenzten Erfolges der Massnahme eingebüsst
hat. Da im vorliegenden Fall jegliche Anhaltspunkte dafür fehlen, dass am
heutigen Zustand ein zusätzlicher, auf den ersten Eingriff zurückgehender
Krankheitsprozess beteiligt ist, geht der Prothesenersatz somit auch
gestützt auf Art. 11 Abs. 1 IVG nicht zu Lasten der Invalidenversicherung.