Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 102 V 180



102 V 180

43. Auszug aus dem Urteil vom 22. September 1976 i.S. Haenni gegen
Ausgleichskasse des Kantons Bern und Versicherungsgericht des Kantons
Bern Regeste

    Ausserordentliche Renten mit Einkommensgrenze (Art. 42 AHVG und 39
IVG): anrechenbare Wertvermehrungen an Rechten und Sachen.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

    Streitig ist, ob dem Beschwerdeführer für die Zeit ab 1. Januar
1974 anstelle der ordentlichen Ehepaar-Invalidenrente von Fr. 546.--
im Monat eine höhere ausserordentliche Rente zusteht. Dies beurteilt
sich grundsätzlich nach dem im vorangegangenen Kalenderjahr erzielten
Einkommen (Art. 59 Abs. 1 AHVV). Das von der Ehefrau des Beschwerdeführers
im Jahre 1973 erzielte Erwerbseinkommen ist indessen in die Berechnung
nicht einzubeziehen, weil das entsprechende Arbeitsverhältnis auf Ende
1973 aufgelöst worden ist (Art. 59 Abs. 2 AHVV). Es stellt sich mithin
lediglich die Frage, ob dem Beschwerdeführer die zufolge Kursrückganges
des Dollars auf dem Darlehen eingetretene Schuldverminderung als Einkommen
anzurechnen ist.

    a) Den fraglichen Kursgewinnen liegt eine gegenüber der
Transcontinental Watch Sales Corporation, Milwaukee/USA, eingegangene
Darlehensschuld zugrunde, welche sich anscheinend aus zwei Forderungen über
US$ 50'000.-- und US$ 11'000.-- zusammensetzt. Die beiden Schuldbeträge
sind in den Geschäftsrechnungen der Jahre 1970-1972 mit Fr. 21'5456.25
bzw. Fr. 47'600.10 eingesetzt. Im Kreditorenverzeichnis auf Ende 1973
figuriert lediglich noch die Schuld über US$ 50'000.--, nachdem der
Beschwerdeführer der Gläubigerin am 20. Dezember 1973 einen Check über
US$ 11'000.-- überwiesen hatte, wofür er von der Bank mit Fr. 35'145.--
belastet wurde. Die Gläubigerin wies die Zahlung in der Folge zurück und
schloss am 15. Januar 1974 mit dem Schuldner eine Vereinbarung, wonach
das Darlehen mit Fr. 263'000.-- auf eine Schweizer Bank rückzahlbar
ist. Die Umrechnung beruht auf einem Dollarkurs von Fr. 4.31, wie er dem
ursprünglichen Darlehen zugrunde lag. Anlässlich der Teilrückzahlung des
Darlehens am 20. Dezember 1973 stand der Kurs aber auf Fr. 3.19 1/2. Auf
der Gesamtschuld von US$ 61'000.-- hat sich daher auf Ende 1973 ein
Kursgewinn von mehr als Fr. 60'000.-- ergeben; im Jahre 1974 ist ein
weiterer Gewinn entstanden, indem der Dollarkurs Ende 1974 noch bei
Fr. 2.50 lag.

    b) Die Vorinstanz nimmt an, der Kursgewinn sei im Sinne des
Wehrsteuerrechts als Einkommen anzurechnen, unabhängig davon, ob der
Gewinn realisiert worden sei oder nicht. Sie verweist hiezu auf Art. 21
Abs. 1 lit. f WStB, wonach zu dem für die Steuerberechnung massgebenden
Einkommen auch Vermehrungen des Wertes von Sachen und Rechten gehören,
die im Betriebe eines zur Führung kaufmännischer Bücher verpflichteten
Unternehmens eingetreten und verbucht worden sind. Währungsgewinne,
insbesondere auch die auf Grund einer Verminderung von Passiven erzielten,
können jedoch steuerlich nur erfasst werden, wenn sie tatsächlich oder
buchmässig realisiert worden sind. Der Steuerpflichtige kann daher
in gewissem Umfange selbst über den Zeitpunkt der Besteuerung einer
eingetretenen Wertvermehrung befinden (vgl. MASSHARDT, Kommentar zur
eidg. Wehrsteuer 1971-1982, S. 122/23 sowie S. 9 ff. des Nachtrages 1974;
KÄNZIG, Wehrsteuer, S. 173 ff.).

    Der Beschwerdeführer hat die fraglichen Kursgewinne weder tatsächlich
noch buchmässig realisiert. Hierauf kann es für die Beurteilung des
Rentenanspruchs indessen nicht ankommen. Die ausserordentliche Rente
stellt, soweit sie zu einem Mehrbetrag gegenüber der ordentlichen Rente
führt, eine beitragsunabhängige, auf dem Versorgungsprinzip beruhende
Leistung dar. Es kann daher nicht dem Versicherten überlassen bleiben,
ob er eingetretene Wertvermehrungen realisiert oder nicht (vgl. auch
Art. 61 Abs. 5 AHVV). Schon aus Gründen der Rechtsgleichheit ist
vielmehr jede nicht bloss vorübergehende Wertvermehrung in die für die
Anspruchsberechtigung massgebende Einkommensberechnung einzubeziehen,
sofern sie zumutbarerweise realisiert werden kann.

    c) Im vorliegenden Fall bestehen keine Anhaltspunkte für die
Annahme, die eingetretenen Kursgewinne seien nicht realisierbar. Der
Beschwerdeführer hat am 20. Dezember 1973 eine Darlehensrückzahlung im
Betrage von US$ 11'000.-- geleistet und damit einen Gewinn von mehr
als Fr. 12'000.-- realisiert. Dass er nachträglich dem Vorschlag der
Gläubigerin auf Umwandlung des gesamten Darlehens in eine auf Schweizer
Franken lautende Schuld unter Verzicht auf die Teilamortisation zugestimmt
hat, ist unerheblich, weil er hiefür keine zwingenden Gründe anzugeben
vermag. Insbesondere lässt sich der Verzicht auf die Teilrückzahlung nicht
mit bundesrechtlichen Einschränkungen des Dollartransfers begründen,
wie der Beschwerdeführer im erstinstanzlichen Beschwerdeverfahren
vorgebracht hat. Wenn er in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nunmehr
geltend macht, die Verordnung des Bundesrates vom 5. Juli 1972 über die
Bewilligungspflicht für die Aufnahme von Geldern im Ausland (SR 941.114)
sei unklar abgefasst, kann dem nicht beigepflichtet werden. Weder
die Verordnung selbst noch der vom Beschwerdeführer ins Recht gelegte
Bericht des Bundesrates über Massnahmen zum Schutze der Währung vom
17. Oktober 1973 (BBl 1973 II 860 ff.) vermögen die Annahme zu begründen,
die Rückzahlung einer Dollarschuld durch Anweisung eines Dollarbetrages
sei ganz oder teilweise untersagt. Im übrigen bleibt der Beschwerdeführer
jede Begründung dafür schuldig, weshalb er der Umwandlung der Dollarschuld
in eine Frankenschuld auf der Grundlage eines für ihn ungünstigen, längst
überholten Wechselkurses zugestimmt hat. Es bleibt daher bei der Annahme,
er habe freiwillig auf Kursgewinne verzichtet, weshalb diese als Einkommen
anzurechnen sind.

    Bei dieser Sach- und Rechtslage ist nicht zu beanstanden, dass
Verwaltung und Vorinstanz den Anspruch auf die ausserordentliche Rente
für die Jahre 1974 und 1975 verneint haben. Wie die Vorinstanz zutreffend
darlegt, würde der Anspruch auf eine ausserordentliche Rente bei der
zugesprochenen ordentlichen Rente von Fr. 546.-- im Monat ein anrechenbares
Jahreseinkommen von weniger als Fr. 2'500.-- voraussetzen. Dies ist nach
dem Gesagten auszuschliessen, ohne dass es weiterer Abklärungen bedürfte.