Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 102 V 156



102 V 156

36. Auszug aus dem Urteil vom 6. August 1976 i.S. Ausgleichskasse
des schweizerischen Gewerbes gegen Konkursmasse des Eggimann und
AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich Regeste

    Art. 5 Abs. 2 AHVG. Konkursdividenden auf Forderungen des
Arbeitnehmers, welche diesem wegen vorzeitiger Auflösung des
Arbeitsverhältnisses zufolge Konkurses zustehen, unterliegen der
paritätischen AHV/IV/EO-Beitragspflicht (Änderung der Rechtsprechung).

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

    a) Nach Art. 5 Abs. 2 AHVG umfasst der für die Beitragspflicht aus
unselbständiger Erwerbstätigkeit massgebende Lohn jedes Entgelt für in
unselbständiger Stellung auf bestimmte oder unbestimmte Zeit geleistete
Arbeit. Zum massgebenden Lohn gehören begrifflich sämtliche Bezüge des
Arbeitnehmers, die wirtschaftlich mit dem Arbeitsverhältnis zusammenhängen,
gleichgültig, ob dieses Verhältnis fortbesteht oder gelöst worden ist
und ob die Leistungen geschuldet werden oder freiwillig erfolgen. Als
beitragspflichtiges Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit gilt
somit nicht nur unmittelbares Entgelt für geleistete Arbeit, sondern
grundsätzlich jede Entschädigung oder Zuwendung, die sonstwie aus dem
Arbeitsverhältnis bezogen wird, soweit sie nicht kraft ausdrücklicher
gesetzlicher Vorschrift von der Beitragspflicht ausgenommen ist (BGE 101
V 3 Erw. 2a mit Hinweisen).

    b) Gemäss EVGE 1950 S. 206 stellt die auf eine Forderung des
Dienstpflichtigen wegen kündigungsloser Auflösung des Dienstverhältnisses
zufolge Konkurses entfallende Konkursdividende nicht beitragspflichtigen
Lohn dar. Als massgebend hiefür wurde erachtet, dass das Dienstverhältnis,
falls es von der Konkursverwaltung nicht weitergeführt wird, mit der
Konkurseröffnung als beendet gilt, weshalb es sich bei der Konkursdividende
nicht um Entgelt für Dienste handeln könne, welche der Gläubiger effektiv
geleistet habe oder zu deren Leistung er sich zur Verfügung halten musste;
auch fehle es am erforderlichen Abhängigkeitsverhältnis. Die Forderung
laute denn auch nicht auf Lohn, sondern auf Entschädigung wegen Auflösung
des Dienstverhältnisses nicht durch den Arbeitgeber, sondern zufolge
konkursrechtlicher Wirkung.

    Wie die Beschwerdeführerin mit Recht geltend macht, kann an diesem
Entscheid im Lichte der neueren Rechtsprechung sowie der seitherigen
Gesetzgebung nicht festgehalten werden. Bedenken erweckt zunächst
die Unterscheidung zwischen Forderungen, die aus der Zeit vor dem
Konkurs stammen, und solchen, die als Folge des Konkurses entstehen,
soweit damit zum Ausdruck kommt, der Konkurs vermöge als solcher
Forderungen zu begründen. Massgebend für die im Konkurs entstandenen
Ansprüche ist allein das diesen zugrunde liegende Rechtsverhältnis,
im vorliegenden Zusammenhang somit der Arbeitsvertrag. Für die Belange
der sozialversicherungsrechtlichen Beitragspflicht ist entscheidend,
dass gemäss Arbeitsvertragsrecht der Konkurs des Arbeitgebers keinen
wichtigen Grund zur fristlosen Vertragsauflösung bildet und dass dem
Arbeitnehmer gemäss Art. 337 lit. c OR eine Lohnforderung bis zum
Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zusteht (GUHL/MERZ/KUMMER,
Das Obligationenrecht, 6. Aufl. S. 408; SCHWEINGRUBER, Kommentar zum
Arbeitsvertrag, S. 104/5). Für diese Forderung hat der Arbeitnehmer
nach Art. 219 Abs. 4 SchKG ein Konkursprivileg in der ersten Klasse,
wie dies für die aus dem Arbeitsverhältnis in den letzten 6 Monaten vor
der Konkurseröffnung entstandenen Forderungen gilt.

    Geht es bei den streitigen Forderungen der Arbeitnehmer
um Lohnforderungen aus dem Arbeitsverhältnis, so unterliegen
die entsprechenden Konkursdividenden der Beitragspflicht aus
unselbständiger Erwerbstätigkeit. Dass es sich nicht um Entgelt für
effektiv geleistete Arbeit im Rahmen eines bestehenden arbeitsvertraglichen
Abhängigkeitsverhältnisses handelt, steht dem nicht entgegen. Ein Einkommen
ist nämlich nicht schon deshalb von der Beitragspflicht ausgenommen,
weil es sich nicht um Entgelt für tatsächlich geleistete Arbeit handelt
oder weil es in einem Zeitpunkt zur Ausrichtung gelangt, in welchem das
Arbeitsverhältnis bereits aufgelöst ist (ZAK 1961 S. 33). Nach konstanter
Rechtsprechung gehört zum beitragsrechtlich massgebenden Lohn auch ein vom
Arbeitgeber bezogener Ersatz für Lohnausfall; insbesondere fällt unter den
Lohnbegriff auch die Entschädigung, die ein Arbeitnehmer wegen vorzeitiger
Entlassung vom Arbeitgeber erhält (EVGE 1958 S. 111 mit Hinweisen). Für
eine Beitragsbefreiung von Lohnforderungen, die im Konkurs des Arbeitgebers
geltend gemacht werden, bzw. der hieraus resultierenden Konkursdividenden
besteht auch unter diesem Gesichtspunkt kein Anlass.