Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 102 IV 8



102 IV 8

2. Urteil des Kassationshofes vom 30. Januar 1976 i.S. X. gegen
Justizdirektion des Kantons Appenzell A.Rh. Regeste

    Art. 41 Ziff. 2 Abs. 1 StGB. Ob die Weisung, sich alkoholischer
Getränke zu enthalten, zweckmässiger ist als ein Fahrverbot, hat der
Richter unter Berücksichtigung des Einzelfalls nach sachgemässem Ermessen
zu entscheiden.

Sachverhalt

    A.- Kurz nach Mitternacht des 9./10. September 1974 fuhr X.  mit
seinem Personenwagen vom Restaurant "Alter Zoll" in Herisau über die St.
Gallerstrasse zur Windegg. Er war stark betrunken. Umsonst riet ihm vor
der Rückfahrt die Wirtin im "Alten Zoll", sich mit einem Taxi heimfahren
zu lassen. Die Blutprobe ergab auf den Zeitpunkt der Fahrt zurückberechnet
einen Alkoholgehalt von mindestens 2,7 Gewichtspromille im Blut.

    B.- Das Kantonspolizeiamt Trogen hat X. wegen dieses Vorfalls mit
Wirkung ab 10. September 1974 den Führerausweis auf eine Dauer von
fünf Monaten entzogen. Am 21. April 1975 verurteilte das Obergericht
des Kantons Appenzell A.Rh. X. wegen Führens eines Motorfahrzeuges in
angetrunkenem Zustand (Art. 91 Abs. 1 SVG) zu einer Gefängnisstrafe
von drei Wochen und zu einer Busse von Fr. 350.--. Es gewährte ihm
den bedingten Strafvollzug auf eine Probezeit von 5 Jahren und mit
Löschungsvorbehalt für die Busse auf die gleiche Zeit. Dem Verurteilten
wurde die Weisung erteilt, während eines Jahres seit Rechtskraft des
Urteils kein Motorfahrzeug zu führen und den Führerausweis für diese Zeit
beim Kantonspolizeiamt zu hinterlegen.

    C.- X. führt eidg. Nichtigkeitsbeschwerde. Er beantragt, das Urteil
des Obergerichts sei aufzuheben, soweit es ihm die Weisung erteile,
während eines Jahres kein Motorfahrzeug zu führen, eventuell sei diese
Weisung durch eine andere zu ersetzen, subeventuell sei die Sache zu
neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

    D.- Die Justizdirektion des Kantons Appenzell A.Rh. beantragt Abweisung
der Beschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Angefochten ist lediglich die Weisung, während eines Jahres seit
Rechtskraft des Urteils kein Motorfahrzeug zu führen und den Führerausweis
für diese Zeit beim Kantonspolizeiamt Trogen zu hinterlegen.

    Der Richter kann dem Verurteilten, dem er den bedingten Strafvollzug
gewährt, für sein Verhalten während der Probezeit bestimmte Weisungen
erteilen, insbesondere solche, welche Berufsausübung, Aufenthalt, ärztliche
Betreuung, Verzicht auf alkoholische Getränke und Schadensdeckung innerhalb
einer bestimmten Frist betreffen (Art. 41 Ziff. 2 Abs. 1 StGB).

    Wahl und Inhalt der Weisung haben sich nach dem Zweck des bedingten
Strafvollzugs zu richten, durch den der Verurteilte gebessert und dauernd
vor Rückfall bewahrt werden soll. Sie muss in einem sinnvollen Zusammenhang
zur verübten Straftat stehen. Das gilt auch für die Weisung, während der
Probezeit oder eines Teils derselben kein Motorfahrzeug zu führen, wenn
jener sich als Führer eines Motorfahrzeuges strafbar gemacht hat. Dass
der Täter die Weisung als Übel empfindet, macht sie nicht unzulässig,
wenn sie dem Sachrichter als das richtige Mittel erscheint, den Täter
zur Besinnung zu bringen und ihn zu bessern. Unzulässig würde eine
solche Weisung erst, wenn von ihr keine dauernde Besserung zu erwarten
wäre oder eine andere, geeignetere Weisung sich anbietet. Doch auch
die Wahl zwischen verschiedenen Weisungen ist Ermessenssache, in welche
der Kassationshof nur eingreift, wenn die Wahl Willkürlich ist oder auf
rechtlich unzulässigen Gründen beruht.

Erwägung 2

    2.- Im vorliegenden Falle erwartet die Vorinstanz vom einjährigen
gerichtlichen Fahrverbot, welches zum 5monatigen verwaltungsrechtlichen
Führerausweisentzug hinzutritt, dass der Beschwerdeführer dadurch
dauernd davon abgehalten werde, mit dem Auto auswärtige Wirtschaften
aufzusuchen und dort dem Alkohol zu frönen. Während des Fahrverbotes
werde die Benützung des Motorfahrzeuges an sich unterbunden, was es
dem Beschwerdeführer erleichtere, seine rechtsbrecherische Neigung zu
überwinden. Zudem bringe die Erinnerung an diese Einschränkung den Täter
auch nachher zur Besinnung und wirke erzieherisch. Diese Überlegungen
sind an sich mit dem Zweck der Weisung vereinbar und nicht willkürlich.

    a) Der Beschwerdeführer wendet zunächst ein, die ausgesprochene
Weisung möge ein geeignetes Mittel für gefährliche, rücksichtslose
Fahrer sein. Diese negativen Eigenschaften träfen auf ihn selbst aber
nicht zu. Richtig ist, dass gerade gegen die genannten Fahrzeugführer
das Fahrverbot ein geeignetes Erziehungsmittel sein kann. Wenn die
Vorinstanz den Beschwerdeführer auch nicht als einen unbelehrbaren
und rücksichtslosen Fahrer bezeichnete und dies durch die zeitliche
Beschränkung des Fahrverbotes auf ein Jahr zum Ausdruck brachte, so stellt
es an sich keinen Ermessensmissbrauch dar, das Fahrverbot auch für ihn als
geeignetes Erziehungsmittel anzusehen. Diese Weisung hindert den Täter,
beispielsweise abends mit dem Auto Wirtschaften aufzusuchen und in der
Folge angetrunken heimzufahren. Diese Einschränkung kann zugleich eine
heilsame Mahnung für die Zukunft sein.

    b) Der Beschwerdeführer glaubt sodann, das Fahrverbot habe nur pönalen
Charakter. Es sei ohne erzieherischen Wert.

    Nicht massgeblich ist, dass der Beschwerdeführer der angefochtenen
Weisung Strafcharakter beimisst. Entscheidend ist vielmehr, ob
die Vorinstanz der Weisung ohne Ermessensüberschreitung bessernde
Wirkung zuschreiben durfte. Der Beschwerdeführer mag das Fahrverbot
als Einschränkung seiner Freiheit ansehen. Das trifft für die meisten
Weisungen zu. Eine solche Einschränkung kann aber dennoch bessernd auf
den Täter wirken. Das erwartet die Vorinstanz von ihr auch. Sie verfolgte
mit der Weisung nicht primär generalpräventive oder repressive Ziele. Eine
Ermessensüberschreitung liegt insoweit nicht vor.

Erwägung 3

    3.- Es stellt sich somit noch die Frage, ob eine andere Weisung
dem zeitlich beschränkten Fahrverbot offensichtlich vorzuziehen wäre.
Als solche käme ein Alkoholverbot in Frage. Der Beschwerdeführer selber
schlägt ein solches im Eventualantrag vor. Die Vorinstanz hat es ebenfalls
in Erwägung gezogen. Sie hat aber davon abgesehen, weil eine wirksame
Kontrolle der Einhaltung erfahrungsgemäss nicht bestehe.

    Diese Begründung genügt indes nicht, das Fahrverbot dem Alkoholverbot
vorzuziehen. Die Wahl zwischen den beiden Weisungen muss nach den
Umständen des Einzelfalles getroffen werden. Das angefochtene Urteil
sagt nicht, weshalb im vorliegenden Falle das Fahr- dem Alkoholverbot
vorzuziehen wäre. Anhaltspunkte, welche zum vornherein befürchten
liessen, der Beschwerdeführer könne oder wolle das von ihm selber
im Eventualantrag vorgeschlagene Alkoholverbot nicht einhalten,
werden nicht namhaft gemacht. Sein Vorstrafenverzeichnis ist blank.
In nüchternem Zustande ist er einsichtig und vernünftig. Die Weisung,
sich alkoholischer Getränke zu enthalten, bekämpft die Neigung zu
übermässigem Alkoholgenuss an der Wurzel und verspricht demnach an sich
eine tiefgreifendere Wirkung als ein Fahrverbot, welches den Täter nicht
hindert, weiterhin im Übermass dem Alkohol zuzusprechen und nach Ablauf
des Fahrverbotes erneut in angetrunkenem Zustande ein Auto zu führen. Das
Alkoholverbot würde überdies die beim Beschwerdeführer nach Alkoholgenuss
oft beobachtete Beeinträchtigung der Arbeitsleistung ausschliessen. Auch
kann ein einjähriger Unterbruch im Lenken eines Motorfahrzeuges die
Fahrtüchtigkeit für die nachfolgende Zeit u.U. vermindern.

    Die Sache muss demnach zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz
zurückgewiesen werden. Diese wird auf Grund der persönlichen Verhältnisse
und der Umstände abwägen müssen, welche der beiden Weisungen den Vorzug
verdient.

Erwägung 4

    4.- Der Beschwerdeführer wirft die Frage auf, ob die Vorinstanz
im Falle der Neubeurteilung der Sache auf die Gewährung des bedingten
Strafvollzuges zurückkommen könne, oder dies Art. 277bis Abs. 1 BStP und
dem Verbot der reformatio in peius widersprechen würde.

    Die Frage braucht nicht entschieden zu werden, da die oben gegebene
Begründung, mit der die Beschwerde gutgeheissen wird, an der Gewährung
des bedingten Strafvollzuges an sich nicht rüttelt.

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise gutgeheissen, das
angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur neuen Beurteilung im
Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.