Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 102 IV 79



102 IV 79

20. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 18. Juni 1976 i.S. G. und
M. gegen Statthalteramt des Bezirkes Winterthur. Regeste

    Art. 71, 24 ff. StGB; Beginn der Verfolgungsverjährung, wenn mehrere
Personen als Mittäter oder Teilnehmer ihren Tatbeitrag nicht gleichzeitig
erbringen.

Sachverhalt

    A.- M. ist als verantwortlicher Inhaber der Firma D. AG Importeur,
Verkäufer und Bewilligungsinhaber der Piccadilly-Spielapparate. Er
veranlasste G., den Inhaber der Firma A. AG, an den Münzrohren der beiden
Apparate Nr. 193 und 239 Mikroschalter montieren zu lassen, um dadurch
die Länge des Geldstockes zu verkürzen und grössere Gewinnauszahlungen zu
verhindern. Wegen dieses Mikroschalters kann ein Spieler nur Fr. 18.--
gewinnen; nachher erhält er bloss noch den Einsatz ausbezahlt. G. als
Eigentümer dieser Apparate beauftragte S. und L., Geschäftsführer bzw.
Servicemechaniker der Firma S.-Automaten AG, diese Abänderungen
vorzunehmen. Die so abgeänderten Apparate sind dem Eidg. Justiz- und
Polizeidepartement nicht zur Prüfung vorgeführt worden.

    M. will am 14. August 1973 einen einzigen Mikroschalter geliefert,
und S. die abgeänderten Apparate ab 18. August 1973 in den Restaurants
"R." und "W." in Winterthur aufgestellt haben. Bis zum 8. Oktober 1973,
Tag der Polizeikontrolle, waren die Apparate in Betrieb.

    B.- Das Statthalteramt des Bezirkes Winterthur büsste mit
Strafverfügung vom 21. Februar 1975 M. und S. mit je Fr. 800.--, G. und
L. mit je Fr. 400.-- wegen Übertretung des BG über die Spielbanken.

    Der Einzelrichter des Bezirksgerichts Winterthur sprach am 18. Juni
1975 L. frei und verurteilte die übrigen zu einer Busse von je Fr. 600.--.

    Eine Berufung von M. und G. hat das Obergericht des Kantons Zürich
am 24. September 1975 abgewiesen.

    C.- Mit Nichtigkeitsbeschwerde beantragen G. und M., das Urteil des
Obergerichts sei aufzuheben und die Sache zur Freisprechung, eventuell
zu neuer Entscheidung, an die Vorinstanz zurückzuweisen. Sie berufen sich
u.a. auf Verjährung.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 6

    III.6.- M. macht geltend, die letzte Handlung, die ihm vorgeworfen
werden könne, sei die am 14. August 1973 erfolgte Lieferung eines
Mikroschalters an die Firma S.-Automaten AG gewesen. Nachher habe er
keine strafrechtlich relevanten Handlungen mehr vorgenommen. Das Urteil
der Vorinstanz sei aber erst am 24. September 1975 ergangen, also nach
Ablauf der zweijährigen absoluten Verjährungsfrist für Übertretungen.

    a) Richtig ist, dass die letzte strafrechtlich erhebliche Handlung,
die M. persönlich vorgenommen hat, die Lieferung eines Mikroschalters
am 14. August 1973 war. Das Obergericht hat die Verjährung aber verneint,
weil M. Mittäter der Mitangeklagten gewesen sei.

    Gemäss Art. 71 StGB beginnt die Verjährung mit dem Tag, an dem der
Täter die strafbare Tätigkeit ausführt. Führt er die strafbare Tätigkeit
zu verschiedenen Zeiten aus, beginnt sie mit dem Tage, an dem er die
letzte Tätigkeit ausführt. Dauert das strafbare Verhalten, beginnt die
Verjährung mit dem Tag, an dem dieses Verhalten aufhört.

    Damit ist u.a. gesetzlich festgelegt, dass die Verjährung
mit der Handlung, nicht mit dem Erfolg zu laufen beginnt, was vor
allem für fahrlässige Erfolgsdelikte und für Delikte mit objektiver
Strafbarkeitsbedingung erheblich sein kann (s. BGE 101 IV 22 E. 3).

    Offen bleibt die weitere Frage, wie es sich verhält, wenn mehrere
Personen als Mittäter oder Teilnehmer ihren Tatbeitrag nicht gleichzeitig
erbringen. Beginnt dann die Verjährung für jeden Beteiligten gesondert
zu laufen oder läuft sie vom letzten Tatbeitrag an, den irgendein
Mittäter oder Teilnehmer setzt? Massgeblich ist der Zeitpunkt, an
dem einer der Beteiligten das ausgeführt (oder unterlassen) hat, was
nach der sinngemäss ausgelegten gesetzlichen Umschreibung das strafbare
Verhalten ausmacht. Haben mehrere die Tat gemeinsam zu verschiedenen Zeiten
ausgeführt, ist massgeblich der Zeitpunkt, an dem einer der Beteiligten
den letzten Teilakt gesetzt hat, der unter das gesetzlich umschriebene
strafbare Verhalten fällt (SCHWANDER, Nr. 411 Ziff. 1-4 S. 219, SCHULTZ,
Allg. Teil I 2 S. 205 f.; ebenso BGE 69 IV 63 f. für die mittelbare
Tätigkeit und die Teilnahme). Dies rechtfertigt sich aus grundsätzlichen
Erwägungen. Mittäter und Teilnehmer schliessen sich zur vorsätzlichen
Tatbegehung zusammen. Deshalb steht der Tatbeitrag des einzelnen, der im
Rahmen des gemeinsamen Planes liegt, nicht isoliert da. Er ist bewusst und
gewollt Teil des Ganzen, des gemeinsamen deliktischen Unternehmens. Deshalb
wird der Beitrag jedes einzelnen auch jedem anderen zugerechnet (BGE
100 IV 4). Eine gegenteilige Lösung könnte dazu führen, dass Anstifter
oder Täter, die schuldmässig die Hauptverantwortung tragen, sich aber
im Hintergrund gehalten haben, infolge Verjährung frei ausgehen, was dem
subjektiv orientierten Teilnahmebegriff des Strafgesetzbuches widersprechen
würde. Diese Lösung umgeht auch Schwierigkeiten, die entstehen könnten,
wenn der genaue Zeitpunkt einer Handlung oder Unterlassung festgestellt
werden müsste, durch welche der Entschluss oder die Planung der Tat
beeinflusst wurde.

    b) M. hat zum Einbau des Mikroschalters geraten und ihn auch
geliefert. Damit war er an der Errichtung der Spielbank und der Beschaffung
der Geräte massgeblich beteiligt. Das reicht aber nicht aus. Denn es steht
nicht fest, wann der Mikroschalter fertig eingebaut und die so abgeänderten
Spielautomaten abgeliefert bzw. in den Restaurants aufgestellt wurden,
die Spielbank damit errichtet war. Die tatsächlichen Feststellungen der
Vorinstanz schliessen nicht aus, dass dies am 24. September 1975 oder
früher geschah.

    Das Obergericht hat indessen sinngemäss angenommen, M. sei auch
Mittäter G.s, insoweit dieser die Spielbank betrieben habe. Nur so konnte
es annehmen, auch für M. habe die Verjährung erst am 8. Oktober zu laufen
begonnen, als die Polizei eingegriffen habe.

    Das Spielbankengesetz will vor Ausbeutung der Spielsucht schützen. Der
Betrieb der Spielbank steht daher der Gefährdung und Verletzung des
geschützten Gutes am nächsten, näher als die andern in Art. 6 SBG unter
Strafe gestellten Handlungen. Diese Handlungen sind aber Vorstufen des
verbotenen Betriebes. Sie werden besonders unter Strafe gestellt, um
jene fassen zu können, welche die nicht leicht herstellbaren Spielgeräte
fabrizieren oder liefern, ohne selber die Spielbank zu betreiben. Damit
leisten sie regelmässig bewusst einen wichtigen Tatbeitrag zum Betrieb
der Spielbank. Trifft dies zu und verdichtet sich ihr Tatbeitrag
im Einzelfall zur Anstiftung zum Betrieb oder zur Mittäterschaft am
Betrieb der Spielbank, so bleiben sie unter diesem Gesichtspunkt auch dann
strafbar, wenn sie hinsichtlich der andern Begehungsarten wegen Verjährung
nicht mehr bestraft werden können. Es ist deshalb zu prüfen, ob M. unter
den gegebenen Umständen von der Vorinstanz ohne Verletzung von Bundesrecht
als Mittäter G.s am Betrieb der Spielbank angesehen werden kann.

    Der Anstoss, vor der Inbetriebnahme der beiden
Piccadilly-Spielautomaten Mikroschalter einzubauen, ging von
M. aus. Das war für G. umso massgeblicher, als M. der sachverständige
Bewilligungsinhaber für diese Spielapparate war, der gemäss Kaufvertrag
über die Bauweise der Apparate bestimmen konnte. Darüber hinaus hat
M. die Mikroschalter auch geliefert und damit die bewilligungspflichtige
Abänderung erheblich gefördert. Dadurch hat M. den Entschluss G.s, die -
mangels vorhergehender Bewilligung verbotenen - Piccadilly-Spielautomaten
als Spielbanken zu betreiben, entscheidend beeinflusst und darüber hinaus
die Verwirklichung dieses Entschlusses wesentlich gefördert. Damit war
er aber Mittäter G.s am strafbaren Betrieb der Spielbanken. Deren Betrieb
endete erst am 8. Oktober 1973. Die Verjährung ist daher auch für M. nicht
eingetreten.