Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 102 IV 176



102 IV 176

41. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 14. August 1976
i.S. Meier gegen Hubatka. Regeste

    Ehrverletzung durch die Presse

    Art. 173 Ziff. 2 StGB

    1. Wahrheitsbeweis

    Für die Verdächtigung (oder die Weiterverbreitung) gibt es keinen
besondern Wahrheitsbeweis. Dieser besteht im Nachweis der ehrenrührigen
Tatsachen, nicht im Nachweis der Verdachtsmomente (Erw. 1).

    2. Gutgläubigkeitsbeweis

    a) Der Angeklagte genügt seiner Beweispflicht nicht, wenn er nachweist,
dass er die Tatsachen, auf die er seinen Verdacht gestützt hat, für wahr
halten durfte. Er muss darüber hinaus dartun, dass er gestützt auf diese
Tatsachen den Antragsteller in guten Treuen der ehrenrührigen Tatsache
verdächtig halten durfte. Davon ist nicht immer schon dann abzusehen, wenn
der Täter in seiner Äusserung seine Verdachtsgründe bekannt gibt (Erw. 2b).

    b) Der für die Äusserung erforderliche Grad der Überzeugung bzw. des
Verdachtes ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles zu
bestimmen (Erw. 2c).

Sachverhalt

    A.- a) In der Nacht vom 26./27. März 1963 wurden im Amtshaus I der
Stadt Zürich 71 Zahltagstäschchen mit über Fr. 88'000.-- gestohlen. Die
Täterschaft konnte nicht ermittelt werden. Am 1. Juli 1966 stellte die
Staatsanwaltschaft die Untersuchung einstweilen ein.

    b) Kurt Meier, der 1948 in das Korps der Stadtpolizei Zürich
eingetreten, 1967 aber im Laufe einer Untersuchung gegen ihn wegen
Verletzung des Amtsgeheimnisses im Dienst suspendiert und später
entlassen worden war, richtete am 4. Januar 1968 eine Eingabe an die
Staatsanwaltschaft, in der er geltend machte, Dr. Walter Hubatka, der
als Chef der städtischen Kriminalpolizei die polizeilichen Ermittlungen
wegen des Diebstahls geleitet hatte, sei selbst durch gewichtige Indizien
der Tat verdächtig. Die Eingabe wurde an die Bezirksanwaltschaft Zürich
geleitet, die beantragte, das Verfahren gegen Hubatka mangels Beweises
endgültig einzustellen. Diesem Antrag folgte die Staatsanwaltschaft am
14. März 1968. Ein Wiederaufnahmebegehren Meiers wurde am 19. Oktober 1970
abgewiesen, nachdem schon am 20. August 1970 eine damit zusammenhängende
Strafanzeige gegen Hubatka wegen Urkundenunterdrückung eingestellt
worden war.

    c) Auch in einer vervielfältigten Schrift vom 15. September 1969 mit
dem Titel "Ist Dr. Hubatka der Zahltagsdieb?" und in einem Begleitschreiben
an alle Kantons- und Gemeinderäte in Zürich beschuldigte Meier (zusammen
mit andern) Hubatka des Zahltagsdiebstahls. Eine Ehrverletzungsklage
Hubatkas wurde wegen Verfolgungsverjährung eingestellt.

    B.- Im August 1972 wurde ein von Meier verfasstes Flugblatt "Wir
fragen schon lange: warum wird Dr. Hubatka gedeckt?" in einer Auflage
von 30'000 Exemplaren erstellt und in Zürich teilweise verteilt. Darin
wird Hubatka verdächtigt, der Zahltagsdieb zu sein.

    Auf Klage Hubatkas verurteilte das Geschworenengericht des Kantons
Zürich Meier am 21. Juni 1974 wegen übler Nachrede zu sechs Monaten
Gefängnis und zu Fr. 4'000.-- Genugtuung. Es hatte Meier zu den
Entlastungsbeweisen nicht zugelassen, soweit er diese auf Tatsachen
und Beweise gründete, die schon Gegenstand der staatsanwaltschaftlichen
Verfügungen vom 14. März 1968 und 19. Oktober 1970 bildeten.

    Am 4. Juli 1975 wies der Kassationshof des Bundesgerichts das
Geschworenengericht an, diese Beweise nachzuholen und in der Sache neu
zu entscheiden. Dies geschah am 15. Oktober 1975. Meier wurde erneut
der üblen Nachrede schuldig befunden und die Genugtuungssumme wiederum
auf Fr. 4'000.-- festgesetzt. Die Strafe wurde aber auf drei Monate
herabgesetzt und es wurde Meier der bedingte Strafvollzug gewährt.

    C.- Gegen das Urteil des Geschworenengerichts vom 15. Oktober 1975
hat Meier kantonale Nichtigkeitsbeschwerde eingereicht. Sie wurde am
27. März 1976 durch das Kassationsgericht abgewiesen, soweit es darauf
eingetreten ist.

    D.- Mit eidgenössischer Nichtigkeitsbeschwerde beantragt Meier
sinngemäss, das Urteil des Geschworenengerichts sei im Schuldpunkt
aufzuheben, die Sache teils zum Freispruch, im übrigen zur neuen
Beurteilung, eventuell zur milderen Bestrafung und zur neuen Beurteilung
der Genugtuung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Ebenso sei der Beschluss
des Obergerichts auf Vollzug der von ihm am 28. April 1972 ausgesprochenen
Gefängnisstrafe von 7 Tagen aufzuheben und zur neuen Beurteilung an die
Vorinstanz zurückzuweisen.

    Hubatka und das Geschworenengericht beantragen Abweisung der
Beschwerde.

    E.- Meier hat gegen das Urteil des Geschworenengerichts sowie gegen den
Beschluss des Kassationsgerichts auch staatsrechtliche Beschwerde erhoben,
die am heutigen Tag abgewiesen worden ist, soweit darauf einzutreten war.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Das Geschworenengericht hat den Beschwerdeführer zum
Wahrheitsbeweis nicht zugelassen. Es geht sinngemäss davon aus,
dass alle eingeklagten Stellen sowohl einzeln wie im Zusammenhang
nur dahin verstanden werden könnten, Dr. Hubatka habe den fraglichen
Zahltagsdiebstahl begangen. Er behaupte aber heute nicht mehr, Hubatka
sei der Zahltagsdieb. Er bestreite auch, dass das Flugblatt diesen Sinn
habe. Er könne daher hinsichtlich dieser Frage nicht zum Wahrheitsbeweis
zugelassen werden. Dieser Beweis müsste angesichts der Verfügungen
der Staatsanwaltschaft vom 14. März 1968 und vom 19. Oktober 1970 als
gescheitert betrachtet werden.

    Demgegenüber macht der Beschwerdeführer sinngemäss geltend, er habe
den Wahrheitsbeweis hinsichtlich des "Verdächtigungstatbestandes" (nicht
hinsichtlich des Bezichtigungstatbestandes) angetreten. Damit meint er die
Gründe, die er im Flugblatt zur Stütze seines Verdachts, Hubatka könnte
der Zahltagsdieb sein, angeführt hat und die in der Beschwerde und auf
S. 16 des Urteils zusammengestellt sind und von denen in der Beschwerde
die wichtigsten namentlich hervorgehoben werden, so: die Ausfüllung des
Alibibogens durch Hubatka in Widerspruch zu Aussagen anderer; Beobachtungen
von Wendel, dass Hubatka in der von ihm nicht ausgewiesenen Alibizeit
zwei- bis dreimal zu den Tatbüros schritt; dass entgegen der Erklärung der
Staatsanwaltschaft die Alibibogen der Polizeioffiziere nicht überprüft
worden seien; die Erklärung von Staats- und Bezirksanwalt, Hubatka
habe über seinen Verbleib am Tatort zur erwähnten Zeit Angaben gemacht,
und er sei nicht verdächtiger als alle andern Korpsangehörigen. Weil im
angefochtenen Urteil jeder Hinweis darüber fehle, ob dem Beschwerdeführer
der Wahrheitsbeweis bezüglich dieses Verdächtigungstatbestandes gelungen
sei, sei Bundesrecht verletzt. Zur Nachholung dieser Feststellungen sei
die Sache zu neuer Beurteilung an das Geschworenengericht zurückzuweisen
(Art. 277 BStP).
   a) ...

    b) Der Wahrheitsbeweis ist erbracht, wenn alle wesentliche Punkte der
Äusserung bewiesen sind. Es genügt nicht, dass die Äusserung einen Kern
Wahrheit enthalte. Doch werden verhältnismässig unbedeutende Übertreibungen
nicht geahndet (BGE 71 IV 188 E 2; GERMANN, Das Verbrechen, Art. 173 N 5 S.
306; LOGOZ, Art. 173 N 7d aa S. 248 oben; SCHWANDER, Nr. 613/2 S. 391 oben;
STRATENWERTH, Bes. Teil I S. 120 unten).

    Der wesentliche Inhalt der eingeklagten Äusserung ist der
Zahltagsdiebstahl durch Hubatka. Nur wenn nachgewiesen wird, dass er
tatsächlich der Zahltagsdieb ist, ist der Wahrheitsbeweis erbracht.

    Demgegenüber ist die Verteidigung der Ansicht, für die Verdächtigung
gebe es einen besonderen Wahrheitsbeweis. Er bestehe darin, dass der Täter
nachweise, dass seine Verdachtsgründe wahr seien. Diese Auffassung ist
abzulehnen. Sie widerspricht schon dem natürlichen Sprachgebrauch. Ein
Verdacht und eine Verdächtigung sind nur wahr, wenn der erhobene Vorwurf
der Wirklichkeit entspricht, nicht schon dann, wenn der, welcher den
Vorwurf erhebt, oder der, der ihn hört und verbreitet, Grund hat, ihn
für wahr zu halten. Letzteres gehört der Gutgläubigkeit an.

    Dass die Ansicht der Verteidigung irrig ist, kann auch aus dem
Gesetzestext abgeleitet werden. Würde die "Äusserung" im Sinne von
Art. 173 Ziff. 2 StGB nicht nur das ehrenrührige "Verhalten" und die
ehrenrührige "Tatsache", also den Gegenstand der Äusserung, sondern auch
die mehr oder weniger grosse Bestimmtheit des Vorwurfes (Beschuldigung,
Verdächtigung, Weiterverbreitung) in sich schliessen, hätte es genügt
in Ziff. 2 zu sagen: "Beweist der Beschuldigte, dass die Äusserung der
Wahrheit entspricht oder dass er ernsthafte Gründe hatte, sie in guten
Treuen für wahr zu halten, so ist er nicht strafbar." Die verschiedenen
Begehungsformen hätten nicht wiederholt werden müssen, wenn sie in der
"Äusserung" schon mitenthalten wären.

    Der Wesentliche Inhalt der Äusserung betrifft die in ihr enthaltene
Tatsache, welche geeignet ist, den Ruf zu schädigen, nicht die grössere
oder geringere Bestimmtheit, mit welcher der Vorwurf erhoben wird. Grund,
neben der bestimmten Behauptung (Beschuldigung) auch die Verdächtigung
und das Weiterverbreiten unter Strafe zu stellen, war eben, dass auch
die Verdächtigung und das Weiterverbreiten geeignet sind, die Ehre zu
verletzen, selbst wenn der Täter beifügt, die Verdachtsgründe seien
nicht zwingend, oder wenn der, welcher die Behauptung oder Verdächtigung
lediglich als Ansicht anderer weitergibt, beifügt, er glaube selber nicht
daran. "Es bleibt immer etwas hängen." Oft sind diese abgeschwächten Formen
nur raffiniertes Mittel der Ehrverletzung. Selbst der Verleumder kann sich
ihrer bedienen (Art. 174 StGB). Deswegen, nicht um sie im Wahrheitsbeweis
zu begünstigen, hat sie der Gesetzgeber, übrigens schon im Tatbestand
selber (Art. 173 Ziff. 1; vgl. auch Art. 174 Ziff. 1 StGB), aufgeführt
(s. LOGOZ, Art. 173 N 4 S. 245, THORMANN/VON OVERBECK, Art. 173 N 6 und
7 S. 160).

    Wenn die Autoren sich nicht näher damit auseinandersetzen, so offenbar
deshalb, weil die Bestimmtheit der Äusserung für den Wahrheitsbeweis
keine Rolle spielt. Dass dies aber vorausgesetzt wird, ergibt sich
aus beiläufigen Äusserungen, so bei GERMANN, wenn er schreibt, der
Wahrheitsbeweis sei als erbracht anzusehen, "wenn die ehrenrührigen
Tatsachen im wesentlichen nachgewiesen sind" (Das Verbrechen, Art. 173
Ziff. 5/1 S. 306), LOGOZ (Art. 173 N 7d aa S. 248 oben: "D'autre part,
c'est seulement l'essentiel que l'inculpé doit prouver en ce qui concerne
les faits qu'il a allégués"; vgl. auch STRATENWERTH, Bes. Teil I S. 120
unten, HAFTER, Bes. Teil I S. 203 Ziff. 2).

    c) Damit ist nicht gesagt, dass derjenige, der jemanden einer
ehrenrührigen Tatsache nur verdächtigt oder der eine solche Tatsache
nur weiterverbreitet, nicht zum Wahrheitsbeweis zugelassen werde. Ihn
davon auszuschliessen, besteht kein Anlass. Es ist möglich, dass schon
die Umstände, die ihn veranlassten, nur einen Verdacht zu äussern,
hinreichen, die Wahrheit der Verdächtigung darzutun. Es kann auch sein,
dass der Verdacht sich durch weitere Umstände, welche dem Täter erst
nach seiner Äusserung bekannt werden oder die sich im Prozess ergeben,
zur Gewissheit verstärkt. Auf diese erst nachträglich bekannt gewordenen
Tatsachen kann der Täter sich im Rahmen des Wahrheitsbeweises ebenfalls
berufen. Nur für den Gutgläubigkeitsbeweis scheiden sie aus; weil der
Angeklagte sie zur Zeit der Äusserung nicht kannte, konnten sie in ihm
auch nicht den guten Glauben wecken.

    d) Der Beschwerdeführer behauptet, er habe den Wahrheitsbeweis für den
"Verdächtigungstatbestand" angetreten. Darunter versteht er aber nicht
den Wahrheitsbeweis für die ehrenrührige Tatsache, deren er Hubatka
im Flugblatt verdächtigt hat und die um die Frage geht, ob Hubatka den
Zahltagsdiebstahl begangen habe. Unter dem Wahrheitsbeweis versteht er
vielmehr den Beweis dafür, dass die Verdachtsmomente, die er im Flugblatt
genannt hat, wahr seien, so die unrichtige Ausfüllung des Alibibogens
durch Hubatka, dessen Hinschreiten zu den Tatbüros zur nicht ausgewiesenen
Alibizeit, die Nichtüberprüfung der Alibis der Polizeioffiziere usw.,
ohne damit behaupten zu wollen, es sei auch bewiesen, dass Hubatka der
Zahltagsdieb sei. Diesen letztern Beweis hat er vom Geschworenengericht
gerade nicht verlangt. Der Beweis, den der Beschwerdeführer erbringen will,
ist, wie dargelegt, nicht der Wahrheitsbeweis, wie ihn Art. 173 Ziff. 2
StGB versteht. Er ist es auch dann nicht, wenn der Täter nur einen Verdacht
ausgesprochen hat. Zu Unrecht beruft sich der Beschwerdeführer auf BGE 85
IV 182 ff. und STRATENWERTH, Bes. Teil I S. 121 f. Diese Stellen beziehen
sich auf den Gutgläubigkeits-, nicht auf den Wahrheitsbeweis.

Erwägung 2

    2.- Der Beschwerdeführer will sinngemäss den Gutgläubigkeitsbeweis
antreten, wenn er jene Umstände unter Beweis stellt, aus denen
er den Verdacht geschöpft hat, Hubatka sei der Zahltagsdieb. Zum
Gutgläubigkeitsbeweis ist der Beschwerdeführer zuzulassen. Erbracht hat
er diesen Beweis, wenn er dartun kann, dass er ernsthafte Gründe hatte,
Hubatka in guten Treuen des Zahltagsdiebstahls zu verdächtigen (Art. 173
Ziff. 2 StGB).
   a) ...

    b) Meier wollte vor Geschworenengericht den Gutgläubigkeitsbeweis
für seine Verdächtigung in der Weise führen, dass er die Wahrheit der
einzelnen im Flugblatt aufgeführten Verdachtsmomente nachzuweisen
versuchte. Die Vorinstanz fand hingegen, darauf komme es nicht
an. Sie sah das Beweisthema sinngemäss vielmehr im Nachweis, dass der
Beschwerdeführer ernsthafte Gründe gehabt habe, Hubatka in guten Treuen
des Zahltagsdiebstahls zu verdächtigen. Darin erblickt der Beschwerdeführer
eine Verletzung von Bundesrecht, weil dadurch der Unterschied zwischen dem
Gutgläubigkeitsbeweis für eine Bezichtigung und eine blosse Verdächtigung
aufgehoben werde.

    Gegenstand der Gutgläubigkeit ist der gleiche wie beim Wahrheitsbeweis,
nämlich das ehrenrührige Verhalten oder die ehrenrührige Tatsache,
welche Gegenstand der Äusserung war. Das ist der wesentliche Inhalt
der Äusserung, welcher zu Strafe Anlass geben kann, gleichgültig ob
die Begehungsform in einer Beschuldigung, Verdächtigung oder in einem
Weiterverbreiten besteht. Das folgt auch aus dem Wortlaut des Gesetzes. Er
nimmt durch ein Fürwort (sie, les, -le) für den Gutgläubigkeitsbeweis
das Objekt des Wahrheitsbeweises (Äusserungen, allégations, cose) wieder
auf. Die Vorinstanz hat daher mit Recht angenommen, es genüge nicht,
dass der Beschwerdeführer die einzelnen Tatsachen nachweise (oder dass
er nachweise, dass er diese für wahr halten durfte), welche in ihm den
Verdacht oder den Glauben an die ehrenrührige Tatsache weckten. Er muss
darüber hinaus auch dartun, dass diese Tatsachen für ihn in guten Treuen
ernsthafte Verdachtsgründe sein durften. Sonst entginge der Strafe auch
der, welcher leichtfertig aus irgendwelchen Umständen einen andern eines
unehrenhaften Verhaltens bezichtigt oder verdächtigt. Das widerspricht aber
offensichtlich dem Sinn und dem Wortlaut des Gesetzes, welche verlangen,
dass der Täter seinen guten Glauben auf ernsthafte Gründe gestützt
habe. Voreilige Schlüsse und Verdächtigungen entlasten nicht. Aus BGE
85 IV 185 kann der Beschwerdeführer nichts für seine These ableiten,
wird doch dort gerade vorausgesetzt, "dass ernsthafte Gründe ihn (den
Täter) zum Verdacht berechtigten". Im gleichen Sinn dürfte STRATENWERTH
(Bes. Teil I S. 121/122) zu verstehen sein, denn er zitiert jene Stelle des
bundesgerichtlichen Entscheides wörtlich, mag er auch anfügen, es genüge,
wenn die Verdachtsmomente bewiesen würden; denn er fährt fort, der Verdacht
selber müsse sich nicht als richtig erweisen. Dass die Verdachtsmomente
aber ihrerseits ernsthaft sein müssen, stellt er damit nicht in Abrede.

    Von dieser Regelung des Gesetzes ist nicht immer dann schon abzugehen,
wenn der Täter in der Äusserung selber seine Verdachtsgründe bekannt
gibt. Zwar kann der Dritte dann die Schlüssigkeit der Verdachtsmomente
nachvollziehen, die Begründetheit des Verdachtes überprüfen. Er kann es
aber nur, wenn ihm in gleicher Weise auch die entlastenden Umstände
unterbreitet werden oder diese ihm schon bekannt oder zugänglich
sind. Sonst entsteht ein Verdacht oder ein dringenderer Verdacht, als er
vertretbar ist. Es ist deshalb nicht das gleiche, ob beispielsweise eine
Äusserung an die zuständige Behörde oder, wie hier, öffentlich gemacht
wird. Im letztern Falle gelangt sie auch zur Kenntnis von Personen, die zum
vornherein nicht gewillt oder fähig sind, die Begründetheit des Verdachtes
kritisch nachzuprüfen. Anders wäre es gewesen, wenn der Beschwerdeführer
nur die gegen Hubatka geführte Strafuntersuchung kritisiert hätte, ohne
gleichzeitig Hubatka ungerechtfertigt zu verdächtigen.

    Der Beschwerdeführer hat wohl auf Einstellungsverfügungen der
Staatsanwaltschaft hingewiesen, ohne aber auch alle wesentlichen Gründe
anzugeben, die in diesen Verfügungen gegen einen ernsthaften Verdacht
gegenüber Hubatka angeführt werden. Zugleich hat er die zuständigen
Behörden verdächtigt, die Untersuchung nicht richtig geführt und
Dr. Hubatka gedeckt zu haben. Damit hat er das von ihm angeführte
Entlastungselement, die vorausgegangenen Untersuchungen gegen Hubatka,
in den Augen des Lesers wieder entwertet. Mit der blossen Nennung
seiner Verdachtsmomente im Flugblatt kann daher der Beschwerdeführer im
vorliegenden Falle den Beweis nicht umgehen, dass er zur Zeit der Äusserung
ernsthafte Gründe hatte, den Beschwerdegegner des Zahltagsdiebstahls
verdächtig zu halten. Der Nachweis seiner Verdachtsmomente entlastet ihn
daher nicht, es sei denn, er weise nach, dass er für seine Verdächtigung
ernsthafte Gründe hatte.

    c) Der Gutgläubigkeitsbeweis ist erbracht, wenn der Angeklagte
ernsthafte Gründe hatte, seine Äusserung in guten Treuen für wahr zu halten
(Art. 173 Ziff. 2 StGB). Der Glaube an die Wahrheit einer Tatsache kann
mit kleineren oder grösseren Zweifeln durchsetzt sein und reicht von der
entfernten Vermutung über einen naheliegenden Verdacht bis zur vollen
Überzeugung. Begnügte sich der Täter mit blosser Verdächtigung, so setzt
das Handeln in guten Treuen nicht stets voraus, dass der Täter von der
Richtigkeit der ehrenrührigen Tatsache vollauf überzeugt gewesen sei
(BGE 85 IV 185). Doch genügt nicht jeder Verdacht. Gerade weil schon die
Verdächtigung den Ruf schädigen kann, steht sie neben der Beschuldigung
grundsätzlich unter Strafe (oben Erw. 1b). Schwache Anhaltspunkte sind
nicht "ernsthafte Gründe", welche den Täter berechtigen, die Äusserung
"in guten Treuen" für wahr zu halten, wie das Gesetz verlangt. Doch lässt
sich der erforderliche Grad der Überzeugung bzw. des Verdachtes nicht
ein für allemal festlegen. Wie für die erforderliche Informations- und
Sorgfaltspflicht (BGE 85 IV 186/187) muss auf die Umstände des Einzelfalles
Rücksicht genommen werden. Der Verdacht kann geringer sein, wenn die
wahrgenommenen Interessen allgemein oder für den Täter hochwertig sind und
sie nicht sonstwie in geeigneter Weise gewahrt werden können. Dringender
muss der Verdacht sein, wenn es dem Täter vorwiegend darum ging, einem
andern Übles vorzuwerfen und ihm zu schaden. Berücksichtigt werden muss
auch eine besondere Fähigkeit, die Verdachtsmomente richtig einzuschätzen
(BGE 97 IV 172), verlangt doch das Gesetz, dass der Täter "in guten
Treuen", d.h. nach loyaler Abwägung der Gründe und Gegengründe, seine
Äusserung tat.