Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 102 IV 172



102 IV 172

40. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 17. September 1976 i.S.
Sch. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich. Regeste

    Betrügerischer Konkurs, Ungehorsam im Konkursverfahren (Art.
163 Ziff. 1, Art. 323 StGB).

    1. Blosses Schweigen gilt nur dann als Vermögensverminderung zum
Schein, wenn ein geringerer als der wirkliche Vermögensbestand vorgetäuscht
wird. Wer sich nur weigert, Auskunft über seinen Vermögensstand zu geben,
macht sich lediglich des Ungehorsams nach Art. 323 StGB schuldig (Erw. 2).

    2. Eine Gläubigerbenachteiligung kann schon in einer vorübergehenden
Erschwerung oder Verzögerung der Zwangsvollstreckung bestehen (Erw. 3).

Sachverhalt

    A.- Am 9. Mai 1974 wurde über Sch. der Konkurs eröffnet und drei Monate
später versuchte das Konkursamt, das zur Konkursmasse gehörende Vermögen zu
inventieren. Sch. verweigerte jedoch jede Auskunft über seine finanziellen
Verhältnisse. Insbesondere verschwieg er, dass in dem auf seinen Namen
lautenden freien Depot der Bank vom Linthgebiet Wertschriften im damaligen
Kurswert von Fr. 20'500.-- lagen und dass er bei der gleichen Bank ein
Kontokorrentguthaben von Fr. 886.40 besass. Gegen Ende August holte Sch.
die genannten Wertschriften bei der Bank und versteckte sie in seiner
Wohnung, wo sie bei einer späteren Hausdurchsuchung beschlagnahmt wurden.

    B.- Auf Strafanzeige des Konkursamtes hin sprach das Bezirksgericht
Horgen den Angeklagten des Ungehorsams im Konkursverfahren (Art. 323
Ziff. 4 StGB) und anderer Vergehen schuldig und verurteilte ihn zu zwei
Monaten Gefängnis.

    Das Obergericht des Kantons Zürich änderte am 13. Februar 1976 den
erstinstanzlichen Entscheid insbesondere dahin ab, dass es den Angeklagten
statt des Ungehorsams im Konkursverfahren des betrügerischen Konkurses
nach Art. 163 Ziff. 1 StGB schuldig fand und zu fünf Monaten Gefängnis
verurteilte.

    C.- Mit der Nichtigkeitsbeschwerde verlangt der Verteidiger die
Aufhebung des obergerichtlichen Urteils und die Rückweisung der Sache
zum Freispruch vom Tatbestand des betrügerischen Konkurses.

    Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich beantragt Abweisung der
Beschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Der Beschwerdeführer bestreitet, sein Vermögen zum Schein
vermindert zu haben, denn er habe nie behauptet, kein Vermögen zu besitzen,
sondern gegenteils betont, nicht überschuldet zu sein. Er habe sich
vielmehr darauf beschränkt, den nach seiner Ansicht rechtsmissbräuchlichen
Konkurs zu boykottieren, keine Auskünfte zu geben und insbesondere keine
Aktiven zu nennen oder zur Verfügung zu stellen. Durch sein Verhalten habe
er nur den Tatbestand des Ungehorsams im Konkursverfahren gemäss Art. 323
StGB erfüllt, nicht dagegen den ihm zur Last gelegten betrügerischen
Konkurs nach Art. 163 StGB.

    a) Das entscheidende Merkmal der Vermögensverminderung zum
Schein besteht darin, dass der Schuldner anstelle des wirklichen
Vermögensbestandes einen geringeren vorspiegelt. Art. 163 Ziff. 1
Abs. 3 StGB zählt einige der täuschenden Machenschaften auf, durch die
der wahre Vermögensbestand verschleiert werden kann, darunter auch das
Verheimlichen von Vermögensstücken. Die Verheimlichung kann auf positiven
Angaben beruhen, indem z.B. wahrheitswidrig behauptet wird, weitere
Vermögensgegenstände als die angegebenen seien nicht vorhanden oder ein
bestimmter Vermögensbestandteil stehe im Eigentum Dritter. Verheimlichen
kann der Schuldner auch, wenn er nur einen Teil seines Vermögens angibt,
im übrigen sich aber ausschweigt, um so den falschen Anschein zu erwecken,
über seine gesamten Vermögensverhältnisse Auskunft gegeben zu haben,
während er in Wirklichkeit einen Teil verschleiert. Blosses Schweigen
kann somit Verheimlichen im Sinne des Art. 163 bedeuten, aber nur dann,
wenn es betrügerischen Charakter hat, also dazu dient, einen geringeren
als den wirklichen Vermögensbestand vorzutäuschen. Der in BGE 93 IV
92 Erw. 1 enthaltene Satz, dass zur Verheimlichung schon genüge, wenn
der Vermögenswert durch Unterlassung der vorgeschriebenen Anmeldung dem
Konkursamt verschwiegen werde, kann daher in dieser zu allgemein gehaltenen
Form nicht aufrecht erhalten werden.

    b) Der Übertretungstatbestand des Art. 323 Ziff. 4 StGB
ist demgegenüber blosses Ungehorsamsdelikt. Es schützt nicht
Vermögensinteressen, sondern die Rechtspflege auf dem Gebiete der
Zwangsvollstreckung. Bestraft wird der Gemeinschuldner einzig dafür, dass
er im Konkursverfahren den ihm obliegenden Pflichten nicht nachkommt,
sich ihnen passiv widersetzt. Weder wird eine vorsätzliche Täuschung
verlangt, noch ist der Vorsatz der Gläubigerbenachteiligung erforderlich
(BGE 81 IV 328, 88 IV 26 Erw. 1b; HAEFLIGER, BlSchK 1954 S. 97; SCHWANDER,
SJK Ersatzkarte 1133; HAFTER, Bes. Teil S. 372 Ziff. 3).

    c) Soweit sich der Beschwerdeführer darauf beschränkt hat, dem
Konkursbeamten auf entsprechende Aufforderung hin jede Auskunft über
seinen Vermögensstand mit dem Hinweis darauf zu verweigern, dass er das
Konkursverfahren verunmöglichen oder verzögern wolle, fällt ihm lediglich
Ungehorsam im Sinne des Art. 323 Ziff. 4 StGB zur Last. Das angefochtene
Urteil, das auch die blosse Auskunftsverweigerung des Beschwerdeführers
als Verstoss gegen Art. 163 Ziff. 1 StGB bewertete, ist daher aufzuheben
und in diesem Punkt zur Änderung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

    Was die Wertschriften anbetrifft, hat der Beschwerdeführer
dagegen nicht nur das Gebot des Art. 222 Abs. 1 SchKG, dem Konkursamt
alle Vermögensgegenstände anzugeben und zur Verfügung zu stellen,
verletzt. Indem er die bei der Bank deponierten Titel abholte und bei
sich zu Hause versteckte, hat er sie gemäss Art. 163 Ziff. 1 Abs. 3
StGB verheimlicht, um eine scheinbare Verminderung seines Vermögens
vorzuspiegeln. Die Beschwerde ist in diesem Punkt unbegründet.

Erwägung 3

    3.- Der Beschwerdeführer macht geltend, dass er die scheinbare
Vermögensverminderung nicht zum Nachteil der Gläubiger gewollt habe.

    In erster Linie hält die Beschwerde die auch von der Vorinstanz
übernommene bundesgerichtliche Rechtsprechung, wonach eine Benachteiligung
der Gläubiger bereits in einer Erschwerung oder Verzögerung der
Zwangsvollstreckung, d.h. in einem bloss vorübergehenden Verheimlichen
von Vermögenswerten, bestehen könne, für unhaltbar; ein mit Zuchthaus
bedrohtes Delikt erfordere zumindest den Eventualvorsatz des Schuldners,
dass die Gläubiger ganz oder teilweise zu Verlust kommen. Diese Kritik
verkennt, dass der betrügerische Konkurs nicht ein Verletzungs-,
sondern ein Gefährdungsdelikt ist, was sich daraus ergibt, dass der
Gesetzgeber schon die Konkurseröffnung, nicht erst das Vorliegen eines
Konkursverlustscheins, als Strafbarkeitsbedingung genügen lässt (Art. 163
Ziff. 1 Abs. 4 StGB). Dass schon die Erschwerung der Zwangsvollstreckung
eine erhebliche Gefahr der Benachteiligung der Gläubiger bewirken kann,
wurde in BGE 85 IV 220 eingehend dargelegt. Und dass bei Vermögensdelikten,
die zudem Verletzungsdelikte sind, nach der Rechtsprechung (z.B. BGE 82 IV
90, 84 IV 14, 87 IV 11) schon eine vorübergehende Schädigung zur Erfüllung
des Tatbestandes genügt, ist auch von der herrschenden Lehre gebilligt
worden (vgl. STRATENWERTH, BT I 231, SCHWANDER, S. 350 Nr. 563). Zu
einer Änderung der Praxis gibt auch nicht Anlass, dass beim analogen
Tatbestand des Art. 164 StGB die Ausstellung eines Verlustscheines als
Strafbarkeitsbedingung erforderlich ist. Die unterschiedliche Gestaltung
der Art. 163 und 164 wurde vom Gesetzgeber bewusst in Kauf genommen und
erklärt sich aus der Entstehungsgeschichte der beiden Bestimmungen (BGE
74 IV 96).

    Fehl geht auch der Hinweis darauf, dass Erschwerungen und
Verzögerungen in der Zwangsvollstreckung ebenso auf andere Weise,
z.B. durch die Einlegung von Rechtsmitteln, möglich seien und dass für
die Anwendung des Art. 323 Ziff. 4 StGB kein Raum mehr bleibe, da auch
Ungehorsamshandlungen zur Verzögerung des Verfahrens führten. Was den
ersten Einwand anbetrifft, kann nicht im Ernst angenommen werden, dass die
Beschwerdeführung des Schuldners als eine die Gläubiger benachteiligende
Handlung gewürdigt wird. Beim zweiten Einwand übersieht die Beschwerde,
dass Art. 163 StGB nur anwendbar ist, wenn der Täter mit dem Vorsatz der
Gläubigerbenachteiligung gehandelt hat, ein Merkmal, das in Art. 323 StGB
nicht erfüllt zu sein braucht.

    Nach den verbindlichen tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz
ist die Gläubigerbenachteiligung im Sinne der Rechtsprechung objektiv und
subjektiv erfüllt. Übrigens wird im angefochtenen Urteil darüber hinaus
festgestellt, dass auch ein Verlust der Gläubiger eingetreten und dieser
vom Beschwerdeführer eventualvorsätzlich gebilligt worden sei.