Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 102 IV 153



102 IV 153

37. Urteil des Kassationshofes vom 4. Juni 1976 i.S. Tschanz gegen
Generalprokurator des Kantons Bern. Regeste

    Art. 69 StGB; Anrechnung der Untersuchungshaft.

    1. Weder aus einer verfassungsgemässen Auslegung des Art. 69 StGB
noch aus der Europäischen Menschenrechtskonvention folgt, dass die
Untersuchungshaft stets angerechnet werden müsse (Erw. 1b).

    2. Die Absicht des Täters, sich durch Herbeiführung oder Verlängerung
der Untersuchungshaft dem Strafvollzug zu entziehen, ist nicht der einzige
Grund, die Anrechnung auszuschliessen (Erw. 1c).

    3. Der Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten des Verurteilten
nach der Tat und der Untersuchungshaft genügt nicht, um die Anrechnung
der Haft auszuschliessen. Der Verurteilte muss sein Verhalten nach der
Tat auch verschuldet haben (Praxisänderung) (Erw. 1d).

    4. Der Richter hat die Anrechnung der Haft auf die Strafe im
Urteilsdispositiv ausdrücklich festzuhalten (Erw. 3).

Sachverhalt

    A.- Am 3. September 1974 hatte das Obergericht des Kantons Bern Tschanz
wegen Diebstahls, Sachbeschädigung, Irreführung der Rechtspflege, Betrugs
und Verletzung des Fernmelderegals zu 3 1/2 Jahren Zuchthaus verurteilt,
unter Anrechnung von 10 der insgesamt 21 Monate Untersuchungshaft.

    Am 6. Juni 1975 hiess der Kassationshof des Bundesgerichtes als
Staatsgerichtshof eine gegen dieses Urteil gerichtete staatsrechtliche
Beschwerde gut, weil der Beschwerdeführer auch vor Obergericht einen
Pflichtverteidiger benötigt hätte.

    B.- Bei der unter Beizug eines Verteidigers erfolgten Neubeurteilung
vom 2. Dezember 1975 hat das Obergericht Tschanz derselben Delikte
schuldig befunden, ihn erneut zu 3 1/2 Jahren Zuchthaus verurteilt und
wiederum 10 der 21 Monate Untersuchungshaft angerechnet.

    C.- Mit Nichtigkeitsbeschwerde verlangt der Beschwerdeführer
vollständige Anrechnung der Untersuchungshaft.

    Der Generalprokurator des Kantons Bern beantragt Abweisung der
Beschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- a) Der Richter rechnet dem Verurteilten die Untersuchungshaft auf
die Freiheitsstrafe an, soweit er die Haft nicht durch sein Verhalten
nach der Tat herbeigeführt oder verlängert hat (Art. 69 StGB). Diese
Vorschrift hat das Bundesgericht dahin ausgelegt, dass das Verhalten des
Verurteilten nach der Tat die Anrechnung schon dann ausschliesse, wenn
es für die Anordnung oder die Verlängerung der Untersuchungshaft kausal
war; nicht nötig sei, dass es auch schuldhaft sei (u.a. BGE 73 IV 95,
76 IV 23 E 2, 81 IV 22 E 3, 90 IV 70, 95 IV 129). Die Beschwerde stellt
diese Rechtsprechung in Frage.

    b) Der Beschwerdeführer glaubt, aus einer verfassungsgemässen
Auslegung des Art. 69 StGB ableiten zu können, dass die Untersuchungshaft
stets angerechnet werden müsse. Dem ist nicht so. Bundesgesetze sind
verfassungskonform auszulegen, sofern nicht der klare Wortlaut oder der
Sinn des Gesetzes etwas anderes gebietet (BGE 99 Ia 636, Ib 189; 96 I 187;
95 I 332; 93 I 713). Aus dem klaren Wortlaut des Art. 69 StGB folgt, dass
die Anrechnung unterbleibt, soweit der Täter die Untersuchungshaft durch
sein Verhalten nach der Tat herbeigeführt oder verlängert hat. Daran hätten
sich die Gerichte zu halten, selbst wenn aus der Verfassung abgeleitet
werden könnte, dass die Untersuchungshaft stets anzurechnen wäre (BGE
92 I 433). Davon kann im übrigen keine Rede sein. Die Untersuchungshaft
ist nämlich nicht erst dadurch begründet, dass der in der Haft bestehende
Freiheitsentzug durch den Schuldspruch und eine entsprechend hohe Strafe
nachträglich seine Rechtfertigung findet. Eine solche Vorwegnahme der
Strafe wäre unvereinbar mit der vom Beschwerdeführer weiter angerufenen
Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), nach deren Art. 6 § 2 bis
zum gesetzlichen Nachweis der Schuld die Unschuld des Angeklagten vermutet
wird. Wenn auch die Schwere der dem Beschuldigten vorgeworfenen Tat bei
Entscheidung der Frage, ob die Haft anzuordnen ist, mitberücksichtigt
werden soll (Verhältnismässigkeit), so darf nicht übersehen werden, dass
die Untersuchungshaft vorab die einwandfreie Feststellung des Sachverhalts
(Kollusionsgefahr), die Sicherung der allenfalls zu verhängenden Strafe
(Fluchtgefahr) und nach vielen Gesetzen auch die Verhinderung weiterer
strafbarer Handlungen (Fortsetzungsgefahr) bezweckt. In diesen Fällen
lässt auch Art. 5 § 1 lit. c EMRK die Festnahme zu.
   c) Der Beschwerdeführer beruft sich weiter auf das Schrifttum
(DUBS, ZStR 76 S. 183 ff., HEIM, JdT 1964 IV 40 ff., 1965 IV 37 und
SCHULTZ, Allg. Teil, Bd. 2, 2. Aufl. S. 73 ff.; ferner ZBJV 102 S. 345 ff.,
106 S. 344; im gleichen Sinn ZIRILLI, Problèmes relatifs à la détention
préventive, Thèse Lausanne 1975, S. 131 ff., insbes. 142, mit weitern
Nachweisen). Nach diesen Autoren wäre die Untersuchungshaft einzig dann
nicht anzurechnen, wenn der Täter sie herbeiführte oder verlängerte, um
sich dem Strafvollzug zu entziehen. Zur Begründung wird dabei mitunter auf
BGE 73 IV 94/95 verwiesen. Danach verbiete das Gesetz die Anrechnung der
Haft, die der Beschuldigte durch sein Verhalten nach der Tat herbeigeführt
oder verlängert hat, "weil es verhindern will, dass er (der Beschuldigte)
absichtlich zur Haft Anlass gebe, um dem als grösseres Übel empfundenen
Strafvollzug zu entgehen".

    Richtig ist, dass in solchen Fällen die Untersuchungshaft nicht
anzurechnen ist. Doch ist diese Betrachtungsweise zu eng. Sie würde
dazu führen, dass die Haft beispielsweise auch dem angerechnet würde,
der in Haft gesetzt werden musste, weil er Tatspuren verwischen wollte
oder Anstalten zur Flucht traf. Auch wenn man mit Dubs "Absicht"
im Sinne von Vorsatz nehmen wollte (ZStR 76 S. 194 oben), müsste
diesen Beschuldigten die Haft angerechnet werden, handeln sie doch im
Vertrauen darauf, dass sie nicht erwischt werden. Eine solche Auslegung
würde aber die Fälle der Nichtanrechnung in einem Masse einschränken,
das mit dem Gesetz nicht mehr vereinbar wäre. Hätte der Gesetzgeber die
Nichtanrechnung der Haft so sehr einschränken wollen, hätte er die Gründe
der Nichtanrechnung enger umschreiben müssen; er hätte beispielsweise die
in Art. 40 StGB verwendete Formel ("arglistig herbeigeführt"; Entwurf
1918, Art. 38 Abs. 2 analog "arglistig verursacht") gebraucht. Dem
Gesetzgeber ist jedoch nicht entgangen, dass die Gründe, die Zwecke
der Untersuchung zu stören, im Verhältnis zu jenen, eine Verlegung aus
dem Strafvollzug in eine Heilanstalt zu veranlassen, weit vielfältiger
sind. Deshalb haben die Entwürfe die Anrechnung der Untersuchungshaft
stets ins Ermessen des Richters gelegt (z.B. VE 1908 Art. 57 Abs. 1;
Entwurf 1918 Art. 66 Abs. 1), während der Aufenthalt in einer Heil- oder
Pflegeanstalt während des Strafvollzugs nach dem VE 1908 (Art. 57 Abs. 2;
gleicher Artikel, in dem die Anrechnung der Untersuchungshaft geregelt
war!) uneingeschränkt voll hätte angerechnet werden müssen, und dann der
Entwurf 1918 die schon genannte Einschränkung bei arglistiger Herbeiführung
brachte. Anders zu entscheiden wäre nur, wenn die Untersuchungshaft
rechtlich Strafe wäre. Die rechtliche Wirkung einer Strafvollstreckung
kommt ihr indessen nur insoweit zu, als sie gemäss Art. 69 StGB auf die
Strafe angerechnet werden kann. Zweck, Voraussetzungen, Dauer und auch
Inhalt von Untersuchungshaft und Strafe sind verschieden. Jede dieser
Massnahmen hat ihre selbständige Existenz. Nicht aus Gründen, die mit der
Sache gegeben sind, sondern weil die Untersuchungshaft auf den Betroffenen
gleich oder zuweilen noch stärker wirkt, rechnet das Gesetz aus Gründen der
Billigkeit die Haft in der Regel auf die Strafe an (BGE 73 IV 91, 76 IV
23, 84 IV 10, 86 IV 9, 90 IV 70). Die Anrechnung muss aber unterbleiben,
wenn der Verurteilte nach der Wertung, die eine sinngemässe Auslegung des
Art. 69 StGB ergibt, sich nicht mehr auf die vom Gesetz vorgezeichneten
Billigkeitsgründe berufen kann.

    d) Voraussetzung für den Ausschluss der Anrechnung der Haft
auf die Strafe ist nach der bisherigen Praxis des Bundesgerichtes,
dass ein Verhalten des Verurteilten nach der Tat die Untersuchungshaft
herbeigeführt oder verlängert hat. Zwischen dem Verhalten des Täters nach
der Tat und der Anordnung bzw. der Verlängerung der Haft muss daher nach
dem klaren Wortlaut des Gesetzes ein kausaler Zusammenhang bestehen. An
diesem Erfordernis, das an sich unbestritten ist, ist festzuhalten. Es
bleibt eine wichtige und begrenzende Voraussetzung für den Ausschluss
der Anrechnung. Fehlt dieser Zusammenhang, muss die Haft auf die Strafe
angerechnet werden.

    Der Wortlaut des Gesetzes legt auch nahe anzunehmen, dieser objektive
Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten des Verurteilten nach der Tat
und der Untersuchungshaft genüge, die Anrechnung auszuschliessen. Daran
kann aber nach näherer Prüfung nicht mehr festgehalten werden. Es muss
mehr verlangt werden. Die Anordnung oder die Verlängerung der Haft
muss sich im Rahmen von Gesetz und pflichtgemässem Ermessen gehalten
haben. Dem Verurteilten muss darüber hinaus sein Verhalten nach der Tat
gemäss rechtsstaatlichen Grundsätzen objektiv vorwerfbar sein. Er muss es
auch verschuldet haben. Unter Verschulden ist ein subjektiv vorwerfbarer
Verstoss gegen Pflichten und Beschränkungen zu verstehen, die sich für den
Beschuldigten aus dem Strafverfahrensrecht ergeben (ebenso z.B. HAFTER,
Allg. Teil S. 356: "eine Art Schuldentscheid zu fällen"; LOGOZ, Art. 69 N
3a S. 298 insofern er zur Interpretation auf kantonale Gesetze verweist,
die "une faute de l'inculpé" verlangten; a fortiori setzen die weiter oben
genannten Autoren ein schuldhaftes Verhalten voraus). Nach Grundsätzen
der Billigkeit, die dem Institut der Anrechnung zugrunde liegen, ist zu
entscheiden, ob im Einzelfall von der grundsätzlich vorgeschriebenen
Anrechnung abzusehen ist. Aber gerade die Billigkeit fordert, dass
nur ein auch in subjektiver Hinsicht vorwerfbares Verhalten nach der
Tat die Anrechnung ausschliesse. Das klingt auch in BGE 95 IV 130 an,
wenn das Bundesgericht auf das Kriterium des korrekten Verhaltens
zurückgreift. Wenn der Gesetzestext die persönliche Vorwerfbarkeit des
Verhaltens des Verurteilten nach der Tat nicht deutlicher hervorhob,
so dürfte dies einmal deshalb geschehen sein, weil der Gesetzgeber
in erster Linie betonen musste, nicht die strafbare Handlung selber,
die Gegenstand der Strafuntersuchung bildet, sondern nur ein späteres
Verhalten könne die Anrechnung ausschliessen. Hinzu kommt, dass die
Entwürfe die Anrechnung ins richterliche Ermessen legten. Das hätte
dem Richter ohne weiteres erlaubt, die Anrechnung nur auszuschliessen,
wenn dem Verurteilten das Verhalten nach der Tat persönlich zum Vorwurf
gemacht werden konnte. Die Räte haben jedoch die Anrechnung dem Grundsatze
nach obligatorisch vorgeschrieben. Damit wollten sie die Stellung des
Verurteilten verbessern. Es ist daher nicht anzunehmen, sie hätten
die Anrechnung selbst dann ausschliessen wollen, wenn dem Verurteilten
sein Verhalten nicht zum Vorwurf gemacht werden kann. Damit hätten sie
die Stellung des Verurteilten verschlechtert. Dass das nicht der Sinn
der Änderung war, geht auch aus dem Votum von Nationalrat Seiler, dem
deutschsprachigen Berichterstatter hervor (Sten.Bull., Sep. Ausg. S. 212,
Sitzung vom 12. Dezember 1928): "Die bundesrätliche Fassung des Art. 66
(jetzt 69) steht auf dem Boden der fakultativen Anrechnung. Die Kommission
schreibt die Anrechnung für den Fall und insoweit zwingend vor, als der
Täter die Untersuchungshaft nicht verschuldet oder nicht schuldhaft
verlängert hat". Wenn der Referent anfügt, "Eine grosse Bedeutung
kommt dieser Änderung nicht zu. Nach beiden Formulierungen wird eben
der Richter auf die besonderen Umstände abstellen", so beweist dies im
Zusammenhang mit dem vorangehenden Satz nur, dass der Berichterstatter
davon ausgegangen ist, auch bei fakultativer Anrechnung hätte der Richter
die Anrechnung in der Regel nur dann ausgeschlossen, wenn das Verhalten
des Verurteilten vorwerfbar sei. Dabei sollte nach der neuen Fassung
wohl die Anrechnung zwingend sein, wenn die Ausnahme nicht eingreift,
dem Richter aber umgekehrt dann, wenn der Täter die Haft durch sein
Verhalten nach der Tat veranlasst oder verlängert hat, eine Würdigung
der besondern Umstände des Einzelfalles offen stehen.

Erwägung 2

    2.- a) Bis zum Urteil der ersten Instanz vom 17. Dezember 1973 war
der Beschwerdeführer 21 Monate in Haft.

    Er wurde am 4. Februar 1972 wegen Kollusionsgefahr erstmals in Haft
gesetzt. Dieser Haftgrund fiel mit der Hausdurchsuchung vom 21. April
1972 weg.

    Dreimal floh er aus der Haft, am 13. April, am 4. Mai und am 27. Juli
1972. Auf der zweiten und dritten Flucht beging er weitere Verbrechen,
die nicht seinen Lebensunterhalt auf der Flucht bezweckten. Damit setzte
er den Haftgrund der Fluchtgefahr.

    Diese Fluchtgefahr gründete sich auf das konkrete Verhalten des
Beschwerdeführers, auf seinen Willen, sich der Haft zu entziehen. Zwar
ist die Flucht Selbstbegünstigung und als solche kriminell nicht
strafbar. Dessen ungeachtet ist sie ein schwerer Verstoss gegen das
Haftrecht des Staates und das Strafverfahren. Sie ist auch ein anerkannter
Disziplinarfehler im Strafvollzug. Die im Willen des Beschuldigten
begründete und durch Tat bekundete Fluchtgefahr ist daher auch nach
der neuen Rechtsprechung ein Verhalten des Verurteilten nach der Tat,
das der Anrechnung der Haft entgegensteht.

    b) Das Obergericht hat dem Beschwerdeführer von den bis zur
erstinstanzlichen Beurteilung erstandenen 21 Monaten Haft 11 Monate nicht
auf die Strafe angerechnet. Der Beschwerdeführer hat keinen Anlass,
sich über diesen Entscheid zu beklagen. Er hat sich einer grossen
Anzahl von Verbrechen und Vergehen schuldig gemacht. Bedenkt man
die ausserordentlichen Schwierigkeiten, die der Beschwerdeführer den
Behörden stets bereitete, so sind 11 Monate Verfahrens- und Haftdauer
ein Minimum, das die Behörden zur Durchführung des Verfahrens -
von der ersten Verhaftung an bis zur erstinstanzlichen Verhandlung -
benötigten. Es kann keine Rede davon sein, diese Verfahrenszeit enthalte
eine ungebührliche Verlängerung der Verfahrens- und Haftdauer. Nachdem
aber der Beschwerdeführer die Haft als solche selber, zuerst durch
Kollusionsgefahr, dann durch seine teilweise gelungenen Fluchtversuche
persönlich zu verantworten hat, konnte ihm diese für die Durchführung des
Verfahrens unerlässliche und von der Vorinstanz wohlwollend berechnete
Zeit nach Gesetz nicht auf die ausgesprochene Zuchthausstrafe angerechnet
werden.

Erwägung 3

    3.- Laut dem Dispositiv des angefochtenen Urteils wurde der
Beschwerdeführer verurteilt zu 3 1/2 Jahren Zuchthaus, "abzüglich 10
Monate ausgestandener Untersuchungshaft". Aus der Begründung ergibt sich
eindeutig, dass diese 10 Monate ein Teil der bis zum erstinstanzlichen
Urteil erstandenen Untersuchungshaft von 21 Monaten sind. Über die später
erstandene Haft schweigt sich das Urteil gänzlich aus.

    Der Beschwerdeführer ist der Ansicht, das Obergericht gehe offenbar
davon aus, dass die Haftdauer zwischen dem erst- und zweitinstanzlichen
Urteil sowie nach der bundesgerichtlichen Entscheidung vom 6. Juni 1975
bis zum neuen Urteil des Obergerichtes vom 2. Dezember 1975 auf jeden
Fall anzurechnen sei. Dies sollte jedoch präzisierend festgehalten werden.

    Der Generalprokurator stimmt der Auslegung des Beschwerdeführers
zu. Auch nach ihm ist die Sicherheitshaft, die dem erstinstanzlichen
Urteil folgte, voll auf die Strafe anzurechnen.

    Das Gesetz behandelt die Anrechnung der Untersuchungshaft gemäss
Art. 69 StGB als eine Vorschrift, die der Richter bei Festsetzung der
Strafe vom Amtes wegen anwenden muss. Er hat somit gegebenenfalls die
Anrechnung der Haft auf die strafe im Urteilsdispositiv ausdrücklich
festzuhalten. Das ist z.B. mit Rücksicht auf den Strafvollzug nötig. Im
Kanton Bern (Art. 361 StrV) wie meistenorts wird der Vollzugsbehörde
nur die Urteilsformel zugestellt. Enthält sie bloss einen Teil der
angerechneten Untersuchungshaft, läuft der Verurteilte Gefahr, dass der
andere durch Anrechnung ebenfalls weggefallene Teil der Strafe vollzogen
wird. Auch den Urteilsmeldungen ans Strafregister wird regelmässig der
Urteilsspruch zugrunde gelegt. Eine Meldung gestützt auf die Urteilsformel
des angefochtenen Urteils wäre unvollständig und falsch. Vollzugs- und
Registerbehörden müssen überdies die genaue Dauer der angerechneten Haft
nach Tagen kennen, was wiederum aus der Urteilsformel nicht ersichtlich
ist.

    Sofern nicht besondere, aus dem Urteil nicht ersichtliche Gründe
gegen die Anrechnung der Sicherheitshaft bestehen, ist der Ansicht
der Parteien beizupflichten. Das Obergericht hat das Urteil der ersten
Instanz insoweit abgeändert, als es einerseits den Beschwerdeführer in
zwei Diebstahlsfällen freigesprochen, anderseits die Strafe erhöht und
die anrechenbare Haftdauer herabgesetzt hat. Auch musste mangels Zulassung
eines amtlichen Verteidigers das erste Urteil des Obergerichts aufgehoben
werden. Diese Verlängerung des Verfahrens hat der Staat zu vertreten.

    Die Beschwerde ist daher insoweit gutzuheissen, als sich die Vorinstanz
über die Gesamtheit der anrechenbaren Haft nicht oder doch nicht in der
nötigen Form und der erforderlichen Klarheit ausgesprochen hat. Sie
wird sich auch über die Anrechnung der Sicherheitshaft bis zur neuen
Beurteilung aussprechen.

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Nichtigkeitsbeschwerde wird insoweit teilweise gutgeheissen,
als die Vorinstanz angewiesen wird, sich im Urteilsspruch auch über
die Anrechnung der Sicherheitshaft nach dem erstinstanzlichen Urteil
auszusprechen.

    Im übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.