Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 102 II 79



102 II 79

13. Urteil der II. Zivilabteilung vom 17. Mai 1976 i.S. Müller. Regeste

    Adoption Mündiger; Art. 266 ZGB.

    Der Altersunterschied muss auch bei der Erwachsenenadoption mindestens
16 Jahre betragen.

Sachverhalt

    A.- Mit Eingabe vom 19. Dezember 1974 an den Stadtrat von Zürich
stellte Paul Kurt Müller, geboren am 2. Dezember 1930, das Begehren,
es sei ihm die Adoption seines am 18. Mai 1946 geborenen, somit etwa 15
1/2 Jahre jüngeren Pflegesohnes Robert Müller zu bewilligen. Gegen den
Antrag des Stadtrates wies der Bezirksrat Zürich das Gesuch am 3. Juli 1975
ab. Dieser Entscheid wurde vom Regierungsrat des Kantons Zürich auf Rekurs
hin mit Beschluss vom 11. Februar 1976 bestätigt. Zur Begründung führten
die kantonalen Instanzen im wesentlichen an, dass der Altersunterschied,
der auch bei der Erwachsenenadoption in jedem Fall mindestens 16 Jahre
betragen müsse, ungenügend sei.

    Paul Kurt Müller führt Berufung an das Bundesgericht mit dem Antrag,
es sei der regierungsrätliche Beschluss aufzuheben und die Adoption
zu bewilligen.

Auszug aus den Erwägungen:

            Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

    Gemäss Art. 265 Abs. 1 ZGB muss das unmündige Adoptivkind mindestens
16 Jahre jünger sein als die Adoptiveltern. Es handelt sich dabei um
ein zwingendes Mindesterfordernis, von dem der Richter nicht befreien
darf. Wenn der Berufungskläger zur Begründung seiner gegenteiligen
Auffassung auf EICHENBERGER (Die materiellen Voraussetzungen der
Adoption Unmündiger nach neuem schweizerischem Adoptionsrecht, Freiburger
Diss. 1974, S. 170) verweist, so ist dies von vornherein unbehelflich,
da dieser Autor keineswegs der Ansicht ist, vom gesetzlich verlangten
Mindestaltersunterschied könne auf dem Wege der Rechtsprechung allenfalls
abgewichen werden; dessen Kritik richtet sich vielmehr allein gegen
das Gesetz.

    Nun ist Art. 265 Abs. 1 ZGB im Falle des volljährigen Robert Müller
freilich nicht direkt anwendbar. Art. 266 Abs. 3 ZGB sieht jedoch
vor, dass, soweit nicht eine Sondernorm über die Erwachsenenadoption
(Art. 266 Abs. 1 und 2 ZGB) Platz greift, die Bestimmungen über die
Adoption Unmündiger "entsprechende" Anwendung finden. Der Berufungskläger
leitet aus dieser Formulierung ab, das Gesetz gewähre dem Richter bei der
Auslegung und Anwendung der "entsprechend" anwendbaren Bestimmungen einen
besonderen Spielraum. Jener sei daher bei der Adoption Mündiger, wo die
Bedeutung des elternartigen Verhältnisses nicht so gross sei, nicht strikte
an den in Art. 265 Abs. 1 ZGB festgesetzten Altersunterschied gebunden.

    Wie das Bundesgericht unter Hinweis auf die parlamentarischen
Beratungen wiederholt festgehalten hat (BGE 101 II 5 Erw. 3, 8/9
Erw. 1), hat die Erwachsenenadoption Ausnahmecharakter. Sie soll
nur dann gestattet sein, wenn besondere, mit der Adoption Unmündiger
vergleichbare Verhältnisse vorliegen. Gewiss ist diese Voraussetzung im
Falle des Berufungsklägers, der dem zu Adoptierenden seit 1952 mit Erfolg
Pflege und Erziehung erwiesen und ausserdem das Studium ermöglicht hat,
in augenfälliger Weise erfüllt. Es zeigt sich indessen gerade hier, dass
mit einer Lockerung der an den Altersunterschied gestellten Anforderungen
eine vom Gesetzgeber nicht gewollte Erleichterung bewirkt würde, indem
nämlich eine Adoption, die vor der Volljährigkeit des zu Adoptierenden am
ungenügenden Altersunterschied hätte scheitern müssen, nach Eintritt der
Mündigkeit vollzogen werden könnte. Damit ergibt sich, dass Bezirks- und
Regierungsrat das Gesuch des Berufungsklägers zu Recht abgewiesen haben.

Entscheid:

             Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird abgewiesen und der Beschluss des Regierungsrates
des Kantons Zürich vom 11. Februar 1976 bestätigt.