Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 102 II 329



102 II 329

47. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 29. April 1976 i.S.
Müller und Mitbeteiligte gegen Müller Regeste

    Herabsetzungsklage, Lidlohn, ungerechtfertigte Bereicherung.

    1. Die Herabsetzungsklage ist nicht identisch mit der Klage auf
Rückleistung. Ein Verzug mit der Rückleistung ist erst vom Erlass des
Herabsetzungsurteils an möglich (Erw. 2).

    2. Der Lidlohnanspruch gemäss dem früheren Art. 633 ZGB kann erst bei
der Teilung geltend gemacht werden. Er ist grundsätzlich nicht zu verzinsen
(Erw. 3).

    3. Die Bereicherungsklage ist gegenüber den andern Klagen subsidiär
(Erw. 5).

Sachverhalt

                     Aus dem Tatbestand:

    A.- Die Eheleute Hermann Alfred und Lina Müller-Bucher hatten sieben
Kinder. Am 18. Januar 1956 verkaufte Vater Müller seinem Sohn Hermann
Alfred Acker- und Wiesland zum Preise von Fr. 3'500.--. Am 27. August
1958 starb Mutter Müller unter Hinterlassung eines Testamentes, in dem
sie Vermächtnisse ausrichtete und bestimmte, dass ihr Ehemann von ihrem
Nachlass 3/16 zu Eigentum und den Rest zur Nutzniessung oder, falls er es
vorziehe, 7/16 zu Eigentum erhalten solle. Am 11. Oktober 1958 verkaufte
Vater Müller seinem Sohn Hermann Alfred alle noch in seinem Eigentum
stehenden Grundstücke zum Preise von Fr. 35'000.-- und gleichzeitig schloss
er mit ihm einen Verpfründungsvertrag ab. Am 13. April 1963 starb er. Er
hinterliess eine öffentliche letztwillige Verfügung vom 17. Januar 1959,
in der er seinem Sohn Hermann Alfred die verfügbare Quote zuwies und die
übrigen gesetzlichen Erben auf den Pflichtteil setzte. Sein Vermögen zur
Zeit des Todes bestand in einer Geldsumme von Fr. 4'850.--.

    B.- Am 22. Juni 1964 leiteten fünf Geschwister gegen Hermann Alfred
Müller und eine Schwester eine Klage ein, mit der sie im wesentlichen
verlangten, es seien die Nachlässe von Vater und Mutter Müller
festzustellen und in bestimmter Weise unter die Erben zu verteilen,
die Entäusserungen von Vater Müller vom 18. Januar 1956 und 11. Oktober
1958 im Sinne von Art. 522 ff. ZGB herabzusetzen und drei Erben zu Lasten
beider Nachlässe Lidlöhne zuzusprechen.

    Der Prozess wurde durch Urteil des Bundesgerichts vom 13. Juli 1972
beendet (vgl. BGE 98 II 352 ff.). Der Vertrag vom 11. Oktober 1958 (nicht
aber derjenige vom 18. Januar 1956) wurde im Sinne von Art. 527 Ziff. 1 ZGB
als herabsetzbar erklärt, und Hermann Alfred Müller wurde verpflichtet,
die darin enthaltene Zuwendung gemäss Art. 475 ZGB in den Nachlass des
verstorbenen Vaters einzuwerfen. An Lidlöhnen wurden sodann zugesprochen:
Rosa Altorfer-Müller Fr. 2'000.--, Alice Pfister-Müller Fr. 14'000.--
und Hermann Alfred Müller Fr. 20'000.-- abzüglich Fr. 16'000.--
Vorausanrechnung = Fr. 4'000.--. Für die Geschwister des Hermann Alfred
Müller bzw. ihre Erben ergab sich aus dem bundesgerichtlichen Urteil ein
Guthaben von insgesamt Fr. 94'421.80. Hermann Alfred Müller zahlte diesen
Betrag den Miterben am 24. August 1972 aus.

    C.- Mit Klageschrift vom 28. August 1973 verlangten die Miterben
des Hermann Alfred Müller von diesem gestützt auf Art. 102 ff. OR,
eventuell gestützt auf Art. 62 ff. OR, 5% Verzugszinsen von Fr. 94'421.80
für die Dauer vom 22. Juni 1964 bis 24. August 1972 (d.h. vom Datum der
Klageeinleitung im ersten Prozess bis zur Zahlung des genannten Betrages),
total Fr. 38'581.45, zuzüglich 5% Verzugszins seit 30. September
1972. Hermann Alfred Müller beantragte die Abweisung der Klage. Das
Bezirksgericht Bülach hiess die Klage am 24. Dezember 1974 gut, ausgenommen
die Zinsforderung seit 30. September 1972.

    Demgegenüber wies das Obergericht des Kantons Zürich in Gutheissung
einer Berufung des Beklagten mit Urteil vom 21. Oktober 1975 die Klage ab.

    D.- Gegen diesen Entscheid erhoben die Kläger kantonalrechtliche
Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an das Bundesgericht. Das
Kassationsgericht des Kantons Zürich trat am 29. Januar 1976 auf die
Nichtigkeitsbeschwerde nicht ein.

    Mit der Berufung beantragen die Kläger die Aufhebung des angefochtenen
Entscheides und die Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils.

    Der Beklagte beantragt die Abweisung der Berufung und die Bestätigung
des angefochtenen Urteils.

    Das Bundesgericht weist die Berufung ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- In erster Linie verlangen die Kläger Verzugszinsen vom Betrag,
den der Beklagte ihnen auf Grund des Herabsetzungsurteils bezahlte, und
zwar vom Zeitpunkt der Einleitung der Herabsetzungsklage an. Zu prüfen ist
somit vorerst, ob sich der Beklagte mit dieser Zahlung in Verzug befand.

    a) Die Herabsetzungsklage geht auf Feststellung, dass eine letztwillige
Verfügung den Pflichtteil verletzt, sowie auf Herabsetzung der fraglichen
Verfügung auf das erlaubte Mass. Sie ist eine Gestaltungsklage, und
das Herabsetzungsurteil hat insofern konstitutive Wirkung, als es eine
neue Rechtslage begründet. Die Herabsetzung tritt als Wirkung des sie
aussprechenden Urteils ein. Bis zu diesem Zeitpunkt äussert die Zuwendung
ihre volle Wirksamkeit, und zwar auch dem berechtigten Erben gegenüber
(TUOR, N. 8 und 10, und ESCHER, N. 14 zu den Vorbemerkungen zu Art. 522
bis 533 ZGB).

    Das Herabsetzungsurteil entfaltet seine Wirkungen also grundsätzlich
erst mit dem Eintritt seiner Rechtskraft. Nach der heute herrschenden
Lehrmeinung werden diese Wirkungen dann aber zurückbezogen auf den
Zeitpunkt der Eröffnung des Erbganges. Die Herabsetzung der Verfügungen von
Todes wegen wirkt demnach ex tunc (TUOR, N. 10, und ESCHER, N. 14 zu den
Vorbemerkungen zu Art. 522 bis 533 ZGB; PIOTET, Droit successoral, Traité
de droit privé suisse, IV, S. 354, 441). Dies bedeutet indessen lediglich,
dass die der Herabsetzung unterliegenden Vermögenskomplexe nach ihrem Wert
zur Zeit des Todes des Erblassers zu schätzen sind. Wird die Erbschaft
gemäss Art. 560 ZGB beim Tod des Erblassers erworben, so muss dieser
Zeitpunkt auch massgebend sein für die Festlegung ihres zahlenmässigen
Umfangs, d.h. für die Feststellung der beim Tod des Erblassers vorhandenen
Erbmasse, die nicht zu verwechseln ist mit der im Zeitpunkt der Teilung
vorhandenen und unter die Erben zu verteilenden Teilungsmasse.

    Die rückwirkende Kraft des Herabsetzungsurteils ist dadurch
begründet, dass das Recht zur Herabsetzung mit der Eröffnung des Erbganges
entsteht. In diesem Zeitpunkt erwirbt der Erbe seinen Pflichtteil. Ist
dieser verletzt und will der Erbe ihn wieder herstellen, so muss ein
Zustand geschaffen werden, der dem entspricht, der zur Zeit der Eröffnung
des Erbganges vorhanden war. Würde das Herabsetzungsurteil erst mit der
Rechtskraft seine Wirkungen entfalten, so läge zwischen der Eröffnung des
Erbganges und der Urteilsfällung ein Zeitraum, während dem der Erbe nicht
zu seinem Recht gekommen wäre (STEINER, Das Erfordernis des richterlichen
Urteils für die Ungültigerklärung oder Herabsetzung von Verfügungen von
Todes wegen, Diss. Freiburg 1945, S. 114).

    Erwirbt der Erbe das Recht zur Herabsetzung mit der Eröffnung des
Erbgangs, so kann er von diesem Zeitpunkte an die Herabsetzung geltend
machen. Das Recht zur Anhebung der Herabsetzungsklage ist indessen nicht
identisch mit dem Rückleistungsanspruch. Nach den Materialien und der in
der Literatur einhellig vertretenen Auffassung hat das Herabsetzungsurteil
nur spezifische Gestaltungskraft. Wenn (wie im vorliegenden Fall) mit
der Herabsetzungsklage nicht zugleich eine Leistungsklage verbunden
wurde, ist das Herabsetzungsurteil ein reines Gestaltungsurteil,
das den Beklagten nicht zu einer Leistung verpflichtet, sondern dem
Kläger lediglich die Grundlage gibt, um mit einer zweiten Klage seinem
Leistungsanspruch zum Durchbruch zu verhelfen (TUOR, N. 13 zu den
Vorbemerkungen zu Art. 522 bis 533 ZGB; ESCHER, N. 1 zu Art. 528 ZGB;
STEINER, aaO S. 48). Der Leistungsanspruch entsteht somit erst mit der
Rechtskraft des Herabsetzungsurteils (STEINER, aaO S. 114, 122 und 127).

    b) Im vorliegenden Fall erwarben demnach die Kläger das Recht
zur Anhebung der Herabsetzungsklage mit dem Tod des Erblassers. Ihre
Herabsetzungsklage wurde vom Bundesgericht am 13. Juli 1972 rechtskräftig
entschieden. Damit erwuchs ihnen ein Leistungsanspruch, den sie von
diesem Moment an geltend machen konnten, der mit andern Worten vom
13. Juli 1972 an fällig war. Am 24. August 1972 zahlte der Beklagte die
vom Bundesgericht festgelegten Beträge aus. Die Kläger behaupten nicht,
dass sie den Beklagten nach der Urteilsfällung und vor der Zahlung noch
eigens gemahnt hätten. Der Beklagte befand sich somit nicht im Verzug
und schuldete daher keine Verzugszinsen.

    c) Was die Kläger dagegen vorbringen, dringt nicht durch. Ob den
Urteilsdispositiven im ersten Prozess, welche die Höhe des väterlichen
und mütterlichen Nachlasses feststellten, selbständige Bedeutung oder
nur die Bedeutung von Hilfsgrössen für die Ermittlung der Ansprüche der
einzelnen Erben zukomme, ist für den Entscheid im vorliegenden Verfahren
unerheblich. Die Kläger mögen ihre frühere Klage rechtlich bezeichnen,
wie sie wollen, fest steht jedenfalls auf Grund der im ersten Prozess
ergangenen Urteile, dass sie damals keine Leistungsklage erheben
wollten. Die in jenem Prozess ergangenen Urteile waren demnach keine
Leistungsurteile, weil die Rechtskraft eines Urteils nicht weiter gehen
kann als die Klage selbst (GULDENER, Schweizerisches Zivilprozessrecht,
2. Aufl. S. 305 Anmerkung 30).

    Den Klägern kann darin beigepflichtet werden, dass die
Gestaltungsklage in Fällen der vorliegenden Art auf den Tod des
Erblassers zurückwirkt. Das ist indessen nur für die Berechnung des
Herabsetzungsanspruches von Bedeutung. Soweit sie vorbringen, sie hätten
ihre heute zu beurteilenden Forderungen auch schon mit der Eröffnung
des Erbganges geltend machen dürfen, übersehen sie den Unterschied
zwischen dem Anspruch auf Herabsetzung von Verfügungen und dem daraus
erwachsenden Rückleistungsanspruch. Während der erste von der Eröffnung
des Erbganges an besteht, entsteht der zweite erst mit der Rechtskraft
des Herabsetzungsurteils. Vor der Ausfällung eines rechtskräftigen
Herabsetzungsurteiles kann demnach keine Verzugszinsforderung geltend
gemacht werden.

    Richtig ist auch, dass im ersten Prozess die Erbmasse, d.h. der Wert
des Nachlasses beim Tod des Erblassers berechnet worden war. Ob dieser
Wert sich dann bis zur Auszahlung, d.h. bis zur faktischen Teilung,
verändert habe und ob demzufolge die Teilungsmasse grösser gewesen sei als
die Erbmasse, steht im vorliegenden Fall jedoch nicht zur Diskussion. Die
Kläger fordern weder Kapitalzinsen aus dem zur Erbmasse gehörenden Vermögen
noch machen sie geltend, dass die Erbmasse bis zur Teilung sonstwie,
z.B. konjunkturbedingt, angewachsen sei. Sie verlangen ausdrücklich und
ausschliesslich Verzugszinsen, so dass lediglich geprüft werden muss,
ob der Beklagte sich im Verzug befunden habe oder nicht. Das ist nach
dem Gesagten nicht der Fall. Aus dem gleichen Grund ist unerheblich,
ob die Kläger je den Willen hatten, dem Beklagten Zinsen zu erlassen
bzw. auf solche zu verzichten.

    d) Zu erwägen wäre allenfalls, ob der Beklagte den Klägern nach
den Besitzesregeln (Art. 938-940 ZGB) anteilsmässigen Ersatz der
Früchte schulde, die er in der Zeit vom Erbgang bis zur Teilung aus dem
herabsetzungspflichtigen Vermögen bezogen hat. Eine Klage auf Erstattung
von Früchten haben die Kläger indessen nicht erhoben. Ihr Begehren auf
Zusprechung von Verzugszinsen kann mangels hinreichender Substantiierung
nicht in eine derartige Klage umgedeutet werden. Abgesehen davon stünde
einer solchen Klage die Einrede der Rechtskraft entgegen. Die Kläger haben
nämlich schon im ersten Berufungsverfahren ausdrücklich beantragt, der
Beklagte sei zu verpflichten, zusätzlich zum Verkehrswert der Grundstücke
am 13. April 1963 denjenigen Nutzen, inkl. Wertvermehrung, abzüglich
allfällige Wertverminderung, sich anrechnen zu lassen, den er seit dem
Todestag aus den fraglichen Grundstücken gezogen habe, resp. der den
fraglichen Grundstücken zugekommen sei. Das Bundesgericht trat jedoch
in seinem Urteil vom 13. Juli 1972 nicht auf diesen Antrag ein, da er
nicht begründet war. Damit war die Frage der Erstattung der Vorteile,
die der Beklagte aus den Grundstücken gezogen hat, endgültig entschieden.

Erwägung 3

    3.- Die Kläger beanspruchen sodann Verzugszinsen auf den ihnen
zugesprochenen Lidlöhnen. Dabei ist vorab zu bemerken, dass die Lidlöhne
nicht vom Beklagten geschuldet sind, sondern den Nachlass als Ganzes
belasten. Von einem Verzug des Beklagten mit der Bezahlung der Lidlöhne
kann daher zum vornherein nicht gesprochen werden. Der Beklagte ist nur
verpflichtet, den der Herabsetzung unterliegenden Betrag von Fr. 129'887.--
sowie das von ihm verwaltete Bargeld in den Nachlass einzuwerfen. Dieser
Betrag ist unabhängig von der Höhe der Lidlöhne. Wären die Lidlöhne ab
Todestag zu verzinsen, so würde sich einzig der an die Erben zu verteilende
Nettonachlass entsprechend vermindern. Dies hätte zur Folge, dass nicht nur
der Erbanteil des Beklagten, sondern auch die Anteile der Kläger reduziert
werden müssten, was offensichtlich nicht der Sinn ihrer Klage ist.

    Aber auch wenn die Klage so zu verstehen wäre, könnte sie nicht
gutgeheissen werden. Es ist unbestritten, dass die Lidlohnansprüche der
Kläger im vorliegenden Fall nach altem Recht (dem inzwischen aufgehobenen
Art. 633 ZGB) zu beurteilen sind (vgl. dazu auch BGE 100 II 433). Die
Lidlohnforderung im Sinne von Art. 633 ZGB entsteht grundsätzlich mit dem
Tod des Erblassers (BGE 79 II 372 f.; ESCHER, N. 25 zu Art. 633 ZGB). Mit
diesem Zeitpunkt wird sie perfekt, aber noch nicht fällig. TUOR/PICENONI
vertreten die Meinung, die Lidlohnforderung werde mit dem Tod des
Erblassers auch schon klagbar (N. 11b und 27 zu Art. 633 ZGB). Dem kann
insoweit beigepflichtet werden, als die Erben die Erbschaft mit dem Tod
des Erblassers erwerben (Art. 560 Abs. 1 ZGB) und von diesem Zeitpunkt
an die Teilung verlangen (Art. 604 Abs. 1 ZGB) und demzufolge mit
einer Teilungsklage auch Lidlohnforderungen geltend machen können. Die
Lidlohnforderung kann (wie im vorliegenden Fall) auch zum Gegenstand
einer Feststellungsklage gemacht werden (ESCHER, N. 25 und TUOR/PICENONI,
N. 11b zu Art. 633 ZGB; dazu auch BGE 57 II 148 Erw. 2). Eine in diesem
Sinne verstandene Geltendmachung der Lidlohnforderung ist indessen nicht
gleichbedeutend mit der Geltendmachung des Ausgleichungsanspruchs.

    Nach dem Wortlaut des Art. 633 ZGB können Kinder, die ihren Eltern
im gemeinsamen Haushalt ihre Arbeit oder Einkünfte zugewendet haben,
hiefür erst "bei der Teilung der Erbschaft" eine billige Ausgleichung
beanspruchen. In Lehre und Rechtsprechung wird denn auch einhellig (wenn
auch mit unterschiedlichen rechtlichen Begründungen) die Meinung vertreten,
dass der eigentliche Ausgleichungsanspruch erst bei der Teilung geltend
gemacht werden könne (BGE 79 II 372/73, 48 II 317; ESCHER, N. 25, und
TUOR/PICENONI, N. 11b und 28 zu Art. 633 ZGB; ZOLLER, Lidlohnansprüche,
Diss. Zürich 1969 S. 66, 142).

    Der Lidlohn im Sinne von Art. 633 ZGB kann als Ersparnis des mündigen
Kindes betrachtet werden. Da die Auszahlung erst bei der Teilung,
d.h. in der Regel längere Zeit nach der Arbeitsleistung erfolgt, könnte
vermutet werden, dass solche Ersparnisse verzinst werden müssten. Dass der
Anspruchsberechtigte zwischen seiner Arbeitsleistung und der Auszahlung
des Lidlohnes einen Zinsausfall hatte, kann indessen bereits bei der
Bemessung des "billigen Ausgleichs" im Sinne von Art. 633 ZGB neben
andern Umständen mitberücksichtigt werden (dazu BGE 58 II 113). Nach der
in der Literatur vertretenen Meinung sind eigentliche Zinsen zum fiktiv
errechneten Lidlohn aber grundsätzlich nicht hinzuzurechnen, obschon der
Berechtigte vielleicht die Möglichkeit gehabt hätte, einen Teil seines
Arbeitslohnes in der Zwischenzeit zinstragend anzulegen (ESCHER, N. 30
und TUOR/PICENONI, N. 35 zu Art. 633 ZGB; ZOLLER, aaO S. 36).

    Kann die Ausgleichung der Lidlohnforderung erst bei der Teilung
geltend gemacht werden und sind für die Zeit vor der Teilung für die
fragliche Forderung keine Zinsen geschuldet, so können für diese Zeit
auch keine Verzugszinsen gefordert werden.

    Die Kläger machen allerdings geltend, das den Lidlohn festsetzende
Urteil des Bundesgerichts vom 13. Juli 1972 wirke ex tunc, d.h. auf den
Zeitpunkt des Erbganges zurück, so dass der Beklagte von der Geltendmachung
der Lidlohnforderung an sich in Verzug befinde. Sie verkennen damit die
gemachte Unterscheidung zwischen dem Entstehen der Lidlohnforderung und
der Geltendmachung des Ausgleichungsanspruchs.

Erwägung 4

    4.- In der Klageschrift hatten die Kläger auch Verzugszinsen auf ihren
Erbanteilen an dem beim Tod des Erblassers vorhandenen Barvermögen von
Fr. 4'850.-- gefordert, das offenbar vom Beklagten verwaltet wurde. Mit der
Abweisung der Klage hat das Obergericht auch dieses Begehren abgelehnt. In
der Berufungsschrift wird nicht dargelegt, inwiefern es dadurch Bundesrecht
verletzt habe (Art. 55 Abs. 1 lit. c OG). Auf diese Frage ist daher nicht
näher einzugehen.

    Immerhin sei beigefügt, dass auch diesbezüglich von einem Verzug
des Beklagten nicht gesprochen werden kann. Der Beklagte besass dieses
Bargeld für die Erbengemeinschaft. Er war einzig verpflichtet, es bei der
Erbteilung samt den seit dem Tod des Erblassers dazugekommenen Erträgnissen
in den Nachlass einzuwerfen (vgl. BGE 69 II 370 Erw. 8). Die Kläger sagen
indessen nicht, wie das Geld angelegt war und welchen Nutzen der Beklagte
seit dem Todestag daraus gezogen hat. Die Erträgnisse des Barvermögens
können nicht einfach dem geforderten Verzugszins gleichgesetzt werden.

Erwägung 5

    5.- a) Im Eventualstandpunkt berufen sich die Kläger auf
ungerechtfertigte Bereicherung. Sie machen geltend, der Beklagte habe
die Verbindlichkeiten statt am Todestag des Erblassers (13. April 1963)
bzw. spätestens am 22. Juni 1964 (Klageeinleitung im ersten Prozess),
erst am 24. August 1972 ausbezahlt; in der Zwischenzeit habe er alle
Einkünfte und Wertvermehrungen an sich genommen und sich dadurch um
mindestens Fr. 38'581.45 ungerechtfertigt bereichert.

    b) Nach der angeführten Rechtsprechung (Erw. 2a) äussert eine Zuwendung
des Erblassers bis zum Zeitpunkt ihrer Herabsetzung ihre volle Wirksamkeit,
und zwar auch dem berechtigten Erben gegenüber. Der Vertrag vom 11. Oktober
1958 wurde erst durch das Urteil des Bundesgerichts vom 13. Juli 1972
rechtskräftig als herabsetzbar erklärt. Bis zu diesem Zeitpunkt äusserte
die Zuwendung ihre volle Rechtswirksamkeit, so dass der Beklagte daraus
bis zu diesem Zeitpunkt nicht ungerechtfertigt bereichert sein konnte.

    Für die Lidlohnforderung schuldete der Beklagte nach der angeführten
Lehre (Erw. 3) keine eigentlichen Zinsen. Wenn er keine solchen auszahlte,
konnte er dadurch ebenfalls nicht ungerechtfertigt bereichert sein.

    c) Im übrigen hat die Klage aus ungerechtfertigter Bereicherung
gegenüber den andern Klagen subsidiären Charakter. Wo eine andere
Klage möglich ist, liegt nicht noch ein Bereicherungsanspruch vor
(OSER/SCHÖNENBERGER, N. 2, und BECKER, N. 5/6 zu den Vorbemerkungen zu
Art. 62 bis 67 OR; GUHL/MERZ/KUMMER, Das Schweizerische Obligationenrecht,
6. Aufl. S. 203).

    Im vorliegenden Fall erwarben die Erben die Erbschaft als Ganzes mit
dem Tod des Erblassers (Art. 560 Abs. 1 ZGB). Sie wurden damit an allen
Nachlasswerten Eigentümer zur gesamten Hand und sie blieben dies bis
zum Zeitpunkt der Teilung. Der Beklagte mochte tatsächlichen Gewahrsam
an einzelnen Erbschaftswerten gehabt haben, aber er besass diese nicht
für sich allein, sondern für alle Erben zusammen. Wenn die Kläger ihre
Ansprüche gegenüber dem Beklagten geltend machen wollten, stand ihnen
die Teilungsklage zur Verfügung. Diese bezieht sich nicht nur auf die
Erbmasse, sondern auf die Teilungsmasse, d.h. auf das Erbschaftsvermögen
zur Zeit der Teilung, samt dem seit dem Tod des Erblassers eingetretenen
Zuwachs, so wie der Beklagte im vorliegenden Fall das Vermögen für
sich und die Kläger besessen hat (dazu BGE 69 II 366 Erw. 4 und 370
Erw. 8). Die Kläger hätten also die behaupteten Wertvermehrungen im Rahmen
einer Teilungsklage geltend machen können. Wollte man annehmen, durch
die Zahlung des Beklagten vom 24. August 1972 sei die Teilung erfolgt
und die Erbengemeinschaft aufgelöst worden, wobei der Beklagte jedoch
bestimmte Vermögenswerte zurückbehalten habe, die er noch herausgeben
müsse, dann wäre den Klägern diesbezüglich die Erbschaftsklage im Sinne
von Art. 598 ff. ZGB zur Verfügung gestanden (BGE 69 II 367 oben, dazu
ESCHER, N. 13 der Vorbemerkungen zu den Art. 598-600 ZGB; TUOR/PICENONI,
N. 12 zu Art. 598 ZGB). Konnten sie aber gestützt auf ihre Erbenstellung
mit der Teilungs- oder der Erbschaftsklage gegen den Beklagten vorgehen,
dann bleibt ihnen die subsidiäre Klage aus ungerechtfertigter Bereicherung
versagt (vgl. analog BGE 84 II 377 f., wonach die Rückerstattungspflicht
eines unrechtmässigen Besitzers sich nach Art. 938/940 ZGB und nicht
nach Art. 62 ff. OR richtet). Die Berufung erweist sich somit auch in
diesem Punkt als unbegründet.