Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 102 III 71



102 III 71

14. Auszug aus dem Entscheid vom 12. März 1976 i.S. Konkursmasse
Israel-British Bank Regeste

    Internationales Konkursrecht; Stellung der ausländischen Konkursmasse
zu dem in der Schweiz liegenden Vermögen des Gemeinschuldners.

    1. Die ausländische Konkursmasse kann nicht in der Schweiz liegendes
Vermögen des Gemeinschuldners arrestieren lassen (E. 2).

    2. Die Kritik an der heutigen Rechtslage, die zulässt, dass sich
einzelne Gläubiger eines ausländischen Konkursiten gegenüber den (andern)
Konkursgläubigern eine Vorzugsstellung verschaffen können, indem sie
schweizerische Vermögenswerte des Gemeinschuldners arrestieren lassen, ist
nicht unbegründet; Ursache dieser Möglichkeit der ungleichen Behandlung der
Gläubiger ist indessen nicht die hier fehlende aktive Betreibungsfähigkeit
der Konkursmasse, sondern die Bedeutung, die dem Territorialitätsprinzip
in der Praxis zukommt (E. 3).

Sachverhalt

                   Gekürzter Sachverhalt:

    A.- Die Banca Privata Finanziaria, Mailand, und die Konkursmasse
der Israel-British Bank, London, liessen am 17. September bzw. am
4. Oktober 1974 das gesamte Guthaben der Israel-British Bank beim
Schweiz. Bankverein in Zürich mit Arrest belegen. In den von ihnen zur
Prosequierung angehobenen Betreibungen stellten beide am 23. Januar 1975
das Fortsetzungsbegehren. Beim Pfändungsvollzug vom 25. Februar 1975
ergab sich ein Guthaben der Israel-British Bank von Fr. 950'665.54.

    B.- Mit Eingabe vom 10. März 1975 erhob die Banca Privata Finanziaria
Beschwerde beim Bezirksgericht Zürich als untere Aufsichtsbehörde. Im
Hauptstandpunkt verlangte sie, es sei der Zahlungsbefehl der Konkursmasse
gegen die Gemeinschuldnerin (Israel-British Bank) sowie die entsprechende
Pfändung als nichtig, allenfalls als ungültig zu erklären. Zur Begründung
der Beschwerde wurde ausgeführt, es fehle der Konkursmasse hinsichtlich
des mit Arrest belegten Guthabens die Gläubigerfähigkeit.

    Soweit es auf die Beschwerde eintrat, wies das Bezirksgericht diese
mit Beschluss vom 10. Oktober 1975 ab.

    C.- In Gutheissung des von der Banca Privata Finanziaria hiegegen
eingelegten Rekurses hob die II. Zivilkammer des Obergerichts des Kantons
Zürich als obere kantonale Aufsichtsbehörde den Zahlungsbefehl in der von
der Konkursmasse der Israel-British Bank eingeleiteten Betreibung sowie
die entsprechende Pfändung mit Beschluss vom 19. Januar 1976 auf.

    D.- Gegen diesen Entscheid hat die Konkursmasse an das Bundesgericht
rekurriert.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Die Rekurrentin hält zunächst dafür, die Auffassung des
Obergerichts, es komme ihr hinsichtlich des beim Schweiz. Bankverein
arrestierten Guthabens der Israel-British Bank keine Gläubigerstellung
zu, stehe nicht im Einklang mit den schweizerischen Rechtsvorschriften
und erscheine im übrigen den besonderen Verhältnissen in keiner Weise
angemessen.

    Zur Begründung macht sie geltend, die Konkursverwaltung sei nicht
Nachfolgerin des Gemeinschuldners; deren Aufgabe sei es vielmehr,
die Interessen der Masse zu wahren, die u.a. darin bestünden, das
ganze schuldnerische Vermögen zugunsten der Gesamtheit der Gläubiger
dem Konkurssubstrat zuzuführen. Gemäss herrschender Meinung habe die
Konkurseröffnung auf den Status des Gemeinschuldners im Konkurs-Ausland
keinen Einfluss, so dass im vorliegenden Fall die Israel-British Bank
in der Schweiz nicht als Konkursit gelte. Daraus ergebe sich, dass die
ausländische Konkursmasse dem in der Schweiz liegenden Vermögen des
Gemeinschuldners nicht anders gegenüberstehe als jeder andere Gläubiger;
die Konkursmasse sei sodann darauf angewiesen, ihre "Forderung" im
Konkurs-Ausland auf dem Betreibungswege geltend zu machen.

    Ihre aktive Betreibungsfähigkeit glaubt die Rekurrentin ausserdem auch
damit begründen zu können, dass der Gemeinschuldner die Verfügungsbefugnis
nur mit Bezug auf das Vermögen in jenem Staat verliert, wo der Konkurs
eröffnet wurde. Sie weist darauf hin, dass denn auch nur diese
Vermögenswerte ohne weiteres dem Konkursbeschlag unterworfen würden,
während das Vermögen im Konkurs-Ausland unbeschwert bleibe. Da das Guthaben
der Gemeinschuldnerin beim Schweiz. Bankverein ihr demnach nicht kraft
Eigentums zustehe - so folgert die Rekurrentin -, könnten ihre Rechte an
diesem einzig aus ihrer Gläubigerstellung fliessen.

    Abschliessend wirft die Rekurrentin der Vorinstanz vor, ihre
schematische und undifferenzierte Anwendung des Territorialitätsprinzips
sei mit dem für das schweizerische Schuldbetreibungs- und Konkursrecht
wichtigen Grundsatz der Gleichbehandlung der Gläubiger unvereinbar; dieser
dürfe aber im internationalen Verhältnis nicht einfach preisgegeben werden.

Erwägung 2

    2.- Wohl ist der Rekurrentin zuzugestehen, dass die Konkursmasse nicht
eigentliche Rechtsnachfolgerin des Gemeinschuldners ist (vgl. BGE 87
II 172 E. 1 mit Hinweisen). Diese Tatsache ändert jedoch nichts daran,
dass die Masse sämtliche Rechte des Gemeinschuldners geltend machen
kann, andererseits aber auch alle seine Pflichten trägt. Daraus folgt,
dass ein Anspruch der Konkursmasse nur zustehen kann, sofern dieser
ohne Konkurseröffnung auch dem Gemeinschuldner zugestanden hätte
(vgl. BGE 87 II 172 E. 1). Die Israel-British Bank hätte nun aber
gemäss der Erkenntnis, dass niemand sein eigener Gläubiger sein kann,
ihr eigenes Guthaben beim Schweiz. Bankverein in Zürich nicht mit
Arrest belegen lassen und auch nicht sich selbst auf Verwertung dieser
Vermögenswerte betreiben können. Derartige Zwangsvollstreckungsmassnahmen
wären als nichtig zu betrachten gewesen. Fehlte aber hinsichtlich des beim
Schweiz. Bankverein arrestierten Guthabens die aktive Betreibungsfähigkeit
schon der Gemeinschuldnerin, kann sie nach dem Ausgeführten auch nicht
der Konkursmasse zukommen. Der Rekurs erweist sich in diesem Punkt somit
als unbegründet.

Erwägung 3

    3.- a) Die Kritik an der heutigen Rechtslage, die zulässt,
dass sich einzelne Gläubiger eines ausländischen Konkursiten eine
Vorzugsstellung verschaffen können, indem sie auf hiesige Vermögenswerte
des Gemeinschuldners einen Arrest erwirken, ist freilich nicht
unbegründet. Es ist der Rekurrentin namentlich darin beizupflichten, dass
die im schweizerischen Konkursrecht einen wichtigen Platz einnehmende
Gleichbehandlung der Gläubiger auch im internationalen Verhältnis
angestrebt zu werden verdient. Ob die vom Bundesgericht in früheren
Entscheiden (vgl. BGE 37 II S. 594 ff. und BGE 54 III 28 f.) geäusserte
Auffassung, der in Art. 197 SchKG verankerte Grundsatz der Universalität
und Attraktivwirkung gelte nur innerstaatlich und in der Schweiz würden
daher Zwangsvollstreckungsmassnahmen durch die Konkurseröffnung im
Ausland nicht ausgeschlossen, - zumal in ihrer Absolutheit - einer
erneuten Prüfung standhielte, mag daher als fraglich erscheinen. Jene
Rechtsprechung ist denn auch auf Kritik gestossen (vgl. HIRSCH, Aspects
internationaux du droit suisse de la faillite, in Mémoires publiés par
la Faculté de droit de Genève, no 27, S. 69 ff., insbesondere S. 82 ff.;
vgl. dazu auch BGE 100 Ia 26 lit. d, wo diese Kritik als ernstzunehmend -
"critiche serie" - bezeichnet wurde).

    b) Dass die Konkursgläubiger dort nicht gleichmässig befriedigt
werden, wo es einzelnen von ihnen gelingt, schweizerisches Vermögen
des ausländischen Konkursiten zu arrestieren, hat indessen seine
Ursache nicht in der fehlenden Fähigkeit der Konkursmasse, ihrerseits
Vermögenswerte des Gemeinschuldners mit Arrest belegen zu lassen und so
einer Spezialexekution zu unterwerfen. Der Grund liegt vielmehr in der
Bedeutung, die dem Territorialitätsprinzip in der Praxis zukommt.

    aa) Die - mit Ausnahme der gesetzlichen Privilegien uneingeschränkte -
Gleichbehandlung der Konkursgläubiger kann daher nicht auf dem von der
Rekurrentin vorgeschlagenen Weg erreicht werden. Auch wenn nämlich der
ausländischen Konkursmasse hinsichtlich der in der Schweiz gelegenen
Vermögenswerte des Gemeinschuldners die zu einer Arrestnahme notwendige
Gläubigerstellung eingeräumt würde, wäre damit noch nicht in jedem Fall
Gewähr für eine gleichmässige Befriedigung der Gläubiger geboten, zumal
nicht ausgeschlossen werden könnte, dass die Masse von ihr arrestierte
Vermögenswerte mit andern Arrestgläubigern zu teilen haben würde. Zwar
ginge die Konkursmasse - und damit die (übrigen) Konkursgläubiger - nicht
mehr leer aus, doch wären diese - wenn auch in geringerem Masse - weiterhin
benachteiligt. Im übrigen stellte sich beim Vorschlag der Rekurrentin die
heikle Frage, worin der Gläubigeranspruch der Konkursmasse bestehen sollte,
der einem von dieser gestellten Arrestgesuch zugrunde läge. Weshalb
dieser - wie die Rekurrentin anscheinend annehmen möchte - von Fall
zu Fall auf einem ganz bestimmten Aktivum des gemeinschuldnerischen
Vermögens beruhen sollte, ist nicht einzusehen. Wollte man den fraglichen
Anspruch andererseits in der Gesamtheit der im Konkurs angemeldeten
Gläubigerforderungen erblicken, so müsste die Masse - vorausgesetzt,
sie sei hiezu befugt - für jeden einzelnen Gläubiger als persönliche
Vertreterin gestützt auf seine Konkursforderung die Arrestnahme verlangen
(vgl. BGE 37 II S. 597). Der Anspruch der Masse geht jedoch im Grunde
genommen dahin, die im Konkurs-Ausland liegenden Vermögenswerte des
Gemeinschuldners dem Konkurssubstrat zuzuführen. Dazu aber braucht ihr
keine eigentliche Gläubigerstellung eingeräumt zu werden.

    bb) Entscheidend kann die unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung
unbefriedigende Lage der Konkursgläubiger nur durch eine Einschränkung
des gegenwärtigen Primats des Territorialitätsprinzips zugunsten der
Universalität des Konkurses verbessert werden. In diese Richtung weisen
denn auch die Vorschläge zweier Kritiker am heutigen Rechtszustand
(vgl. HIRSCH, aaO S. 82 ff., und SCHMIDT, Internationales Konkursrecht
- Einige Gedanken zu einem dogmatischen Neuansatz, in Schweizerische
Aktiengesellschaft, Heft 4/1973, S. 152 ff., insbes. S. 154 f.). Sollen
die Arrestnahme durch einzelne besonders findige und rasch handelnde
Gläubiger und die damit verbundene Benachteiligung der (übrigen)
Konkursgläubiger wirksam unterbunden und andererseits die Admassierung
der schweizerischen Vermögenswerte ermöglicht werden, kann der Weg nur
über die Anerkennung der Wirkungen führen, die der in einem fremden Staat
eröffnete Konkurs in der Schweiz entfalten kann.

    Eine gesetzliche Grundlage hiefür könnte beispielsweise durch
den Abschluss zwei- bzw. mehrseitiger Staatsverträge (vgl. dazu den
Vertrag zwischen der Schweiz und Frankreich vom 15. Juni 1869 über den
Gerichtsstand und die Vollziehung von Urteilen in Zivilsachen, BS 12,
S. 347 ff.) oder auf dem Weg einer entsprechenden Kodifikation des
einschlägigen Kollisionsrechtes geschaffen werden. Überstaatliche
Bestrebungen zur Vereinheitlichung des internationalen
Konkursrechtes haben bis heute noch nicht zum Ziel geführt (zu
einem Entwurf der 5. Haager-Konferenz aus dem Jahre 1925: vgl. VON
STEIGER, Internationalrechtliche Fragen des Schuldbetreibungs- und
Konkursrechtes, BlSchK 1953, S. 8; zu den Bestrebungen der Europäischen
Wirtschaftsgemeinschaft: vgl. DALLEVES, Universalité et territorialité
de la faillite dans la perspective de l'intégration européenne, BlSchK
1973, S. 166 ff., und HIRSCH, aaO S. 71). Die Frage, ob ins schweizerische
Recht Bestimmungen über das internationale Konkursrecht aufgenommen werden
sollen, wird gegenwärtig durch die Expertenkommission für die Kodifikation
des schweizerischen internationalen Privatrechtes geprüft.

    Beim gegenwärtigen Stand der Gesetzgebung verdient die Anregung
von HIRSCH (aaO S. 84), einem ausländischen Konkurserkenntnis durch
eine richterliche Anerkennung bzw. Vollstreckung umfassende Wirkung zu
verschaffen, eine ernsthafte Prüfung. Diese Lösung hätte allerdings den
Nachteil, dass das Exequaturverfahren den Kantonen vorbehalten ist, so
dass die ausländische Konkursverwaltung in der Schweiz unter Umständen
mehrere Begehren zu stellen hätte.

    Schwieriger dürfte es angesichts des klaren Wortlautes der in
Art. 271 SchKG enthaltenen Arrestvoraussetzungen indessen sein,
Spezialexekutionen durch eine restriktive Arrestbewilligungspraxis
Einhalt zu gebieten. HIRSCH, der mit gewissem Recht die Ansicht vertritt,
das auf eine Spezialexekution in der Schweiz gerichtete Gesuch eines im
Konkursland wohnenden Gläubigers verdiene keinen Rechtsschutz, soweit
nicht das zu verwertende Vermögensstück oder zumindest die Arrestforderung
zu unserem Land eine gewisse Beziehung habe (aaO S. 82 f.; zu dieser
Problematik vgl. auch FRITZSCHE, Schuldbetreibung und Konkurs, 2. Auflage,
II. Band, S. 206 Anm. 277, und BGE 38 II S. 721 f. E. 4), sieht zwar eine
Möglichkeit in der Anwendung der Grundsätze zum Rechtsmissbrauch (HIRSCH,
aaO S. 83 Anm. 27). Indes dürfte ein Verstoss gegen Treu und Glauben nur
äusserst selten zu bejahen sein. Eine hemmende Wirkung könnte dagegen in
vielen Fällen die Auflage einer Sicherheitsleistung im Sinne von Art. 273
Abs. 1 SchKG ausüben (vgl. dazu FRITZSCHE, aaO S. 206 Anm. 277 am Ende).

    c) In der Praxis dürfte einer Admassierung ausserhalb des Konkurslandes
liegender Vermögenswerte immerhin auch bei der gegenwärtigen Rechtslage
regelmässig dort nichts entgegenstehen, wo der Gemeinschuldner mit ihr
einverstanden ist. Arbeitet dieser eng mit der Konkursverwaltung zusammen
und sind beide beweglich und entschlossen genug, wird es in den meisten
Fällen - wenn auch auf dem Boden des Privatrechts und ohne Rechtshilfe
des fremden Staates - gelingen, ausländisches Vermögen dem Konkurssubstrat
zuzuführen, bevor es durch einzelne Gläubiger mit Arrest belegt werden kann
(vgl. BÜRGI, in BlSchK 1974, S. 10).