Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 102 III 145



102 III 145

27. Auszug aus dem Entscheid vom 28. Oktober 1976 i.S. A. S.A. Regeste

    Retentionsrecht des Vermieters (Art. 283 SchKG).

    Für die Prosequierung der Retentionsbetreibung sind die für
die Arrestprosequierung geltenden Regeln (Art. 278 SchKG) analog
anwendbar. Wird die Rechtsöffnung nur für die Forderung erteilt,
nicht dagegen für das Retentionsrecht, oder ergibt sich aus dem
Rechtsöffnungsentscheid klar, dass zur Beurteilung des Retentionsrechts
eine ordentliche Klage notwendig ist, so fällt der Retentionsbeschlag
dahin, wenn der Vermieter nicht innert einer Frist von 10 Tagen seit
Mitteilung des Rechtsöffnungsentscheids Klage erhebt.

Sachverhalt

    A.- Auf Begehren von H. nahm das Betreibungsamt Dagmersellen
am 2. März 1976 für eine Forderung von Fr. 30'640.-- gegenüber der
Mietzinsschuldnerin A. S.A. die Retentionsurkunde auf (Retention
Nr. 1/76). Die retinierten Gegenstände wurden am 27. April 1976 durch
eine Barhinterlage ersetzt. Inzwischen hatte der Vermieter die Betreibung
eingeleitet. Die Mieterin erhob sowohl gegen die Forderung als auch gegen
das Retentionsrecht Rechtsvorschlag, worauf der Vermieter das Begehren
um Erteilung der provisorischen Rechtsöffnung für Fr. 12'081.05 sowie
für die Retention stellte. Mit Entscheid vom 5. Juli 1976 bewilligte
der Amtsgerichtspräsident von Willisau die provisorische Rechtsöffnung
für Fr. 11'490.--, wies die weitergehenden Begehren des Vermieters
indessen ab, soweit er darauf eintrat. In den Erwägungen führte er aus,
die Feststellung des gesetzlichen Retentionsrechts habe auf dem Klageweg
zu erfolgen.

    B.- Gegen die Retention hatte die A. S.A. zudem beim
Amtsgerichtspräsidenten von Willisau als unterer kantonaler
Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs Beschwerde
geführt. Diese wurde jedoch mit Entscheid vom 5. Juli 1976
abgewiesen. Darauf gelangte die A. S.A. an die Schuldbetreibungs-
und Konkurskommission des Obergerichts des Kantons Luzern als obere
kantonale Aufsichtsbehörde, welche den Beschwerde-Weiterzug mit Entscheid
vom 31. August 1976 abwies. In Ziffer 2 des Urteilsdispositivs wies
die Kommission das Betreibungsamt Dagmersellen an, dem Vermieter nach
Eintritt der Rechtskraft ihres Entscheides eine Frist von 10 Tagen zur
gerichtlichen Geltendmachung seines Retentionsrechtes anzusetzen.

    C.- Mit dem vorliegenden Rekurs an die Schuldbetreibungs- und
Konkurskammer des Bundesgerichts beantragt die A. S.A., Ziffer 2
des Dispositivs des Entscheids der luzernischen Aufsichtsbehörde sei
aufzuheben; eventuell sei festzustellen, dass das Retentionsrecht des
Vermieters in Bezug auf den Betrag von Fr. 11'490.-- dahingefallen sei.

    Der Vermieter beantragt in seiner Vernehmlassung die Abweisung des
Rekurses.

    Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer heisst den Rekurs gut und
hebt Ziffer 2 des Dispositivs des angefochtenen Entscheids auf.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- Gegenstand des Rekurses bildet in materieller Hinsicht die Frage,
ob die obere kantonale Aufsichtsbehörde berechtigt war, die Ansetzung einer
Frist zur gerichtlichen Geltendmachung des Retentionsrechts anzuordnen,
oder ob der Rekursgegner nicht innert 10 Tagen nach Mitteilung des
Rechtsöffnungsentscheides ohne weiteres eine Klage auf Anerkennung seines
Retentionsrechts hätte einreichen müssen, mit der Folge des Untergangs
des Retentionsbeschlags im Unterlassungsfall.

    a) Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts hat mit
Kreisschreiben Nr. 24 vom 12. Juli 1909 (JAEGER/DAENIKER, Taschenausgabe,
9. Aufl., S. 615 ff.) die gemäss Art. 278 SchKG für die Prosequierung
des Arrestes geltende Regelung auch für das Retentionsverfahren als analog
anwendbar erklärt. Das für die Aufrechterhaltung des Retentionsbeschlages
erforderliche Verfahren wird dem Miet- oder Pachtzinsgläubiger im Formular
Nr. 40, der sogenannten Retentions-Urkunde, bekanntgegeben. Das verhielt
sich auch im vorliegenden Falle so, wie sich aus der Urkunde vom 2. März
1976 ergibt.

    Wird in der Prosequierungsbetreibung vom Schuldner Rechtsvorschlag
erhoben und darin nicht nur die Forderung, sondern ausdrücklich auch
das Retentionsrecht bestritten, wie das hier nach den Feststellungen
im angefochtenen Entscheid der Fall war, so kann demnach der Gläubiger
innert 10 Tagen entweder Klage auf Anerkennung der Forderung und des
Retentionsrechts erheben oder innert der gleichen Frist Rechtsöffnung
verlangen. Beschreitet er den zweiten Weg, muss er in Analogie zu Art. 278
Abs. 2 SchKG innert 10 Tagen nach Mitteilung des Rechtsöffnungsentscheides
Klage erheben, falls sein Rechtsöffnungsgesuch abgewiesen wird. Beim
Retentionsrecht ergibt sich die Besonderheit, dass von Bundesrechts wegen
keine einheitliche Ordnung darüber besteht, ob im Rechtsöffnungsverfahren
auch die Frage des Retentionsrechts geprüft werden kann oder ob dies nur
im Rahmen eines ordentlichen Prozesses möglich ist. Das Bundesgericht hat
in Berücksichtigung der sich hieraus ergebenden Unsicherheit entschieden,
dass der Gläubiger in jedem Fall ohne Gefahr des Rechtsverlustes zuerst
den Weg des Rechtsöffnungsverfahrens beschreiten kann. Ergibt sich dann
auf Grund des Rechtsöffnungsentscheides deutlich, dass das Retentionsrecht
entweder verneint wird oder dass zu seiner Beurteilung eine ordentliche
Klage notwendig ist, so muss entsprechend Art. 278 Abs. 2 SchKG innert
10 Tagen nach Mitteilung des Entscheids Klage erhoben werden, ansonst der
Retentionsbeschlag dahinfällt (BGE 76 III 23, 71 III 19 f., 62 III 10 ff.;
FRITZSCHE, Schuldbetreibung und Konkurs, 2. Aufl., Bd. II, S. 260 f.).

    b) Im vorliegenden Fall ergibt sich sowohl aus dem von der Rekurrentin
eingereichten Rechtsöffnungsentscheid des Amtsgerichtspräsidenten von
Willisau vom 5. Juli 1976 wie auch aus dem angefochtenen Entscheid
selber, dass die provisorische Rechtsöffnung nur für die Forderung (mit
Ausnahme eines Teilbetrages) erteilt, der Gläubiger für die Feststellung
des Retentionsrechts aber auf den Klageweg verwiesen wurde. Der
Rechtsöffnungsentscheid ist diesbezüglich klar und deutlich. Nach den
vorstehend dargelegten Grundsätzen hätte der Gläubiger und Rekursgegner
unter diesen Umständen innert 10 Tagen nach Mitteilung des (von
keiner Seite angefochtenen) Rechtsöffnungsentscheides ohne weiteres
Klage auf Anerkennung des Retentionsrechtes erheben müssen. Eine
Fristansetzung durch das Betreibungsamt ist weder erforderlich noch
zulässig. Die Anordnung in Ziff. 2 des Dispositivs des angefochtenen
Entscheids verstösst deshalb gegen Bundesrecht und muss aufgehoben
werden. Bliebe sie bestehen, so würde dem Rekursgegner damit ein Weg zur
Aufrechterhaltung des Retentionsbeschlages im hier streitigen Umfang
eröffnet, nachdem dieser Beschlag durch Nichteinhaltung der mit der
Mitteilung des Rechtsöffnungsentscheids in Gang gesetzten Klagefrist
bereits dahingefallen ist.

    c) Was der Rekursgegner hiegegen vorbringt, schlägt nicht
durch. Entgegen seiner Ansicht trifft es nicht zu, dass das
Bundesrecht nicht regelt, wie der Vermieter vorzugehen hat, wenn im
Rechtsöffnungsverfahren nicht über das Retentionsrecht entschieden
wird. Vielmehr ergibt sich aus dem zitierten Kreisschreiben und den
angeführten Entscheiden des Bundesgerichts, dass der Vermieter in diesem
Falle innert 10 Tagen von sich aus und ohne weitere Fristansetzung Klage
auf Anerkennung des Retentionsrechts einzuleiten hat. Erforderlich ist
einzig, dass aus dem Rechtsöffnungsentscheid unzweifelhaft hervorgeht,
dass über das Retentionsrecht nicht geurteilt worden ist, was hier auch
nach der Auffassung des Rekursgegners zutrifft. Wenn dieser ausführt,
es sei unlogisch, dass der Vermieter nach erteilter Rechtsöffnung für
die Forderung überhaupt noch auf Anerkennung des Retentionsrechts klagen
müsse, richtet er sich damit nicht nur gegen das Kreisschreiben und die
feststehende bundesgerichtliche Praxis, sondern er verkennt auch, dass das
Retentionsrecht noch von anderen Voraussetzungen als nur dem Bestand der
Forderung abhängig ist. Wollte man in einem Fall wie dem vorliegenden eine
Fristansetzung zur Klage auf Anerkennung des Retentionsrechts verlangen,
wie es der Rekursgegner in Übereinstimmung mit dem angefochtenen Entscheid
tut, so widerspräche dies der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichts,
an der im Interesse des Mieters festzuhalten ist. Die Fristansetzung ist ja
bereits in Form des - allerdings allgemein formulierten - Aufdrucks auf der
Retentionsurkunde erfolgt. Sie nachträglich nochmals vornehmen zu lassen,
würde zwar der Aufklärung des Vermieters dienen, praktisch aber zu einer
Verlängerung der 10tätigen Klagefrist führen, die in Analogie zu Art. 278
Abs. 2 SchKG von der Mitteilung des Rechtsöffnungsentscheides an läuft. Dem
auf die Wahrung des Retentionsbeschlages bedachten Vermieter muss eine
entsprechende Sorgfalt zugemutet werden. Das gilt auch hinsichtlich des
sich nach kantonalem Recht bestimmenden Gerichtsstandes.