Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 102 IB 254



102 Ib 254

43. Urteil des Kassationshofes vom 17. September 1976 i.S. B. gegen
Justizdirektion des Kantons Zürich Regeste

    Art. 376 und 377 StGB. Verdienstanteil.

    Auslagen, die ein Häftling durch Disziplinarvergehen verschuldet,
dürfen in beschränktem Umfange aus seinem Verdienstanteil gedeckt werden.

Sachverhalt

    A.- B. wurde am 26. September 1975 vom Obergericht des Kantons
Zürich wegen gewerbsmässigen Diebstahls, wiederholter Sachbeschädigung
und wiederholten Hausfriedensbruches zu 18 Monaten Zuchthaus, abzüglich
71 Tage Untersuchungshaft, verurteilt. Er hatte die Strafe vorzeitig am
9. Juli 1975 in der Strafanstalt Regensdorf angetreten.

    B. kehrte am 16. November 1975 von einem Urlaub nicht mehr in die
Anstalt zurück. Er wurde später in Uznach verhaftet und am 1. April
1976 von der Polizei nach Regensdorf gebracht. Für die entstandenen
Transport- und Verpflegungskosten stellte sie im Gesamtbetrag von Fr. 98.50
Rechnung. Diese wurde von der Strafanstalt Regensdorf beglichen, die für
den entsprechenden Kostenbetrag das Guthaben des B. aus Verdienstanteil
belastete.

    B. ersuchte am 9. Mai 1976 die Direktion der Strafanstalt, die von
seinem Guthaben abgezogenen Kosten dem Staat aufzuerlegen. Die Direktion
lehnte das Begehren unter Hinweis auf die Praxis ab.

    Die Justizdirektion des Kantons Zürich, an die B. Rekurs erhob,
wies diesen als letzte kantonale Instanz am 9. Juni 1976 ab.

    B. führt rechtzeitig Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag,
den Entscheid der Justizdirektion aufzuheben und den Betrag von Fr. 98.50
seinem Guthaben aus Verdienstanteil wieder gutzuschreiben.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Art. 376 ff. StGB handeln vom Verdienstanteil, der den Häftlingen
für die während eines Freiheitsentzuges erbrachten Arbeitsleistungen zu
entrichten ist. Das sog. Peculium dient nebst der Deckung von Auslagen, die
während des Vollzuges einer Strafe oder Massnahme entstehen, hauptsächlich
dem Ziel, dem Häftling den Wiedereintritt in das bürgerliche Leben
zu erleichtern, namentlich die Mittel für den Lebensunterhalt während
der ersten Wochen nach der Entlassung zu sichern. Art. 377 Abs. 1 StGB
bestimmt daher, dass der Verdienstanteil gutzuschreiben ist und erst bei
der Entlassung zur Verfügung gestellt werden darf. Inwieweit und zu welchen
Zwecken das Peculium während des Anstaltsaufenthaltes verbraucht werden
darf, bestimmt nicht das Gesetz selber; es verweist in Art. 377 Abs. 2
StGB vielmehr auf die Anstaltsreglemente, die hierüber zu bestimmen haben.

    Auch wenn das Anstaltsreglement von Regensdorf den vorliegenden Fall
nicht ausdrücklich regelt, ist davon auszugehen, dass der Verdienstanteil
seinem Wesen nach nicht ausschliesslich eine Entlöhnung für geleistete
Arbeit ist, sondern auch erzieherischen Zwecken dient. Art. 376 StGB
schreibt selber vor, dass für die Höhe des Verdienstanteils neben der
Arbeitsleistung auch das allgemeine Verhalten des Häftlings massgebend sei,
womit erreicht werden will, dass sich der Gefangene im eigenen Interesse
um eine gute Führung bemüht und sich am Arbeitsplatz bewährt. Das
StGB erlaubt somit, das Peculium bei schlechter Führung des Häftlings
herabzusetzen. Die Verordnung über die kantonale Strafanstalt Regensdorf
zählt denn auch die Kürzung des auszuzahlenden Barbetrages ausdrücklich
zu den Disziplinarstrafen (§ 58 lit. e). Bilden aber Disziplinarverstösse
einen Grund zur Herabsetzung des Verdienstanteils, so ist es grundsätzlich
gerechtfertigt, den Verdienstanteil auch zur Deckung von Schäden und
Auslagen, die vom Häftling durch Disziplinarvergehen verschuldet werden,
heranzuziehen, vorausgesetzt, dass das Peculium nicht durch zu hohe Abzüge
seiner Zweckbestimmung entfremdet wird. Die Zulässigkeit der Verwendung
des Verdienstanteils zur Bezahlung ausgewiesener Forderungen gegenüber
einem Häftling wird auch durch die Gesetzesmaterialien bestätigt. Zunächst
wollte die nationalrätliche Kommission den bundesrätlichen Entwurf durch
eine weitere Bestimmung ergänzen, welche die Möglichkeit der Verrechnung
mit dem Verdienstanteil ausschliessen sollte. Die ständerätliche Kommission
lehnte jedoch unter Hinweis auf gewisse Forderungen wie Gerichtskosten,
Bussen, Alimente usw. eine solche Lösung als zu weitgehend ab, worauf ihr
Gegenantrag auf Zulassung der Verrechnung in beiden Räten Zustimmung fand
(Sten. Verhandlungsberichte 1928-1937, NR 1930 S. 593, StR 1931 S. 250,
NR 1934 S. 721). Eine Änderung dieser Ordnung wäre nur durch Revision
von Gesetz und Verordnung zu erreichen.

Erwägung 2

    2.- Im vorliegenden Fall, wo der Beschwerdeführer als Häftling
disziplinwidrig aus dem Urlaub nicht mehr in die Anstalt zurückgekehrt
ist und deshalb polizeilich zurückgeschafft werden musste, war es
mit dem Zweckgedanken des Peculiums nicht unvereinbar und somit nicht
bundesrechtswidrig, wenn die polizeilichen Auslagen der Rückführung
und Verpflegung, die weniger als Fr. 100.-- betrugen, dem entwichenen
Gefangenen auferlegt wurden und wenn die Anstaltsleitung zur Tilgung
der Schuld das Guthaben des Beschwerdeführers aus Verdienstanteil im
entsprechenden Betrag kürzte.

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird abgewiesen.