Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 102 IB 241



102 Ib 241

39. Auszug aus dem Urteil vom 10. Dezember 1976 i.S. Heller gegen Schweiz.
Eidgenossenschaft Regeste

    Beamtenrecht.

    Anspruch des Beamten auf Vergütungen für ausserordentliche
Dienstleistungen nach Art. 44 Abs. 1 lit. f BtG; Voraussetzungen.

Sachverhalt

    A.- Der Beschwerdeführer, der als Technischer Mitarbeiter bei der
Eidg. Konstruktionswerkstätte Thun in der 8. Besoldungsklasse eingereiht
ist, gelangte gegen den Entscheid des Eidg. Militärdepartements,
in dem sowohl seine Beförderung in die 7. Besoldungsklasse als auch
die Ausrichtung einer Zulage abgelehnt wurden, an den Bundesrat und
verlangte die Beförderung oder die Zusprechung einer Vergütung. Der
Bundesrat lehnte die Beförderung ab und überwies die Sache hinsichtlich
der Vergütung zuständigkeitshalber an das Bundesgericht. Dieses beurteilt
die Sache im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren (Bestätigung
der Rechtsprechung von BGE 101 Ib 105; nachfolgend nicht publizierte
Erwägung 1 des Urteils) und weist die Beschwerde ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                         Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Für ausserordentliche Dienstleistungen hat der Beamte nach
Art. 44 Abs. 1 lit. f BtG und Art. 52 Abs. 3 BO I Anspruch auf Vergütung.
Beim Begriff der ausserordentlichen Dienstleistung handelt es sich um
einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der Verwaltung einen gewissen
Beurteilungsspielraum einräumt. Die vorgesetzte Verwaltungsbehörde
ist nämlich besser als der Richter im verwaltungsgerichtlichen
Beschwerdeverfahren in der Lage, im Einzelfall und unter Berücksichtigung
der gesamten Arbeitsstruktur, in welche die Stelle des einzelnen
Beamten eingeordnet ist, zu beurteilen, ob bestimmte Dienstleistungen dem
ordentlichen Aufgabenkreis eines Beamten zuzuordnen sind, oder ob es sich
um solche handelt, die nicht zu seinen normalen Obliegenheiten gehören,
aber zur Bewältigung einer besonderen Situation erforderlich sind. Bei
der Beurteilung einer Verwaltungsverfügung, welche sich über den Anspruch
und das Ausmass einer Vergütung für ausserordentliche Dienstleistung
ausspricht, muss sich das Bundesgericht daher Zurückhaltung auferlegen. Es
hat in der Regel nur dann einzuschreiten, wenn die angefochtene Verfügung
offensichtlich der Zwecksetzung des Beamtenrechts zuwiderläuft.

    a) Ausgangspunkt für die Beurteilung der Frage, ob ein Beamter eine
den normalen Pflichtenkreis übersteigende Sonderleistung erbringen muss,
die einen Anspruch auf Vergütung begründen könnte, ist die Umschreibung des
Tätigkeitsbereiches einer bestimmten Stelle, nämlich das Pflichtenheft. Was
der Beamte im Rahmen seines Pflichtenheftes und unter normalen
Verhältnissen zu leisten hat, ist keine ausserordentliche Dienstleistung;
denn aufgrund der Bewertung der im Pflichtenheft umschriebenen Tätigkeit
ist seine Einreihung in eine bestimmte Besoldungsklasse vorgenommen worden.

    Anspruch auf Vergütung für ausserordentliche Dienstleistungen kann
grundsätzlich der Beamte erheben, der Arbeiten zu übernehmen hat, die
nicht im Bereich der ihm gemäss Pflichtenheft auferlegten Tätigkeiten
liegen. In diesem Sinne können als ausserordentliche Dienstleistungen
solche betrachtet werden, die gänzlich ausserhalb des normalen
Tätigkeitsbereiches liegen und damit überhaupt nicht in Zusammenhang
stehen; in Betracht fallen aber auch Dienstleistungen, die zwar in engem
Zusammenhang mit dem ordentlichen Aufgabenkreis stehen, aber über die im
Pflichtenheft umschriebenen Aufgaben hinausreichen. Dabei kann es sich
um einmalige ausserordentliche Leistungen handeln, aber auch um solche
von längerer Dauer. Eine dauernde Zulage wird sich dann rechtfertigen
lassen, wenn der Beamte anhaltend Leistungen zu erbringen hat, die über
die im Pflichtenheft umschriebenen Aufgaben hinausgehen, aber nicht
einen derartigen Umfang annehmen, dass Grund zur Neuumschreibung des
Pflichtenheftes und zur Einreihung in eine höhere Gehaltsklasse besteht. Ob
eine Vergütung für ausserordentliche Dienstleistungen auszurichten ist,
kann sich aber auch in Fällen fragen, da der Beamte im Rahmen seines
Pflichtenheftes Überstunden zu leisten hat, weil er seine Aufgabe in
der ordentlichen Arbeitszeit nicht bewältigen kann, oder wo er aufgrund
geänderter Arbeitsbedingungen die ihm durch das Pflichtenheft übertragenen
Aufgaben nur durch ausserordentlichen Einsatz zu erfüllen vermag (Urteile
Imhof vom 31. Oktober 1975 E. 3b und Ammann vom 14. März 1975 E. 4 mit
Hinweis auf die Botschaft zum BtG in BBl 1924 III 1972).

    b) Der Aufgabenbereich des Beschwerdeführers, so wie er
im Pflichtenheft vom 28. Juni 1973 umschrieben ist, umfasst die
Sachbearbeitung auf dem gesamten Gebiete der Oberflächenbehandlung sowie
die Mitarbeit in der AVOR und in der Kalkulation. Die Erfüllung der mit
diesem ausgedehnten Pflichtenheft überbundenen Aufgaben setzt gründliche
Kenntnisse in verschiedenen Gebieten, wie jenem der Oberflächentechnik,
der Vorbehandlungsverfahren, der Anstrichstoffe, der Beschichtungen, der
Applikationen, der Galvanotechnik und der Metallspritztechnik voraus. Es
bedarf - wie dies die begutachtende Kommission für Stellenbewertung in
der allgemeinen Bundesverwaltung in ihrem Gutachten vom 21. Februar
1975 angedeutet hat - vielseitiger beruflicher Fähigkeiten, die der
Beschwerdeführer anerkanntermassen besitzt. Die Akten lassen auch erkennen
- und das Eidg. Militärdepartement stellt dies keineswegs in Abrede -,
dass der Beschwerdeführer aufgrund ausgezeichneter und ausgedehnter
Berufskenntnisse und wegen seines grossen Einsatzes fähig ist, die ihm
übertragenen Aufgaben zu bewältigen. Nichts deutet indes darauf hin, dass
er Aufgaben (oder auch Aufgaben) erfüllen muss, die über das hinausgehen,
was von ihm nach Pflichtenheft verlangt wird. Für seine Leistungen
im Rahmen des Pflichtenheftes wird der Beschwerdeführer entsprechend
seiner besoldungsklassenmässigen Einteilung entlöhnt. Über diese ist
letztinstanzlich durch den Bundesrat befunden worden; das Bundesgericht
hat sich hierzu mangels Zuständigkeit nicht zu äussern. Namentlich
kann im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren nachträglich keine
Korrektur dieser Einreihung auf dem Umweg über die Vergütung nach Art. 44
BtG erwirkt werden.

    Eine Vergütung nach Art. 44 Abs. 1 lit. f BtG käme somit im
vorliegenden Fall nur in Frage, wenn der Beschwerdeführer in einem ins
Gewicht fallenden Ausmass Überstunden zu leisten hätte, weil er trotz
grossen Einsatzes die ihm durch das Pflichtenheft übertragenen Aufgaben
in der ordentlichen Arbeitszeit nicht bewältigen könnte; oder aber, wenn
der Beschwerdeführer aufgrund geänderter Arbeitsbedingungen die ihm durch
das Pflichtenheft übertragenen Aufgaben nur durch Leistung eines ganz
ausserordentlichen Einsatzes zu erfüllen vermöchte. Beides ist nicht der
Fall. Aus den Akten ist ersichtlich, dass sich die vom Beschwerdeführer
in den Jahren 1972 bis 31. Juli 1975 geleistete Überzeit in bescheidenem
Rahmen bewegt. Sollte sich an diesem Zustand in dem Sinne etwas ändern,
dass die zeitliche Beanspruchung inskünftig und längere Zeit über das
unter normalen Verhältnissen Zumutbare hinausgehen würde, beispielsweise
aufgrund der Projekt-Studien für ein neues Oberflächen-Behandlungs-Zentrum,
ist es dem Beschwerdeführer unbenommen, eine entsprechende Vergütung für
die Leistung von Überzeit zu beanspruchen. Was anderseits den grossen und
qualifizierten Einsatz anbelangt, der vom Beschwerdeführer verlangt wird
und den er auch leistet, wird diesem bereits durch die Einreihung in der 8.
Besoldungsklasse Rechnung getragen, denn die breitgefächerten Aufgaben des
Beschwerdeführers sind - wie dargelegt - Bestandteil seines Pflichtenheftes
und bildeten die Grundlage für die besoldungsklassenmässige Einreihung.

    Das als verwaltungsrechtliche Klage vom Bundesrat dem Bundesgericht
überwiesene Rechtsmittel erweist sich somit als unbegründet und ist
abzuweisen.