Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 102 IA 468



102 Ia 468

66. Urteil vom 6. Oktober 1976 i.S. Buchdruckerei Elgg AG gegen
evangelisch-reformierte Kirchgemeinde Elgg und Verwaltungsgericht des
Kantons Zürich Regeste

    Kirchensteuerpflicht juristischer Personen; Art. 49 Abs. 6 BV, Art. 4
BV, Art. 9 EMRK.

    Die Kirchensteuerpflicht juristischer Personen ist mit Art. 49 Abs. 6
BV und Art. 4 BV grundsätzlich vereinbar (Bestätigung der bisherigen
Rechtsprechung). Sie verstösst auch nicht gegen Art. 9 EMRK.

Sachverhalt

    A.- Gemäss § 150 des Zürcher Gesetzes über die direkten Steuern vom
8. Juli 1951 (StG) erheben die staatlich anerkannten Kirchgemeinden
von den Angehörigen ihrer Konfession und den juristischen Personen
die Kirchensteuer. Juristische Personen, welche konfessionelle Zwecke
verfolgen, haben die Kirchensteuer nur der Kirchgemeinde dieser Konfession
zu entrichten (§ 150 Abs. 2 StG). Die übrigen juristischen Personen
bezahlen die Kirchensteuer anteilsmässig allen im nämlichen Gebiet
staatlich anerkannten Kirchgemeinden, wobei die Anteile nach der Zahl der
steuerpflichtigen natürlichen Personen, welche den einzelnen staatlich
anerkannten Kirchgemeinden angehören, berechnet werden (Art. 152 Abs. 1
und 2 StG).

    Gestützt auf diese gesetzlichen Grundlagen wurde die Buchdruckerei
Elgg AG für 1974 zur Bezahlung einer reformierten Kirchensteuer von
Fr. 16.70 und einer römisch-katholischen Kirchensteuer von Fr. 9.75
verpflichtet. Sie führt hiegegen, nachdem sie sich erfolglos an die
Finanzdirektion und hernach an das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich
gewandt hat, wegen Verletzung von Art. 4 und Art. 49 Abs. 1 und 6 BV,
Art. 64 KV und Art. 9 EMRK staatsrechtliche Beschwerde. Diese richtet
sich aus verfahrensrechtlichen Gründen - nicht formgerechte Anfechtung
der römisch-katholischen Kirchensteuer vor den kantonalen Instanzen -
formell nurmehr noch gegen die Erhebung der reformierten Kirchensteuer.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die Beschwerdeführerin ist eine juristische Person mit Sitz
in Elgg. In dieser politischen Gemeinde bestehen zwei staatlich
anerkannte Kirchgemeinden, eine evangelisch-reformierte und eine
römisch-katholische. Die Beschwerdeführerin selber verfolgt keine
konfessionellen Zwecke. Nach der im Kanton Zürich geltenden gesetzlichen
Regelung (§§ 150/152 StG) hat sie den beiden Kirchgemeinden anteilsmässig
Kirchensteuer zu bezahlen. Dass die angefochtene Besteuerung in richtiger
Anwendung des kantonalen Rechts erfolgte, ist unbestritten. Die
Beschwerdeführerin macht jedoch geltend, die Kirchensteuerpflicht
juristischer Personen verstosse gegen Art. 4 und Art. 49 Abs. 1 und 6 BV,
Art. 64 KV sowie Art. 9 EMRK.

    Wie schon das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich festgestellt hat,
kommt der Berufung auf Art. 64 KV keine selbständige rechtliche Bedeutung
zu, da diese Vorschrift der Kantonsverfassung die Glaubens-, Gewissens-
und Kultusfreiheit nach Massgabe des Bundesrechts gewährleistet und dem
Einzelnen keine zusätzlichen, über die Garantien der Bundesverfassung
hinausgehenden Rechte einräumt. Die Rüge eines Verstosses gegen Art. 64
Abs. 1 KV fällt daher mit der Rüge der Verletzung von Art. 49 BV zusammen.

Erwägung 2

    2.- Art. 49 BV enthält in Absatz 1 den Grundsatz, dass die Glaubens-
und Gewissensfreiheit unverletzlich ist. Die Abs. 2 bis 6 umschreiben die
Auswirkungen und Grenzen (vgl. Abs. 5) der verfassungsmässigen Glaubens-
und Gewissensfreiheit in einzelnen Lebensbereichen.

    Abs. 6 bezieht sich auf die Steuerpflicht: Die Vorschrift setzt
voraus, dass Steuern speziell für eigentliche Kultuszwecke einer
Religionsgenossenschaft erhoben werden dürfen, und macht dann die
Einschränkung, dass niemand gehalten sei, solche Kultussteuern für eine
Religionsgenossenschaft zu bezahlen, der er nicht angehöre.

    a) Das Bundesgericht hat in ständiger Rechtsprechung seit 1878
entscheiden, dass sich juristische Personen nicht auf Art. 49 Abs. 6
BV berufen könnten, da diese Bestimmung ein Ausfluss der in Art. 49
Abs. 1 BV gewährleisteten Glaubens- und Gewissensfreiheit sei, also eines
Freiheitsrechtes, das seiner Natur nach nur natürlichen Personen zustehe
(BGE 4 S. 536 f., 539, 541; 9 S. 416; 17 S. 557 ff.; 35 I 333 ff.; 41
I 158 ff.; 52 I 108 ff.; nicht veröffentlichte Urteile vom 24. Mai 1940
i.S. Dr. A. Wander u. Kons. sowie vom 23. Dezember 1947 i.S. Société
coopérative "La Fraternelle und Kons.", vgl. auch BGE 95 I 353).

    In der Rechtslehre ist diese Praxis von namhaften Autoren kritisiert
worden (BURCKHARDT, Kommentar der schweizerischen Bundesverfassung,
3. A., S. 462; E. BLUMENSTEIN, System des Steuerrechts, 3. A., S. 44 f.;
J. BLUMENSTEIN, Zur Frage der Kirchensteuerpflicht juristischer Personen,
ASA 26 S. 113 ff.; FLEINER-GIACOMETTI, Schweizerisches Bundesstaatsrecht,
S. 320 f.; R. EGGER, Das Subjekt der Kultussteuern in der Schweiz,
Diss. Bern 1942 S. 68 ff., 117 ff.; SALADIN, Grundrechte im Wandel,
S. 29 Anm. 89; vgl. auch AUBERT, Traité de droit constitutionnel suisse,
Nr. 2016 u. 2023). Die jüngste Zusammenfassung der Diskussion findet sich
bei JEAN-PIERRE BAGGI, La struttura giuridica dell'imposta ecclesiastica,
Freiburg 1971, S. 146 ff. Schon R. VON REDING-BIBEREGG äusserte 1885 in
seiner vom schweizerischen Juristenverein ausgezeichneten Preisschrift
(Über die Frage der Kultussteuern ...) Bedenken gegen die Zulässigkeit der
Besteuerung juristischer Personen und schlug vor, der Bundesgesetzgeber
solle sie inskünftig "kultussteuerfrei" erklären. Er anerkannte aber,
dass der Begründung, mit welcher das Bundesgericht Art. 49 Abs. 6 BV
nicht auf juristische Personen anwende, die Berechtigung, Klarheit und
Konsequenz nicht abgesprochen werden könne (S. 84).

    Den Kritikern, die mit unterschiedlicher Begründung die Erhebung
einer Kultussteuer bei juristischen Personen für verfassungswidrig halten,
steht eine Gruppe von Autoren gegenüber, welche der bundesgerichtlichen
Rechtsprechung zustimmen (LANGHARD, Die Glaubens- und Kultusfreiheit
nach schweizerischem Bundesrecht, Bern 1888, S. 74; HOLENSTEIN,
Die konfessionellen Artikel und der Schulartikel der schweizerischen
Bundesverfassung, Olten 1931, S. 289 unten; VASELLA, Die Rechtsverhältnisse
des katholischen Kirchenvermögens im Kantons Graubünden, Diss. Freiburg
1933, S. 180 f.; NOSER, Pfarrei und Kirchgemeinde, Diss. Freiburg 1957,
S. 158 f.; STIRNIMANN, Die Kultussteuerpflicht der juristischen Personen,
in ZBl 59/1958, S. 289 ff.; REIMANN/ZUPPINGER/SCHÄRRER, Kommentar zum
Zürcher StG, N 34 zu § 150 StG).

    b) Trotz der in der Rechtslehre - zum Teil mit Nachdruck - geäusserten
Bedenken hat nicht nur das Bundesgericht an seiner restriktiven Auslegung
von Art. 49 Abs. 6 BV festgehalten, sondern in der Gesetzgebung der
Kantone wurde mit Zustimmung der politischen Organe (Parlament und Volk)
die Kirchensteuerpflicht juristischer Personen ausgebaut und in einzelnen
Kantonen neu eingeführt. Bestimmungen kantonaler Verfassungen, welche
ausdrücklich vorsehen, dass juristische Personen der Kirchensteuerpflicht
unterliegen, hat die Bundesversammlung die Gewährleistung erteilt (KV
Nidwalden Art. 90 Abs. 2, Gewährleistungsbeschluss vom 12. Dezember 1974;
KV Graubünden Art. 11 Abs. 6, Gewährleistungsbeschluss vom 30. April
1959). Die Kirchensteuerpflicht juristischer Personen ist also heute sogar
in einzelnen kantonalen Verfassungsnormen verankert, die gemäss bisheriger
ständiger Praxis vom Bundesgericht nicht auf ihre Übereinstimmung mit der
Bundesverfassung überprüft werden können (BGE 83 I 181 E. 6, 89 I 392,
99 Ia 663 E. 5a, 100 Ia 364 E. 5b). Für das zürcherische Recht gilt diese
Beschränkung der bundesgerichtlichen Kognitionsbefugnis aber nicht.

    c) Die Verfassungsmässigkeit der Kirchensteuerpflicht juristischer
Personen ist in der Doktrin - trotz der Konstanz der Rechtsprechung -
umstritten geblieben. Die Entwicklung der kantonalen Gesetzgebung hat
den gegen die Besteuerung erhobenen Bedenken jedoch kaum Rechnung getragen.

    In einer Zeit starker gesellschaftlicher Wandlungen mag es angezeigt
sein, dass das Bundesgericht seine seit 1878 vertretene Interpretation
von Art. 49 Abs. 6 BV grundsätzlich neu überprüft und untersucht, ob neue
Argumente und Erkenntnisse eine Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung zu
rechtfertigen vermögen.

Erwägung 3

    3.- Gegen die Heranziehung juristischer Personen zur
Kirchensteuer wurde und wird immer wieder eingewendet, Voraussetzung der
Kirchensteuerpflicht müsse die Zugehörigkeit zur steuerberechtigten Kirche
sein; da juristische Personen einer Religionsgemeinschaft nicht angehören
könnten, fehle von vornherein die unerlässliche persönliche Verbindung
zum steuerberechtigten Gemeinwesen (vgl. BURCKHARDT aaO, BLUMENSTEIN aaO,
SALADIN aaO).

    a) Im Sinne dieser Argumentation hat das deutsche
Bundesverfassungsgericht durch Urteil vom 14. Dezember 1965 in
Auslegung von Art. 2 Abs. 1 des deutschen Grundgesetzes (Recht auf
freie Entfaltung der Persönlichkeit) die lediglich im ehemaligen Lande
Baden noch bestehende Kirchenbausteuerpflicht juristischer Personen als
verfassungswidrig erklärt. In der Begründung wurde vor allem festgestellt,
dass das Grundgesetz dem Staat verbiete, einer Religionsgesellschaft
hoheitliche Befugnisse gegenüber Personen zu verleihen, die keiner
Religionsgesellschaft angehören (BVerfGE 19 Nr. 27). Für die deutsche
Bundesrepublik gilt somit heute die Regel, dass die Kirchensteuerpflicht
sich auf Kirchenangehörige beschränkt und nicht auf juristische
Personen ausgedehnt werden darf. Das Bundesverfassungsgericht hat in
den Motiven seines Entscheides hervorgehoben, dass es Landeskirchen
im Sinne der ursprünglichen Bedeutung des Begriffes nicht mehr gebe,
die früheren Landeskirchen hätten nicht mehr den Rechtscharakter von
Gebietskörperschaften, die territoriale Grundlage sei schon in der
Weimarer Verfassung durch eine reine Personalgrundlage ersetzt worden
(BVerfGE 19 S. 216/17).

    b) Der Wortlaut von Art. 49 Abs. 6 BV könnte rein sprachlich gesehen
dahin interpretiert werden, dass Kirchenzugehörigkeit, Zugehörigkeit zur
steuerberechtigten Religionsgenossenschaft, eine unabdingbare Voraussetzung
der Kirchensteuerpflicht sei und dass folglich juristische Personen,
die nach der Natur der Sache nicht einer Kirche angehören, auch der
Kirchensteuerpflicht nicht unterliegen können.

    Geht man aber von der Entstehungsgeschichte des Art. 49 Abs. 6 BV aus,
die VON REDING-BIBEREGG (aaO S. 40 ff.) 1885 sehr einlässlich dargestellt
hat, so sieht man, dass das Anliegen der Bundesversammlung in den Jahren
vor 1872 und 1874 ausschliesslich darauf ging, natürliche Personen gegen
die Besteuerung durch eine Religionsgemeinschaft, der sie nicht angehören,
zu schützen. Dies war das Anliegen, um das in den Eidg. Räten intensiv
gerungen wurde. Das Problem der juristischen Personen war gar nicht
im Blickfeld der Bundesversammlung. Auch der bundesrätliche Entwurf
vom 26. November 1875 zu einem diesbezüglichen Ausführungsgesetz, das
in der Folge nie zustande kam, befasste sich nicht mit dieser Frage,
sondern einzig mit der Kirchensteuerpflicht der natürlichen Personen
(BBl 1875 IV 971 ff.; VON SALIS, Schweiz. Bundesrecht III Nr. 1019). Dies
führte das Bundesgericht schon in seinen ersten Entscheiden im Jahre 1878
(BGE 4 S. 536 f., 539, 541) dazu, den in Art. 49 Abs. 6 BV verankerten
Grundsatz nicht auch auf juristische Personen anzuwenden. Es erblickte
in dieser Verfassungsvorschrift lediglich eine Norm zum Schutze der in
ihrer Glaubens- und Gewissensfreiheit berührten natürlichen Personen
vor Steuern für eine Religionsgenossenschaft, der sie nicht oder nicht
mehr angehören. Nach dieser Auslegung schafft Art. 49 Abs. 6 BV nicht ein
positives Erfordernis der Kirchenzugehörigkeit als verfassungsrechtliche
Voraussetzung für die Erhebung der Kultussteuer, sondern bestimmt rein
negativ, dass die nicht zur steuerberechtigten Kirche gehörende natürliche
Person wegen der ihr zustehenden Glaubens- und Gewissensfreiheit nicht
zur Bezahlung von Kirchensteuern verpflichtet werden darf.

    Diese restriktive Interpretation ist auch auf dem Hintergrund der
öffentlich-rechtlichen Stellung der anerkannten und mit der Befugnis
zur Steuererhebung ausgestatteten Kirchen zu sehen. Mit Abs. 6 von
Art. 49 BV wollte der Verfassungsgeber nicht verbieten, dass die Kantone
das Kirchenwesen als eine öffentliche Aufgabe betrachten, es aus den
allgemeinen Mitteln des Staates finanzieren (Staatskirchen) oder die
Gemeinden anerkannter Landeskirchen als Gebietskörperschaften ausgestalten
- als Gebietskörperschaften, die analog den politischen Gemeinden ihre
finanziellen Bedürfnisse durch Erhebung voraussetzungsloser Abgaben
(Steuern) von den ihrer Gebietshoheit unterworfenen Steuerpflichtigen
befriedigen können. Historisch gesehen haben sich die anerkannten
Landeskirchen im Laufe des 19. Jahrhunderts aus der Gesamtorganisation des
Staates herausgelöst und unter Wahrung gewisser hoheitlicher Befugnisse
(Besteuerungsrecht) verselbständigt. In die den Kantonen überlassene,
unterschiedliche, öffentlich-rechtliche Ordnung des Verhältnisses
Staat-Kirche wollte Art. 49 Abs. 6 BV nicht grundlegend eingreifen. Mag
auch im Laufe der Jahrzehnte das Bild der Kirchgemeinde sich im
Bewusstsein breiter Schichten von dieser Konzeption der territorial
begrenzten Gebietskörperschaft entfernt haben, so blieb doch in manchen
Kantonen die rechtliche Struktur der Kirchgemeinde als Gebietskörperschaft
weitgehend erhalten und der unveränderte Art. 49 Abs. 6 BV, der eine solche
Regelung nicht verbieten wollte, kann auch heute nicht als Hindernis einer
territorial begründeten kirchlichen Steuerhoheit interpretiert werden. Die
primär territoriale Grundlage der Kirchensteuerpflicht zeigt sich auch
in der Zulässigkeit der Erhebung der Kirchensteuer von nicht in der
steuerberechtigten Kirchgemeinde wohnhaften Eigentümern eines Grundstückes
(BGE 98 Ia 406). Gestattet die Bundesverfassung die Verleihung einer
abgeleiteten Kirchensteuerhoheit auf territorialer Basis (in Analogie
zur Steuerhoheit der politischen Gemeinde), dann dürfen folgerichtig
auch die im Gebiet der Kirchgemeinde domizilierten juristischen Personen
zur Kirchensteuer herangezogen werden, und es drängt sich auf, die in
Abs. 6 von Art. 49 BV statuierte Ausnahme von der Kirchensteuerpflicht
im Sinne der bisherigen Praxis restriktiv als eine sich aus der Glaubens-
und Gewissensfreiheit ergebende Schutznorm zugunsten natürlicher Personen
auszulegen.

    Die den strukturellen Hintergrund nicht beachtende, eine
Kirchensteuerpflicht auf reiner Personalgrundlage postulierende Kritik
an der Rechtsprechung dürfte einem gewandelten Verständnis der Kirchen
entsprechen. Die anerkannten Landeskirchen bzw. ihre Kirchgemeinden
werden wohl heute in weiten Kreisen der Bevölkerung nicht mehr als Träger
öffentlicher Aufgaben und hoheitlicher Befugnisse betrachtet, die in
ihrem Bereich den politischen Gemeinden gleichzustellen wären, sondern
eher als den privatrechtlichen Personenverbänden ähnliche Körperschaften
auf rein personeller Grundlage. Im Gegensatz zur verfassungsrechtlichen
Situation, wie sie vom Bundesverfassungsgericht für die Bundesrepublik
Deutschland festgestellt wurde, hat diese zu vermutende Änderung der
Auffassungen im schweizerischen Verfassungsrecht jedoch bis jetzt
keinen Niederschlag gefunden. Was sich gegen die Kirchgemeinden als
Gebietskörperschaften und für Kirchen auf reiner Personalgrundlage
vorbringen lässt, spricht wohl in letzter Konsequenz überhaupt gegen die
privilegierende staatliche Anerkennung einzelner Kirchen und die Verleihung
von Besteuerungsrechten. Solange die Bundesverfassung aber den Kantonen
die Freiheit lässt, das Kirchenwesen als Bereich staatlicher Tätigkeit mit
Steuergeldern zu finanzieren oder diese als öffentliche Aufgabe verstandene
Aktivität öffentlich-rechtlichen Gebietskörperschaften mit Steuerhoheit
zu übertragen, besteht kein Anlass, die dieser abgeleiteten Steuerhoheit
unterworfenen juristischen Personen von der Kirchensteuerpflicht
auszunehmen, weil sie nicht Mitglieder der steuerberechtigten Kirchen sein
können. Die Pflicht zur Leistung von Steuern an ein territorial bestimmtes
Gemeinwesen, das zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe mit Steuerhoheit
ausgestattet wurde, ist nicht von der personellen Zugehörigkeit zu diesem
Gemeinwesen abhängig. Rechtspolitische Gründe, die sich für eine andere
Konzeption von Kirchgemeinde und Landeskirche ins Feld führen lassen,
sind nicht geeignet, die Aufgabe der bisherigen Praxis zu rechtfertigen,
welche mit der herkömmlichen, bis jetzt nicht grundlegend geänderten
Rechtsnatur öffentlich-rechtlicher Kirchgemeinden im Einklang steht.

Erwägung 4

    4.- Ein zweiter häufiger Einwand gegen die Kirchensteuerpflicht
juristischer Personen bildet der Hinweis, hinter der juristischen Person
ständen natürliche Personen (Aktionäre, Gesellschafter), die indirekt
durch die Belastung des ihnen gehörenden Gesellschaftsvermögens mit
Kultussteuern in ihrer Glaubens- und Gewissensfreiheit verletzt sein
könnten. Bei grossen Erwerbsgesellschaften erscheint diese Konstruktion
einer indirekten Verletzung der Glaubens- und Gewissensfreiheit des
einzelnen Gesellschafters gekünstelt und rein theoretisch. Bei einer
Publikumsaktiengesellschaft mit weiter Streuung der Aktien dürfte es
schlechthin ausgeschlossen sein, dass sich der einzelne Aktionär durch
die meistens relativ geringfügige Belastung der Aktiengesellschaft
mit Kirchensteuern irgendwie in seiner persönlichen Glaubens- und
Gewissensfreiheit betroffen fühlen könnte.

    Der Einwand hat dagegen ein gewisses Gewicht, soweit es um kleinere
Unternehmungen geht, die in Form einer juristischen Person organisiert
sind (Familienaktiengesellschaften, Einmann-Aktiengesellschaften). Die
Umwandlung einer Einzelfirma in eine Aktiengesellschaft kann zur Folge
haben, dass die wirtschaftlich einem Konfessionslosen gehörenden
Vermögenswerte, die vorher der Kirchensteuer nicht unterlagen, nun
in der juristischen Person zur Besteuerung für kirchliche Zwecke
herangezogen werden. Möglich ist auch, dass das Steuersubstrat, das
bisher im Rahmen einer konfessionell einheitlichen Familie der Kirche des
eigenen Glaubensbekenntnisses zur Verfügung stand, nach dem Einbringen in
die Aktiengesellschaft teilweise auch zugunsten einer Kirchgemeinde der
andern Konfession besteuert wird. Die Kirchensteuerpflicht juristischer
Personen hat zur Folge, dass der Freidenker, der jede Abgabe für eine
Religionsgemeinschaft vermeiden will, oder der Anhänger einer Kirche,
welcher verhindern will, dass von seinen Steuern der am Ort bestehenden
Gemeinde Andersgläubiger etwas zukommt, ihre geschäftliche Tätigkeit nicht
in Form einer juristischen Person organisieren können. Das vermag bei der
heutigen Ausgestaltung der Individualrechte nicht ganz zu befriedigen. Dass
derjenige, der einen Teil seines Vermögens rechtlich von seiner Person
trennt und im Rahmen einer juristischen Person verselbständigt, neben den
Vorteilen dieser Gestaltung auch deren Nachteile in Kauf zu nehmen hat,
ist jedoch ein allgemeiner Grundsatz. Es erscheint nicht als stossend,
dass derjenige, der für seine geschäftliche Tätigkeit die persönliche
Haftung ausschliesst, sich bei der Besteuerung des als juristische
Person konstituierten Unternehmens nicht auf Elemente seiner subjektiven
Weltanschauung berufen kann. Zudem ist hier daran zu erinnern, dass
der Verfassungsgeber unbestrittenermassen durch Art. 49 Abs. 6 BV nicht
jede Verwendung von Steuern Andersgläubiger oder Konfessionsloser für die
Zwecke einer Kirche, der sie nicht angehören, verbieten wollte; nur von den
speziellen Kultussteuern sollen sie befreit sein; eine dem Kultusbudget
der staatlichen Kirchen entsprechende Rückzahlung von Staatssteuern
war nicht vorgesehen (vgl. BGE 99 Ia 741). Nahm somit der historische
Verfassungsgeber eine gewisse steuerliche Belastung Andersgläubiger und
Konfessionsloser für kirchliche Zwecke selbst bei natürlichen Personen
in Kauf, so darf die eben beschriebene Konsequenz der frei gewählten
Beteiligung an einer juristischen Person oder der Schaffung einer solchen
füglich als mit Art. 49 Abs. 6 BV vereinbar betrachtet werden. Man
wollte eben unter dem Aspekt der Glaubens- und Gewissensfreiheit im
Bereich der Abgaben nur gewährleisten, dass nicht spezielle Kultussteuern
von andersgläubigen oder konfessionslosen natürlichen Personen erhoben
werden. Im Lichte der Entstehungsgeschichte kann dieser Bestimmung keine
weitergehende Liberalisierungstendenz entnommen werden. Es ist nicht
Sache des Verfassungsrichters, dieser Vorschrift in Änderung einer bald
hundertjährigen Praxis gestützt auf die Annahme gewandelter Auffassungen
eine grössere Tragweite zu geben, obschon das Kirchenrecht der Kantone sich
auch in neuerer Zeit weitgehend im herkömmlichen Rahmen entwickelt hat.

    Vom Grundsatz, dass Art. 49 Abs. 6 BV auf juristische Personen
nicht zur Anwendung komme, wird in der Rechtsprechung eine wichtige
Ausnahme gemacht. Juristische Personen, die selber religiöse oder
kirchliche Zwecke verfolgen, können nicht verpflichtet werden, an andere
Religionsgemeinschaften Kultus- oder Kirchensteuern zu entrichten (BGE 95 I
350). Diese Ausnahme ist wohlbegründet und fand allgemein Zustimmung. Wenn
auch juristische Personen im allgemeinen und Erwerbsgesellschaften im
besondern unter dem Gesichtswinkel der Besteuerung sich nicht auf die
Glaubens- und Gewissensfreiheit berufen können, so wäre es anderseits -
bei aller formalen Logik - absurd, juristischen Personen mit religiöser
oder kirchlicher Zwecksetzung den Schutz von Art. 49 Abs. 6 BV zu versagen
und sie der Besteuerung durch Kirchen Andersgläubiger zu unterwerfen. Diese
aus dem Sinn und Zweck der Verfassungsbestimmung sich ergebende Ausnahme
lässt sich mit keinen stichhaltigen Argumenten auf andere juristische
Personen (ohne religiöse oder kirchliche Zwecksetzung) ausdehnen.

Erwägung 5

    5.- In der vorliegenden Beschwerde wird geltend gemacht, die
Kirchensteuerpflicht juristischer Personen verstosse auch gegen den
Grundsatz der Rechtsgleichheit. Diesen Vorwurf hat in der Doktrin vor
allem Bühlmann erhoben (BÜHLMANN, Das Verbot der Kultussteuern S. 104
f.). Er glaubte, ihn in folgende Formel zusammenfassen zu können:

    "Die physischen Personen, welche einer Religionsgenossenschaft nicht
   angehören, dürfen persönlich nicht besteuert werden ...; die
   juristischen

    Personen jedoch, welche ihrer Natur nach als glaubenslose, ideale

    Rechtssubjekte keiner Religionsgenossenschaft angehören können, dürfen
   besteuert werden. Also wesentlich gleiche tatsächliche Voraussetzungen:
   die

    Nichtzugehörigkeit, aber ungleiche Behandlung: im einen Fall

    Steuerbefreiung, im andern Besteuerung."

    Zum Teil wird die Rechtsungleichheit auch insbesondere darin
gesehen, dass die natürliche Person sich durch Austritt aus der Kirche
Kirchensteuerfreiheit verschaffen könne, die juristische Person nicht.

    Der Vorwurf rechtsungleicher Behandlung kann nur zutreffen,
sofern zwischen natürlichen und juristischen Personen in dem hier in
Frage stehenden Bereich keine wesentlichen Unterschiede bestehen. Wie
sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, hat das Bundesgericht
stets angenommen, es bestehe insofern zwischen den beiden Arten von
Rechtssubjekten ein entscheidender Unterschied, als die natürliche Person
sich auf die Glaubens- und Gewissensfreiheit berufen könne, während der
juristischen Person nach der Natur der Sache dieses Freiheitsrecht im
allgemeinen nicht zustehe. Überzeugende Argumente für die Auffassung, auch
juristischen Personen komme generell das Individualrecht gemäss Art. 49
Abs. 1 BV zu und sie seien daher durch die Erhebung der Kirchensteuer in
gleicher Weise verletzt wie ein Konfessionsloser oder Andersgläubiger,
lassen sich weder der Beschwerdeschrift noch der Literatur entnehmen. Die
ungleiche Behandlung juristischer und natürlicher Personen in bezug auf die
Kirchensteuerpflicht beruht auf einem offensichtlich rechtlich relevanten
Unterschied: Die natürliche Person kann durch Kultussteuern in ihrer
Glaubens- und Gewissensfreiheit verletzt werden, für die juristische Person
besteht dieser in Art. 49 Abs. 6 BV umschriebene Steuerbefreiungsgrund
im allgemeinen nicht. Die Rüge rechtsungleicher Behandlung ist unbegründet.

Erwägung 6

    6.- Einige Argumente, die sich als für die Beurteilung der
Grundsatzfrage nicht entscheidend erweisen werden, sind hier noch zu
erörtern:

    a) Gegen die Kirchensteuerpflicht juristischer Personen wird
geltend gemacht, juristische Personen könnten die Dienste der Kirche
nicht beanspruchen, es sei daher ungerechtfertigt, ja willkürlich, sie
mit Kirchensteuern zu belasten. Die Kirchensteuer ist - wie der Name
sagt - eine Steuer, d.h. eine voraussetzungslose Abgabe zur Erfüllung
öffentlicher Zwecke, die wie jede andere Steuer vom Pflichtigen ohne
Rücksicht darauf geschuldet ist, ob er die damit finanzierten Dienste und
Einrichtungen beansprucht oder nicht. Auch eine Steuer, die von einem
Pflichtigen erhoben wird, der die Einrichtungen des steuerberechtigten
Gemeinwesens nicht oder nur wenig benützt, ist selbstverständlich nicht
wegen dieses Fehlens einer Gegenleistung verfassungswidrig. Der Einwand,
die juristische Person nehme die Dienste der Kirche nicht in Anspruch,
ist in der gesetzgebungspolitischen Diskussion zu prüfen, aber für die
verfassungsrechtliche Beurteilung einer bestehenden Besteuerungsmöglichkeit
ohne Belang.

    b) Von den Organen der Landeskirchen wird dargelegt, dass die Kirchen
heute mannigfache Dienstleistungen für die Allgemeinheit erbringen
(Fürsorge, Schulung, sozial-caritative Einrichtungen). Es erscheint
offensichtlich, dass die den Kirchen zufliessenden finanziellen Mittel bei
weitem nicht nur für den Kultus im engern Sinne Verwendung finden. Auch
dieser Gesichtspunkt braucht jedoch nicht näher untersucht zu werden;
denn indem die Bundesverfassung implizite die Erhebung von Kirchensteuern
grundsätzlich zulässt, wird den Kantonen die Möglichkeit gegeben, die
kirchliche Tätigkeit generell als öffentliche Aufgabe zu verstehen, diesen
Bereich öffentlichrechtlich zu organisieren und durch Erhebung von Steuern
zu finanzieren. Der Hinweis auf die heutigen Formen kirchlicher Arbeit im
Dienste der Allgemeinheit mag eine zeitgemässe rechtspolitische Begründung
der Rechtsnatur der Landeskirchen und ihrer Steuerhoheit sein. Für die
Frage der Verfassungsmässigkeit der Kirchensteuerpflicht juristischer
Personen ist es nicht entscheidend, ob die Kirchen mehr oder weniger
Aufwendungen für allgemeine Dienste machten.

    c) Die hie und da anzutreffende Behauptung, die Aktiengesellschaften
weckten durch ihre Unternehmungen zusätzliche kirchliche Bedürfnisse, die
kirchlichen Dienste würden oft durch das Personal der sich vergrössernden
industriellen Betriebe vermehrt beansprucht (vgl. HOLENSTEIN aaO;
BVerfGE 19 S. 222 E. 2), kann für die hier zu beurteilende Grundsatzfrage
ebenfalls nicht von Bedeutung sein. Auch hier handelt es sich um einen
gesetzgebungspolitischen Gesichtspunkt, von dessen Stichhaltigkeit
es nicht abhängt, ob eine gesetzlich vorgesehene Kirchensteuerpflicht
juristischer Personen vor der Verfassung standhält; denn Steuern als
voraussetzungslose Abgaben können vom Gesetzgeber an sich auch Personen
auferlegt werden, welche für die zu befriedigenden finanziellen Bedürfnisse
in keiner Weise verantwortlich sind. Wenn der Gesichtspunkt der Weckung
zusätzlicher kirchlicher Bedürfnisse massgebend wäre, müsste übrigens
folgerichtig eine kaum praktikable Differenzierung vorgenommen werden
zwischen Gesellschaften, die durch ihre Tätigkeit solche zusätzliche
Aufgaben der Kirche schaffen können, und juristischen Personen, deren
Aktivität keine solchen Auswirkungen hat.

    d) Auch das Argument, die Befreiung der juristischen Personen
von Kultussteuern würde Möglichkeiten der Steuervermeidung
eröffnen (REIMANN/ZUPPINGER/SCHÄRRER, N 34 zu § 150 StG Zürich), ist
rechtspolitischer Natur und für die Beurteilung der Verfassungsmässigkeit
ohne Belang. Die Befürchtung, Kirchenangehörige könnten im Falle der
Steuerfreiheit juristischer Personen das bisher der Kirchensteuerpflicht
unterliegende Vermögen und Einkommen aus steuerlichen Überlegungen
nach Möglichkeit auf eine juristische Person übertragen, dürfte
übrigens weitgehend unbegründet sein. Aus den Kantonen, in denen eine
Kirchensteuerpflicht juristischer Personen nicht besteht, sind keine
solchen Machenschaften von erheblicher Bedeutung bekannt.

Erwägung 7

    7.- Art. 9 EMRK enthält die Garantie der Gedanken-, Gewissens-
und Religionsfreiheit:

    "1. Jedermann hat Anspruch auf Gedanken-, Gewissens- und

    Religionsfreiheit;
   dieses Recht umfasst die Freiheit des einzelnen zum Wechsel der Religion
   oder der Weltanschauung sowie die Freiheit, seine Religion oder

    Weltanschauung einzeln oder in Gemeinschaft mit andern öffentlich oder
   privat, durch Gottesdienst, Unterricht, Andachten und Beachtung
   religiöser

    Gebräuche auszuüben.

    2. Die Religions- und Bekenntnisfreiheit darf nicht Gegenstand anderer
   als vom Gesetz vorgesehener Beschränkungen sein, die in einer
   demokratischen Gesellschaft notwendige Massnahmen im Interesse der
   öffentlichen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung, Gesundheit und
   Moral oder für den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer sind."

    a) Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich hat eingehend untersucht,
ob die EMRK, die von der Schweiz am 28. November 1974 ratifiziert wurde,
auf den vorliegenden Fall, der die Kirchensteuer für das Jahr 1974
betrifft, anwendbar ist. Es kam zum Schluss, mit der Ratifikation seien
die Bestimmungen des Abschnittes I der EMRK - unter Vorbehalt einzelner
Ausnahmen und soweit sie keine den Bürger verpflichtenden Drittwirkungen
begründen - in der Schweiz unmittelbar anwendbares Recht geworden. Diesem
Ergebnis und der dazu führenden Argumentation des Verwaltungsgerichtes
ist zuzustimmen.

    Obschon die EMRK nur am Ende des Steuerjahres 1974 noch während 34
Tagen in Geltung war, ist die grundsätzliche Frage der Zulässigkeit einer
Belastung juristischer Personen mit Kirchensteuern ohne Einschränkung
abzuklären. Die vom Verwaltungsgericht aufgeworfene und verneinte Frage,
ob im konkreten Fall die auf die 34 Tage berechnete Steuerbelastung von
Fr. 1.60 nicht schon wegen ihrer Geringfügigkeit keine Verletzung der in
Art. 9 EMRK gewährleisteten Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit
darstellen könne, braucht hingegen nicht geprüft zu werden. Die
Beschwerdeführerin rügt nicht die Höhe der Steuerbelastung, sondern
verlangt einen Entscheid über die prinzipielle, sich jedes Jahr wieder
in gleicher Weise stellende Frage, ob unter dem Aspekt von Art. 9 EMRK
juristische Personen zur Zahlung von Kirchensteuern herangezogen werden
dürfen.

    b) Art. 9 EMRK enthält - anders als Art. 49 Abs. 6 BV - keine
Bestimmung, welche die Belastung Andersgläubiger mit Steuern für
Kultuszwecke ausdrücklich verbietet. Ob sich ein solches Verbot aus
der allgemeinen Gewährleistung der Freiheit, irgendeine Religion oder
Weltanschauung ungehindert auszuüben, ableiten lässt, kann hier offen
bleiben. Ein Entscheid der mit der Auslegung der EMRK betrauten Organe
zu dieser Frage ist bis jetzt nicht bekannt. Auch in der Doktrin finden
sich keine Erörterungen über eine allenfalls aus Art. 9 sich ergebende
Beschränkung der Steuererhebung zu Kultuszwecken, obschon das Problem sich
überall stellen muss, wo der Staat oder mit Steuerhoheit ausgestattete
Landeskirchen Kultussteuern erheben. Art. 9 EMRK hebt auf jeden Fall
die noch weit verbreitete staats- und finanzrechtliche Privilegierung
einzelner Bekenntnisse (Landeskirchen) nicht auf, sondern verbietet
lediglich negativ jede Behinderung der Religionsausübung, ohne eine
öffentlich-rechtliche Gleichstellung aller Religionsgemeinschaften zu
verlangen (vgl. F. CASTBERG, The European Convention on Human Rights,
S. 148 f.). Die Steuerhoheit kirchlicher Körperschaften steht daher nicht
in Widerspruch zu Art. 9 EMRK.

    c) Auch wenn Art. 9 so auszulegen sein sollte, dass Kirchensteuern
von Andersgläubigen nicht gefordert werden dürfen, so kann dieser
staatsvertraglichen Bestimmung doch keine über Art. 49 Abs. 6 BV
hinausgehende, juristische Personen gegen Kirchensteuern schützende
Tragweite zukommen. Die Europäische Kommission für Menschenrechte hat durch
Entscheid vom 17. Dezember 1968 i.S. Church of Scientology of California
erkannt, juristische Personen könnten keine Rechte aus Art. 9 Abs. 1
EMRK ableiten (Requête Nr. 3798/68, vgl. dazu F.G. JACOBS, The European
Convention on Human Rights, S. 148). Wenn es sich um Vereinigungen von
Einzelpersonen zur Ausübung der Religion oder Weltanschauung handelt
und soweit es um die Verfolgung dieser Ziele geht, müssen sich auch
juristische Personen auf Art. 9 EMRK berufen können (in diesem Sinne
Urteil des Verwaltungsgerichts Erw. 11 und dort zitierte Literatur sowie
H. SCHORN, Die europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte
und Grundfreiheiten, S. 250). Dass juristische Personen ausschliesslich
unter diesen Voraussetzungen, d.h. wenn es sich um religiöse oder
weltanschauliche Zusammenschlüsse handelt und es um die Behinderung der
religiösen oder weltanschaulichen Tätigkeit geht, den Schutz von Art. 9
EMRK beanspruchen können, ist in der Doktrin unbestritten. Im vorliegenden
Fall sind diese Voraussetzungen nicht gegeben. Die Beschwerdeführerin ist
eine Erwerbsgesellschaft ohne religiöse Ziele. Art. 9 EMRK hat nicht den
Zweck, juristische Personen vor steuerlicher Belastung für kirchliche
Zwecke zu schützen, sondern gewährleistet durch das Verbot staatlicher
Behinderung der freien Ausübung jeder Religion oder Weltanschauung eine
Freiheit, welche nur natürlichen Personen sowie allenfalls religiösen oder
weltanschaulichen Vereinigungen zukommt, aber nicht einer juristischen
Person mit rein wirtschaftlicher Zwecksetzung. Die Beschwerdeführerin
kann sich somit nicht auf Art. 9 EMRK berufen.

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird abgewiesen.